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Musik

Jakk Quill nutzt Ironie als Waffe

Jakk Quill nutzt Ironie als Waffe
von Mesh Mwandishi

Jakk Quills zweites Album ist endlich erschienen, und Fans wie ich sind ganz vernarrt darin. Sein Debütalbum New Decade Same Dreams ist ein echter Leckerbissen und wurde von der kenianischen Hiphop-Elite hochgelobt, was ihm eine Nominierung als Texter des Jahres bei den UnKut Hiphop Awards 2020 einbrachte. Sein zweites Album Lost in Motion kommt mit mehr Reife, aber auch mit mehr Flexibilität und Experimentierfreude daher. Einige der Kadenzen wie auch die Produktionstechniken sind erfrischend.

Der Künstler nutzt Kontraste und Ironie, um seine Themen zu behandeln. Lost In Motion ist eine Ode an Künstler:innen und viele andere Menschen, die sich in der Hektik des Alltags verlieren – Arbeit, Familie, Verpflichtungen und alles dazwischen!

Das Album hat jedoch noch viele andere Unterthemen, die es interessant machen. Quill greift darauf zwei parallele Ideen auf: zum einen, dass er dieser unsichtbare MC mit lyrischen Skills ist, mit denen niemand mithalten kann. Die zweite ist, dass das Musikmachen für ihn eine Aufgabe ist, die ihn so sehr plagt wie die Figur des Sisyphos aus der griechischen Mythologie geplagt wird. In der Nummer Break It Down zum Beispiel behauptet er, dass „sich wiederholende Zyklen von Scheiße ihn zurück in die Kabine bringen“, fast so, als ob er sich dadurch in die Enge getrieben fühlt. Im selben Song sagt er aber auch, dass er froh sei, ein Musiker zu sein, der den Blues seiner Fans vertreibe. Der zweite Song des Albums, 2 Chappelle’s, verkörpert das Kontrastmotiv perfekt. Zu Beginn der Strophe zählt er auf, wie oft er abgewiesen wurde oder an welche Tische er nicht eingeladen wurde. Er sagt sogar, dass er schlechte Tage hatte, ähnlich wie Hades, aber es immer schaffte, sich rechtzeitig wieder aufzurappeln. Im Gegensatz dazu sei er heute glücklicher, fühle sich mehr in seine Gemeinschaft integriert und sei sich seiner Rap-Skills und Fähigkeiten sicherer. Er nimmt auch Rapper aufs Korn und fragt auf witzige Art und Weise: „Was ist der Unterschied zwischen einem Clown und einer Legende?“

Tangaza Magazine

Dieser Artikel erschien im Original bei auf Englisch bei Tangaza Magazine, einem Online-Musikmagazin für Ostafrika.

Die Ironie und der Kontrast verdeutlichen die Notlage eines Menschen, der mit seinen „Geistern“, einer Metapher für Schwächen und Unzulänglichkeiten, zu kämpfen hat. So gibt er zum Beispiel zu, dass er sich mit einer Frau, die er liebte, versöhnt hat, es aber trotzdem vermasselt hat. Aber wie er in der Hook sagt: „Ich werde besser, ich habe gelernt, mit den Geistern umzugehen“, ist er auf dem Weg, als Mensch und sogar als Künstler zu wachsen, wenn wir die doppelte Bedeutung daraus ziehen. Er erkennt auch, dass das Verdrängen seiner Geister nicht der beste Weg war, mit ihnen umzugehen.

Rapper
Jakk Quill. © Tangaza Magazine

Ein weiterer Track, und vielleicht der, den ich am meisten liebe, Break It Down, ist selbst ein Kontrast aus zwei verschiedenen Stilen und Themen. Er beginnt mit einer Melodie als Intro/Hook und singt „She gonn‘ break it down right now“, bevor er eine melodische Strophe darüber abliefert, dass er in diese Frau verliebt ist, sie sich aber immer streiten und kämpfen.

Im zweiten Teil des Songs wechselt er dann in einen regulären Rap, in dem er über sich selbst und sein Wesen spricht – und das fühlt sich an wie seine intimsten Gedanken. Er stellt die Reihenfolge der Dinge in Frage und fragt ironisch: „Wenn die Zeit eine Schleife ist, wie sicher ist es, dass der Saft nach der Frucht kommt/ Der Regen nach dem Dach/ Der Schmerz nach der Wahrheit/ Wiederholte Zyklen von Scheiße bringen mich zurück in die Kabine“. Er spricht darüber, wie er lange Zeit gemobbt wurde und dass er zu pleite für eine Therapie ist, so dass die Musik seine Art ist, mit seinen Problemen umzugehen. Aber nur um sicher zu gehen, dass er nicht zwei Songs macht, gibt er am Ende zu, dass der Song als Twerk-Song begann, aber irgendwie introspektiv wurde. Er gibt auch zu, dass er sich weniger allein fühlt, wenn seine Geliebte „zusammenbricht“ – was vielleicht bedeutet, dass diese Geliebte eine weibliche Version von ihm selbst ist, die mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hat, aber er liebt sie immer noch und bleibt bei ihr, denn Trommelwirbel – sie sind ein und dasselbe.

Das Album zeigt die Dunkelheit auf eine Weise, die unbeteiligt wirkt. Man bekommt schon früh das Gefühl, dass er eine grüblerische Natur hat, immer tief in Gedanken versunken. Im dritten Song, Planning For Doom, nimmt er eine prahlerische Persönlichkeit an, die anderen Rappern Unheil und Gewalt ankündigt und behauptet, er sei der Beste. Seine Melancholie macht ihn auch ein bisschen versnobt – in dem Song Silhouette sagt er, dass er sich kaum an Leute erinnern kann und sie deshalb höflich umkurvt“. Der Song Sharpie verdeutlicht, dass er den Menschen im Allgemeinen nicht traut und insbesondere ein Problem mit den honigsüßen Typen hat. Er zieht es stattdessen vor, dass die Leute ehrlich sind, was ihre Absichten angeht und „auf den Punkt kommen wie ein Scharfschreiber“.

Mesh Mwandishi ist ein junger Hiphop-Enthusiast. Ich liebe ostafrikanischen Hiphop, der so viele Subgenres und Geschmacksrichtungen hat. Ostafrikanischer Rap muss erst noch entdeckt und auf der Weltbühne anerkannt werden, aber wenn es soweit ist, werde ich da sein und allen sagen: I told you!

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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Musik

Maandys Musik sprengt traditionelle Geschlechterrollen

Maandys Musik sprengt traditionelle Geschlechterrollen
von Karen Chalamilla

„Wenn die Leute mich ansehen, möchte ich, dass sie eine Badass Bitch sehen.“ Diese Aussage ist eine Einführung in Maandys musikalische Persona. Die aus Nairobi stammende Sängerin, die nach ihrem Debütalbum und ihrem Lieblingssong Kabaya genannt wird, ist keine Unbekannte, wenn es darum geht, mit ihrer weiblichen Aura die Grenzen des kenianischen Rap zu erweitern. Auf ihrem kürzlich erschienenen zweiten Album erhebt sie weiterhin den Mittelfinger gegen traditionelle Geschlechterrollen. „Ich glaube, weil ich die Freiheit habe, in meiner Musik über alles zu sprechen, was ich will, muss ich sehen, wie weit ich es treiben kann“, sagt sie kühn, „Mann, ich will wirklich all diese Traditionen kaputt machen.“

Der Name des Albums ist eine Kombination aus zwei Identitäten, die sie verkörpert. „Das Album ist für mich sowohl sexy als auch gangsta“, erklärt sie, „die Gangsta-Seite ist die, die Risiken eingeht, und die sexuelle Seite ist, nun ja, freaky“, was zusammen Frisky ergibt. Dieses Album erzählt die Geschichten von „jungen Frauen in Nairobi“. Dabei lässt Maandy sich von ihren eigenen Erfahrungen inspirieren, um sie mit denen der Frauen in ihrem Umfeld zu verknüpfen, die den Großteil ihres Publikums ausmachen. „Die Art von Frauen, die wissen, dass sie sich dafür entscheiden können, die Grenzen auszutesten und sich das nicht zweimal sagen lassen müssen“, die das Gefühl haben dürfen, in Bestform zu sein. Und wenn das nicht der Fall ist, geben sie sich höchstens einen Augenblick Zeit, um sich schlecht zu fühlen, bevor sie wieder in den Sattel steigen. Letzteres ist für sie besonders wichtig. Maandy gibt zu, dass es eine Weile gedauert hat, bis sie auf diese Weise zu sich selbst finden konnte; sie möchte nicht, dass ihre Zuhörer:innen so lange wie sie brauchen, um sich befreit zu fühlen.

Während es bei der Veröffentlichung ihres Debütalbums eher darum ging, „Spaß zu haben und ein Werk zu haben, mit dem die Leute sie kennenlernen“, gibt sie zu, dass Frisky „eher geschäftsorientiert“ ist. Maandy ist sich bewusst, dass mit ihrem zweiten Album mehr von ihr verlangt wird; „die Qualität, der Look, der Inhalt, all das“. Und um dem gerecht zu werden, schöpft sie mit ihren Inhalten aus dem Vollen. Von Partyhits wie „Relax“ über bereits veröffentlichte Singles, mit denen die Fans schon vertraut sind „Shash na Lipgloss“ und „Sirudi Home Refix“, bis hin zu einem Freestyle „Name“ und sogar einer Gesangsperformance „Magizani“, die RnB-Künstlerin Tamias So Into You sampelt. Das Album lässt kein Genre unangetastet.

Aber trotz all ihrer Fähigkeiten ist es ihre Vorliebe für das Geschichtenerzählen, die hervorsticht. Die mehrsprachige Künstlerin wechselt zwischen Englisch und Kisuaheli, um die Zuhörer:innen in die Geschichten der einzelnen Tracks zu ziehen. In dem augenzwinkernden „Money Man“ befragt sie einen Mann über seine Fähigkeit, sie finanziell zu unterstützen (ok hii ni chance nakupea / boy child anza kujitetea). Und in dem pikanten Forbidden Fruit lässt sie uns an einem geheimen Rendezvous mit dem Mann ihrer besten Freundin teilhaben, von dem sie schwört, dass es so nicht geplant war (I swear sikupanga ikue hivi, situation got too sticky). Und im Opener des Albums, „Mambo Gani“, dreht sich der Spieß um, als sie die Geschichten anspricht, die Klatschblogs aufgrund ihrer steigenden Popularität immer wieder über sie erfinden.

Tangaza Magazine

Dieser Artikel erschien im Original bei auf Englisch bei Tangaza Magazine, einem Online-Musikmagazin für Ostafrika.

Nach dem überwältigenden Erfolg ihres ersten Albums hat Maandy das Gefühl, dass der Leistungsdruck eine ganze Reihe von Herausforderungen mit sich gebracht hat. „Die Veröffentlichung von Content kann hektisch sein“, sagt sie ganz sachlich. Ob es nun an einem verspäteten Feature liegt (weshalb auf Frisky nur Fena Gitu, Breeder LW und Ndovu Kuu zu hören sind, gesteht sie) oder einfach daran, dass die Erstellung der Inhalte oft kostspielig ist, Maandy verhehlt nicht ihre Erleichterung (und Erschöpfung) darüber, dass sie es trotz allem geschafft hat. Abgesehen von den verwaltungstechnischen Herausforderungen ist das, was sie am meisten auf die Probe gestellt hat, die zunehmend verschwimmende Grenze zwischen Maandy, der Künstlerin, und Amanda, der Frau, die vom Publikum wahrgenommen wird. „Wenn ich also Leute hier draußen treffe, die mich als Künstlerin kennen, denken sie, dass das, was ich als ‚Maandy‘ tue, vorgespielt ist, obwohl es das nicht ist.“ Das ist natürlich ein Beweis dafür, wie gut die junge Künstlerin Teile ihrer Identität angezapft hat, um diese musikalische Persönlichkeit zu kreieren. Das zeigt, wie sehr soziale Medien und die Musikindustrie miteinander verflochten sind, sodass ihre Internet- und ihre reale Persönlichkeit ineinander übergehen. Das klingt zwar nach einer guten Sache, kann aber auch von Nachteil sein. „Ich stelle mir das gerne so vor, dass man im Büro oder in seinem Freundeskreis nicht wirklich dieselbe Person ist“, erklärt sie, „bei mir ist es genauso, aber die Leute neigen dazu, das misszuverstehen und zu übertreiben. Ich weiß nicht, ob ich jemals darüber hinwegkommen werde, wie sehr mich das stört.“

Es wäre jedoch nachlässig, wenn die Künstlerin nicht zugeben würde, dass ihre Persona eine Rolle dabei spielt, wie ihre Musik und ihre Marke aufgenommen werden.“Es hilft auf jeden Fall, denn leider werden Frauen in der Gesellschaft so angesehen, dass ich weiß, dass die Art und Weise, wie ich mich gebe, dabei hilft. Es ist ein schwieriges Unterfangen, seine Sexualität als einen Akt der Rebellion zu betrachten und gleichzeitig zu wissen, dass ein Teil des Publikums das nicht so auffasst.“ Maandy räumt ein, dass es noch schwieriger ist, weil ein großer Teil ihrer Zuhörer:innen Männer sind. Aber wie das Ethos von Frisky sind es die Frauen, die das Zielpublikum für ihre Musik sind: „Ich fühle mich von niemandem unter Druck gesetzt, Kabaya zu sein, vor allem nicht von den Männern“, sagt sie mit Bestimmtheit, „ich mache meine Musik nicht für sie, ich mache sie für die Frauen.“

Karen Chalamilla ist eine 24-jährige, in Tansania geborene und aufgewachsene Kulturautorin. Ihre Arbeit befasst sich mit Popkultur, Musik, Fernsehen und Film sowie Literatur, wobei sie häufig deren Wechselwirkung mit Fragen der Rasse, des Geschlechts und der Sexualität untersucht.

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Musik

Im Auge behalten: Sema Sole

Im Auge behalten: Sema Sole
von Kalanzi Kajubi

Sema Sole ist ein vielschichtiger MC aus Kigali, Ruanda. Sein lyrischer Stil ist düster und doch eindringlich, typischerweise rappt er zu Post-Trap-Instrumentals. Wie die meisten anderen Hip-Hopper des Landes rappt er fast ausschließlich in der Landessprache Kinyarwanda, aber mit einer Intention, die ihn von seinen Zeitgenossen abhebt.

Dies kommt besonders auf seiner Debüt-EP Bururu zum Ausdruck, die im Sommer veröffentlicht wurde. Bururu, was übersetzt „blau“ bedeutet, ist eine 5-Song-Introspektion über Depression und ihre vielen Phasen, in deren Mittelpunkt die Geschichte eines wohlhabenden, aber unerfüllten Mannes steht, der alles verliert.

Auch ohne die Sprache zu verstehen, ist der Ton des Projekts sehr klar artikuliert, sogar bis hin zum Cover, das unseren nackten Protagonisten zeigt, der Geld blutet, während er durch eine schattige blaue Umgebung läuft. Semas heisere Stimme ist das perfekte Gefäß für die gewichtigen Themen des Albums, und die Produktion ist großangelegt genug, um seine mundvollen Verse unterzubringen.

Wir haben uns mit Sema getroffen, um mehr darüber zu erfahren, wie seine Musik entstanden ist.

1. Wer ist Sema Sole? Was ist die Geschichte oder Bedeutung hinter deinem Namen?

Mein Kumpel Manzi und ich unterhielten uns eines Tages, und ich erzählte ihm, dass ich in meiner Musik nicht meinen richtigen Namen verwenden wollte, auch nicht den alten Namen, den ich benutzte, als ich 2015 mit dem Rappen anfing, nämlich das inzwischen zum Schreien komische „DK-47“, das eigentlich auch von Manzi erfunden wurde. Ich erzählte ihm, dass ich darüber nachdenke, „Sema“ zu verwenden, was auf Suaheli „sprechen“ bedeutet. Seine Augen leuchteten auf, dann sagte er: „Was ist mit Sema Sole?“ Ich hatte erwartet, dass die Leute denken würden, es stecke eine besondere Bedeutung dahinter, aber es ist wirklich nur der Klang, der mich überzeugt hat. Außerdem fühlt sich der Name wie eine Tabula Rasa an, die die Kreativität nicht einschränkt.

2. Wann hast du angefangen, Musik zu machen? Wie ist dein Weg bisher verlaufen?

Ich habe 2015 meinen ersten Song aufgenommen. Für einen ersten Song war er ehrlich gesagt gut, der Aufnahmeprozess war anstrengend, aber ich war von einer Menge Begeisterung angetrieben. Als Hip-Hop-Enthusiast hatte der bereits erwähnte Manzi damals gerade mit dem Rappen angefangen und ermutigte mich immer wieder, es auch zu versuchen.

Ich nahm eine kleine Auszeit und beschloss, eine Musikpause einzulegen, um meine Selbstzweifel zu überwinden. In der Zwischenzeit habe ich mich vom Musiker zum Schüler gewandelt und konsumiere und nehme bei jeder Gelegenheit Musik auf. So habe ich nicht nur mehr Wertschätzung für andere experimentelle Genres wie Soul, Jazz, Blues und Rock entwickelt, sondern auch aktiv mein Handwerk verfeinert.

Während des ersten Lockdowns traf ich mich wieder mit Manzi, der ebenfalls eine Pause vom Rappen genommen hatte, allerdings aus anderen Gründen. Er ist die einzige Person, die an meine Kunst geglaubt hat, auch wenn ich selbst nicht daran geglaubt habe. Ich schrieb Verse zu Beats und nahm sie mit meinem Handy auf. Ein paar Sessions später veröffentlichte ich meinen ersten Song „Ignis“ als Sema Sole mit meinem lieben Freund und einem meiner Lieblingsacts in der Hip-Hop-Szene von Kigali, Mazimpaka Prime, der überwältigend positiv aufgenommen wurde. Außerdem habe ich mich im letzten Sommer wieder mit meinem Freund Reddy getroffen, der Produzent ist. Manzi, Reddy und ich haben beschlossen, ein Kollektiv zu gründen, das wir „Mellow Couch“ nennen. Unsere Vision für Mellow Couch ist es, alles einzubeziehen, was wir uns in der aktuellen Musikszene wünschen. Das befindet sich alles noch in der Anfangsphase, aber ich freue mich, dass unsere Vision Gestalt annimmt.

Tangaza Magazine

Dieser Artikel erschien im Original bei auf Englisch bei Tangaza Magazine, einem Online-Musikmagazin für Ostafrika.

3. Du scheinst die Welt, die du um deine Musik herum aufbaust, sehr bewusst zu gestalten, vor allem was die Gestaltung des Covers und die Auswahl der Beats angeht. Kannst du uns an deinem kreativen Prozess teilhaben lassen?

Mein kreativer Prozess beginnt in der Regel mit der Suche nach dem richtigen Beat. Die Auswahl des Beats ist sehr wichtig, weil der Beat die Richtung vorgibt, in die ich mit dem lyrischen Inhalt gehen werde; der Gesangston, die Kadenz usw. Meine Kriterien sind einfach. Wenn mich ein Beat beim ersten Anhören nicht provoziert oder erregt, dann ist er nicht der richtige. Punkt. Das kommt nicht oft vor, deshalb bin ich bei Beats sehr wählerisch.

Die Intention ist mein Kompass. Obwohl ich mehr Englisch als Kinyarwanda spreche, habe ich mich bei der Arbeit an Kama selbst herausgefordert, den gesamten Song in Kinyarwanda zu komponieren. Nach der Veröffentlichung von Kama war die Resonanz so positiv, dass ich mich inspirieren ließ, die EP in Kinyarwanda zu singen. Damals wusste ich noch nicht, wohin mich dieses Konzept führen würde, aber die Absicht ist eine Reise und kein Ziel. Ich schloss mich schließlich mit Credo Hope zusammen, der Designerin, die mir einen Katalog von Kunstwerken zeigte, an denen sie gearbeitet hatte, und das Cover der EP sprach mich sofort an. Ich habe sie gebeten, dafür zu sorgen, dass Geld auf dem Rücken der Muse fliegt, was meiner Meinung nach das EP-Cover visuell stimmig macht.

4. Die EP enthält keine Features. War das auch beabsichtigt?

Ich habe mich bei der EP für ein Soloalbum entschieden, weil ich meine künstlerische Bandbreite voll ausschöpfen und einfach meinen Raum haben wollte. Ich habe das Gefühl, dass die EP auch ziemlich persönlich ist, sodass keine andere Stimme außer meiner notwendig war, um meine inneren Gefühle zu vermitteln.

5. Welche Künstler:innen haben am meisten Einfluss auf deinen Sound?

Die ersten Künstler, die mir in den Sinn kommen, sind Kendrick Lamar, Tyler, the creator, Kanye West, Andre 3000, Nirvana, The Beatles, Earl Sweatshirt und Billie Eilish. Mein Sound wurde auch stark von Kamaliza, Cecile Kayirebwa, Teta Diana, Nkurunziza Francois, Gatikabisi alias Don Nova, Bushali und B-Threy beeinflusst. Während ich mich ständig von lokalen Künstler:innen inspirieren lasse, war die Ausweitung meiner Einflüsse über meine Heimatkultur hinaus die notwendige Verbindung zwischen der Festigung meiner Wurzeln und der Entwicklung meines Sounds.

6. Können wir bald ein Video von dir erwarten?

Auf jeden Fall! Ich habe ein Video für Vutu gedreht. Ich hoffe, dass ich es bald veröffentlichen kann. Ich gebe zu, dass ich etwas nervös bin, weil ich nicht weiß, wie es ankommen wird. Es ist das erste Mal, dass ich mich mit visuellen Mitteln beschäftige, und der Prozess ist ein großer Sprung aus meiner Komfortzone. Das Wichtigste ist aber, dass die Leute genauso viel Spaß daran haben wie ich an dem Song.

7. Wie kam es zur Entstehung von Bururu?

„Bururu“ ist das Wort für die Farbe Blau in Kinyarwanda. Die EP fängt im Wesentlichen die wechselnde Stimmung eines Menschen ein, der die verschiedenen Phasen einer Depression durchläuft. Die Vergesslichkeit während eines vorübergehenden Hochs, die sich von „yota“ bis zum plötzlichen Ende der Musik in „bwije“ erstreckt, und die Ernüchterung, als es in „iBururu“ wieder in den Blues zurückgeht. Ich verwende die Metapher von Reichtum und Armut, um dies zu vermitteln. Der Mann beginnt in „Yota“ (was frei übersetzt so viel heißt wie „wenn sie in der Sonne baden“, was bekanntlich eine morgendliche Aktivität ist) damit, dass er davon spricht, wie er es selbst geschafft hat und wie schiere Willenskraft und Selbstbestimmung ihm den Reichtum gebracht haben, den er jetzt hat. Es klingt, als wäre er gerade erst aus der Armut herausgekommen (es ist morgens, kurz nach Einbruch der Dunkelheit), sodass in seiner Haltung immer noch Elemente der Akzeptanz dessen enthalten sind, wie schmerzhaft Armut sein kann, während die Erinnerung an die Nacht noch frisch ist. Er setzt diese Zurschaustellung in Kama fort, was das kinyarwanda Wort für „Melken“ ist. Kühe sind in der ruandischen Kultur ein Symbol für Reichtum. Seinem Tonfall nach klingt er jedoch bequemer und selbstbewusster in Bezug auf seinen Reichtum und sein Wohlergehen, und er ist davon überzeugt, dass sein Erfolg sein eigener Verdienst ist und dass er sich selbst aus seinem vergangenen Unglück befreit hat. In „Vutu“, dem Kinyarwanda-Wort für „Fresskoma“, kommt als Höhepunkt dieses Wohlbefindens die hohe Energie des Tracks und ein hohes Maß an Selbstvertrauen in der Darbietung und noch mehr Prahlerei im Text. Das Wohlbefinden und das Hochgefühl setzen sich im folgenden Stück kurz fort, bevor die Musik abrupt endet, nachdem uns die beiden Stimmen am Ende des Zwischenspiels verraten, dass es bereits Nacht ist. Sie klingen überrascht, wie schnell die Nacht hereingebrochen ist, das Wort „Bwije“ bedeutet übersetzt „es ist Nacht“. Dies führt zum letzten Stück „iBururu“, was übersetzt „beim Blues“ heißt… unser Protagonist findet sich nun arm und bettelnd wieder und beklagt sich darüber, dass er alles im Leben versucht hat, aber kein Glück hatte und das Leben bedeutungslos geworden ist. Damit steht er in scharfem Kontrast zu seiner Haltung in den früheren Stücken. Das Cover vermengt die Metapher mit dem Hauptthema der Depression, wie man an der Art und Weise erkennen kann, wie das Geld aus dem Rücken unseres Charakters fliegt, während er sich vor Schreck in diesem blauen Reich fast nackt wiederfindet.

Ich habe in der Vergangenheit mit Depressionen zu kämpfen gehabt, und in der EP fange ich die unterschiedlichen Haltungen ein, die ich in den verschiedenen Phasen meiner Depression hatte. In den vorübergehenden Hochs vergaß ich, wie schlimm die Tiefs waren, bis ich wieder in den Abgrund geworfen wurde. Es ist wirklich ein Aufruf, sich nicht von den Umständen beeinflussen zu lassen, wie man dem Leben gegenüber steht, auch wenn das leichter gesagt als getan ist.

8. Erzähl mir von der Entscheidung, ausschließlich in Kinyarwanda zu rappen. Du hast einmal erwähnt, dass du versucht hast, auf Englisch zu rappen, aber festgestellt hast, dass es für dich natürlicher ist, auf Kinyarwanda zu rappen.

Das Dilemma ist, dass ich Englisch viel besser beherrsche, aber es gefällt mir viel besser, wie ich auf Kinyarwanda klinge. Ich kann in ziemlich kurzer Zeit gute Verse auf Englisch schreiben, aber wenn ich sie dann singe, muss ich immer ganz viele Aufnahmen machen, weil ich es hasse, wie ich bestimmte Wörter ausspreche. Und normalerweise gebe ich mich nach einer Million Takes zufrieden, ohne wirklich zufrieden zu sein. Ich glaube, das liegt daran, dass sich mein Akzent sehr von dem der Rapper unterscheidet, mit denen ich aufgewachsen bin, sodass ich mir selbst zuhöre und dann immer denke, dass es bescheuert klingt. Bei Kinyarwanda nehme ich mir mehr Zeit, um eine Strophe zu schreiben, und wenn ich sie aufnehme, mache ich einen einzigen Take. Ich hätte nie gedacht, dass ich in der Lage sein würde, ausschließlich in Kinyarwanda zu rappen, bis ich es ausprobiert habe. Ich bin immer noch unsicher, ob ich die Sprache fließend beherrsche. Ich höre viele meiner Zeitgenossen in Kinyarwanda, die Wörter und Ausdrücke benutzen, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existieren. Es ist befriedigend zu sehen, wie sich Menschen, die die Sprache nicht kennen, mit meinen Liedern identifizieren. Ich dachte, ich würde ein Publikum verlieren, aber die Leute verstehen mich immer noch.

9. Wie ist es, in Ruanda Musik zu machen? Wie sieht die kreative Szene dort aus?

Es ist eine sehr aufregende Zeit, um hier in Ruanda Musik zu machen. Vor allem der Hip-Hop hat sich stark weiterentwickelt, weg vom sehr monotonen Old-School/Hardcore-Hip-Hop, der jahrelang vorherrschend war, hin zu einer größeren Vielfalt. Andere alternative Klänge sind aufgetaucht und haben sich durchgesetzt, und die Fangemeinde unserer Künstler:innen wächst auch in der Region. Es ist spannend zu sehen, was die nahe Zukunft bringt.

10. Was steht für dich als Nächstes an?

Ich arbeite weiter an meiner Musik. Das sehr positive Feedback auf diese EP hat mich dazu gebracht, noch mehr zu arbeiten. Ich werde weiterhin Musik über Singles und Kollaborationen mit Mellow Couch und anderen Künstler:innen veröffentlichen. Ich arbeite gerade an meinem Debütalbum. Ich versuche, mir damit Zeit zu lassen, da ich mich selbst noch mehr herausfordern möchte. Hoffentlich kann ich es noch vor Ende des nächsten Jahres veröffentlichen.
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Sampa the Great

Sampa the Great
The Return

Great state I'm in, in all states I'm in, I might final form in my melanin

Auf ihrem selbstbewussten und starken Debütalbum „The Return“ begibt sich Sampa the Great auf eine musikalische Heimkehr nach Sambia und Botswana. Nicht nur mischt sie Soul und Funk Elemente mit Klängen ihrer Kindheit, sondern sie dreht auch Videos mit farbenfroher Ästhtetik auf den Straßen Sambias und lässt sogar ihre Eltern in einem Clip auftreten.

Nach ihrem bereits allseits auf Anerkennung gestoßenen Gospel und Neo-Soul Mixtape „Birds and the BEE9“ legt die Hip-Hop Künstlerin noch einmal nach und beweist ihr Kaliber mit tollen Produktionen und und klar definierten politischen Botschaften. 19 göttliche Tracks.

Funky und entspannt sind die Beats der meisten Stücke, auf denen Sampa in Lauryn Hill Manier lässig zwischen Rap und Gesang wechselt und in ihre Jugend zurückreist oder mit der australischen Musikindustrie und rassistischen Gesellschaften abrechnet. „OMG“ ist nicht nur ein Stück, bei dem wohl niemand still sitzen kann, mit seinem treibenden Beat und Bläser-Samples, sondern auch als Video eine absolute Augenweide.

Auch wenn ihre Musikkarriere auf in Jazz-Hip-Hop-Freestyle Sessions auf den Straßen Australiens begann und viele dort geschmeidete Allianzen ihre Karriere befeuert haben, so fühlte sich Sampa the Great doch nach eigener Aussage in der australischen Musikindustrie zur Außenseiterin gemacht. In einem Interview beschreibt sie, wie sich die Heimkehr anfühlte:

„Das war es, was mich ursprünglich zu diesem Album inspiriert hat: dieses Gefühl von Heimweh, obwohl meine Karriere so super lief. Mal hat mich dieses Gefühl fast gelähmt. Dann hatte ich die Idee, Dinge oder Elemente, die mich an zu Hause erinnern, in mein jetziges Leben zu integrieren. Das hat mir geholfen, meine Karriere überall auf der Welt voranzubringen.“

In „Final Form“ rappt Sampa vor einer gefühlvollen 70er-Jahre-Funk-Vibes Kulisse und sendet eine Botschaft von Black Power.
Das lebhafte und farbenfrohe Video zum Lied wurde auf Märkten und Straßen in den Gegenden, in denen Sampa aufwuchs, gedreht. Will Sampa mit dem Titel andeuten, dass sie als Künstlerin bereits zur Vollendung gelangt ist?
OkayAfrica erzählte sie:

"Es ist leicht, sich in dem ständigen Geschwätz um einen herum zu verfangen, dass man 'noch nicht da ist', dass man 'es vielleicht nicht schafft. Bei "Final Form" geht es darum, sich selbst zu erweitern und jede Negativität gegenüber diesem Wachstumsprozess abzulehnen. Als Künstlerin erkenne ich jetzt mein Niveau des Zwischenstadiums; manchmal fällt es ab und manchmal steigt es an, aber ich liebe es, dass ich jede Sekunde auf eine höhere Ebene komme. Vielleicht schaffe ich es morgen sogar zur vollendeten Form".

Sampa the Great wurde von großen Acts wie Kendrick Lamar zur Zusammenarbeit gebeten und stand auf dem Line-Up für Coachella 2020. So ein steiler Karriereweg lässt Grund zur Hoffnung, dass wir bald noch viel mehr von ihrer Musik hören werden.

Sampa the Great, Foto © Barun Chatterjee

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