von Zeena Mubarak
Ich bin mehr als bereit für Geschichten, die dem verlorenen kleinen sudanesischen Mädchen in den USA, das ich einst war, eine Vorlage dafür geben können, sich selbst zu lieben.
Ich wuchs als sudanesisches Kind in den USA auf. Wenn wir dort Fantasiespiele spielten, waren die Charaktere, die ich mir ausdachte, immer weiß und ich hatte wenig Grund zu glauben, dass sie etwas anderes als weiß sein könnten. Ich sah nur selten Afrikaner:innen in den Medien, und wenn, dann nur in Wohltätigkeitsspots, in denen traurige Kinder ihre Hände ausstreckten und in denen im gleichen Ton wie über verletzte Welpen gesprochen wurde. Die weißen Charaktere aus meinen Büchern und aus den Filmen, die mein geistiges Auge prägten, konnten in die Welt hinausziehen und Abenteuer erleben. Aber das Mädchen, das ich im Spiegel sah, lebte ohne Ankerplatz und konnte nirgendwo hin.
Die Reisen meiner Familie in den Sudan jeden Sommer waren mein jährliches Highlight. Der Sudan war Freiheit; die Tage lang, an denen ich mit meinen Cousinen, die wie Schwestern für mich waren, der in den USA allgegenwärtigen Aufsicht Erwachsener entkommen konnte. Der Sudan war auch Stabilität; das Haus meines Großvaters stand dort, seit meine Mutter klein war, und unterschied sich so sehr von den vielen Wohnungen und Häusern, zwischen denen wir in Amerika hin- und herzogen. Aber in meinem übrigen Leben gab es keine Worte, um die großen Flachdachhäuser zu beschreiben, die mit wechselnder Besetzung von „nahen“ Verwandten gefüllt waren, deren Gesichter ich nicht immer erkannte, deren Liebe zu mir aber immer spürbar war.
Wenn wir in die USA zurückkehrten, schrumpfte der Sudan gezwungenermaßen auf die Größe unseres Hauses zusammen. Niemand da draußen hatte je von einem solchen Land gehört, wenn er nicht mit dem Darfur Konflikt vertraut war. In dem Afrika, das wir in den USA repräsentiert sahen, gab es keine Freude, sondern nur unendlich große, unstillbare Bedürftigkeit. Und natürlich führte kein Weg daran vorbei, dass ich als Teenager mit meiner dunklen Haut, mit dem unverständlichen Essen auf unserem Tisch und meiner unüberwindbaren Andersartigkeit weniger glücklich war.
Das begann sich zu ändern, als wir im Englischunterricht The Thing Around Your Neck von der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie durchnahmen. Es war umwerfend. Afrika im Englischunterricht! Afrika gerettet aus den traurigen Fußnoten im Sozialkundeunterricht! Dass die Worte von Adichie, einer Afrikanerin, im selben Klassenzimmer gelehrt wurden, in dem wir Shakespeare und Fitzgerald lernten, bedeutete mir alles. Ich erinnere mich, dass ich beim Durchblättern ihrer Kurzgeschichten dachte: „Ich kenne dieses Mädchen, ich kann dieses Haus sehen.“ Obwohl ihre Figuren auf der anderen Seite des Kontinents lebten, auf der anderen Seite des Landes, das ich kannte, erkannte ich mich und meine Familie auf den Seiten wieder. Mir wurde bewusst, wie abwesend wir von allem um mich herum gewesen waren.
Als ich im dunklen Kinosaal und darauf wartete, dass You Will Die at Twenty begann, den sudanesischen Film, der letzte Jahr rausgekommen war, war ich sicher, vor einem weiteren Adichie Moment zu stehen – nur noch besser, denn mein eigenes Land, nicht nur mein Kontinent, würde dargestellt werden. Stattdessen hat mich das, was folgte, am Boden zerstört.
You Will Die At Twenty erzählt die Geschichte von Muzamil, einem jungen Mann, der in einem ländlichen sudanesischen Dorf lebt. Bei seiner Geburt wird prophezeit, dass er im Alter von 20 Jahren sterben wird, eine Vorhersage, die seine Familie zerstört. Sein Vater flieht, um im Ausland nach Arbeit zu suchen, während seine Mutter ihre Zeit damit verbringt, die Tage bis zu seinem Tod zu zählen. Muzamils Schulkameraden meiden ihn und nennen ihn „Sohn des Todes“. Als junger Erwachsener steht er nur noch seiner Jugendliebe Naima nahe und hat sein Schicksal passiv akzeptiert.
Erst als Suleiman ins Spiel kommt, ändern sich die Dinge. Diese Figur, die nach langer Abwesenheit nach Hause zurückkehrt, steht für die Einführung westlicher Werte in das statische sudanesische Dorf. Suleiman stellt den Glauben Muzamils in Frage, indem er ihn in den Verkauf von geschmuggeltem Alkohol verwickelt. Er führt ihn durch die Vorführung sexuell provokanter Filme in die Außenwelt ein. Er setzt Muzamils Auflehnung gegen den Aberglauben in Gang.
Im Gegensatz zu Suleiman tun die anderen Dorfbewohner:innen nichts, um zu helfen. In einer Szene geht Muzamil nach Hause und trifft seine Mutter Sakina und andere Frauen an, die seine Beerdigung vorbereiten. Selbst diejenigen Dorfbewohner:innen, die Zweifel am Aberglauben der Mutter äußern, tun wenig, um sie aufzuhalten. Somit macht sich die gesamte Gemeinschaft an Muzamils Elend mitschuldig. Die einzige Ausnahme ist der verwestlichte Retter Suleiman.
An You Will die at Twenty stieß mir so vieles bitter auf – nicht zuletzt die Entscheidung des Dores, sich auf die Seite von Sakina zu stellen. Die sudanesischen Gemeinschaften in den USA und im Sudan, denen ich angehöre, kümmern sich umeinander. Wann immer ich etwas brauche, gibt es einen Cousin, einen Freund, einen Nachbarn, der bereit ist, mir eine Unterkunft, eine Fahrt zum Flughafen, ohne Fragen eine Schulter zum Ausweinen zur Verfügung zu stellen. Als mein Grossvater starb, fuhr mich ein Schulfreund meines Vaters mehrere Stunden nach Hause. Der Cousin meines Vaters flog letztes Jahr zu meiner Hochzeit im Sudan ein, obwohl Wochen zuvor in der Nachbarstadt Massaker stattgefunden hatten. Wo waren also Muzamils Cousins? Wo waren diejenigen, die ihn in jeder sudanesischen Gemeinde, die mir untergekommen ist, bis zum Tod verteidigt hätten, anstatt zuzusehen, wie seine Mutter ihn zugrunde richtet?
Es ist ganz eindeutig, dass der Film für ein westliches Publikum gemacht wurde. Das wird schon klar in der Botschaft, dass Afrika sich nicht ohne europäische Anleitung weiterentwickeln kann und auch in seinen visuellen Referenzen, wie etwa den ständigen Parallelen zwischen Sakina und christlichen Darstellungen der Jungfrau Maria. Meinem Mann, der im Sudan aufgewachsen ist, sind diese Anspielungen entgangen, denn sie waren nicht für ihn bestimmt.
Diese westliche Ausrichtung war vielleicht nicht überraschend, da der Film teilweise von französischen und deutschen Produktionsfirmen finanziert wurde. Aber wenn er sich an ein westliches Publikum richtet, hat er eine noch größere Verantwortung, schädliche Stereotypen in Frage zu stellen. Wir leben in einer Welt, in der der britische Premierminister geschrieben hat, dass das Problem Afrikas darin besteht, „dass wir [Europäer:innen] nicht mehr das Sagen haben“. Wir haben einen US-Präsidenten, der die afrikanischen Nationen für „shithole countries“ hält. Beide Männer glauben, dass Afrikaner:innen der Welt nichts zu bieten haben und vor sich selbst gerettet werden müssen.
Fiktion kann solche falschen Narrative aufbrechen. Stattdessen hat You will die at Twenty alles daran gesetzt, sie zu verstärken. Es gab jedoch keinen Grund, das zu tun: Muzamil hätte in seiner Liebe zu Naima, in der Rückkehr seines Vaters oder in der Koranschule, die seine erste Zuflucht vor seiner Mutter war, Empowerment finden können. Er hätte auch von Suleiman etwas lernen können, aber nur in einem Pozess, in dem dieser auch etwas von ihm lernt.
Africa is a country
Dieser Artikel von Zeena Mubarak erschien im Original bei Africa is a country unter dem Titel „You will Die at Twenty and the Adichie moment that never came“.
Obwohl ich den Großteil meines Lebens in den USA verbracht habe, habe ich festgestellt, dass meine wahre Stärke in den Werten liegt, die meine Mutter an mich weitergegeben hat – mein Glaube, meine Loyalität, meine Wertschätzung von Gemeinschaft. Diese Werte sind vielleicht weniger traditionell westlich, aber es gibt nichts, was mit der westlichen Gesellschaft unvereinbar ist. Tatsächlich sind sie es, die meinem täglichen Leben hier in den USA einen Sinn geben.
Mein jugendliches Ich konnte nicht anders, als die mediale Botschaft zu schlucken, dass alles Afrikanische schwach sei, und war unendlich unglücklich. Ich verbrachte ganze Nächte auf dem Boden meines Kinderzimmers, fühlte mich eingesperrt in meinem Körper.
Erst später am College – als ich begann, alleine in den Sudan zu reisen, mich in eine muslimische Gemeinschaft in den USA zu integrieren und mich nicht mehr durch mein afrikanisches Erbe zurückgeworfen fühlte – wurde ich glücklich. Mir wurde klar, dass ich meinem Sudanesischsein nicht entkommen kann, sondern dass es etwas ist, dass ich ganz und gar bejahen und annehmen will.
Als mein Mann und ich nach You Will Die at Twenty das Kino verließen, überkam uns die Empörung. Es fühlt sich an, als wären wir zurückversetzt worden in meine Kindheit, als das einzige Narrativ, das wir von Afrika sahen, das von Afrika als Problem, auf das nur der Westen eine Antwort sei, war. Ich bin mehr als bereit für Geschichten, die frei von westlich geprägten Retterinnen und Rettern sind. Geschichten, die nicht nur über Afrikaner:innen, sondern für Afrikaner:innen gemacht sind. Geschichten, die dem verlorenen kleinen Mädchen, das ich einst war, eine Vorlage für die Liebe zu sich selbst geben könnten.