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Das Kunstwerk : Asake

Das Kunstwerk : Asake
von Marcel Sturm

Im Juni dieses Jahres veröffentlichte der nigerianische Singer-Songwriter Asake (gesprochen: Aschake mit kurzem E) sein neues und zweites Album Work Of Art. Seinen Künstlernamen hat sich Asake, der bürgerlich Ahmed Ololade heißt, von seiner Mutter geborgt, doch ein braves Muttersöhnchen ist der Musiker ganz und gar nicht. Sein Song Mr. Money brachte ihm einen weiteren Spitznamen ein, dem neuen Tausendsassa-Sternchen am nigerianischen Musikhimmel.
Omo ope, ein Song von seiner ersten EP, den er mit dem international bekannten und ebenfalls in Lagos aktiven Rapper und Labelbesitzer Olamide aufnahm, öffnete 2022 für Asake den Weg auf die internationale Bühne. Auch sein geschicktes Tik-Tok Marketing half dabei.
Das neue Album Work Of Art lässt sich nun dabei am ehesten den Genres Afrobeats oder Amapiano zuordnen. Amapiano-Einflüsse waren schon bei seinem Debütalbum von 2022 vorhanden, das unter anderem in den USA Erfolge feiern konnte.
Amapiano ist ein südafrikanisches Subgenre aus Deep House, Jazz und der Kwaito-Musik, das afrikanische Sounds und Samples integriert und sich durch langsameres Tempo, perkussive Loops und Hip-Hop/Rap-Einflüsse auszeichnet. In den letzten Jahren entstand in der nigerianischen Mega-City Lagos eine neue Musik-Szene, die Afrobeats, Amapiano, Popmelodien und raffinierte Rap-Lyrics miteinander verbindet. Asake selbst mischte noch zusätzlich Chöre and Streicher-Arrangements bei und integrierte indigene Yoruba-Musik aus West-Afrika – genannt „fújì“.

Albumcover von Work of Art
»If you don’t feel blessed, you won’t be blessed«, sagte Asake neulich bei ABC News. Dieses Statement spiegelt seine eigene Vorstellung von Manifestation wider. Seine Songs handeln oft davon, dass jeder, der sich darum bemüht, den Segen erfahren kann, den er selbst erfährt. In Basquiat stellt Asake klar, dass er mit dem Work Of Art im Albumtitel sich selbst meint. Warum nicht. Die Chöre im Song erinnern und jedoch daran, dass nicht alles eine One-Man-Show ist, sondern dass Feiern ein gemeinschaftliches Erleben ist. Vielleicht ist Asake auch deshalb dem Amapiano so zugewandt, um ein bisschen auf dem Boden zu bleiben.
Jeder einzelne Song auf Work Of Art ist melodisch ziemlich stark, kommerziell mühelos verwertbar und der hinführende Chorus von I Believe ist ein bemerkenswerter Ohrwurm. Trotz des kurzen Abstands zwischen der Veröffentlichung des ersten und zweiten Albums klingt es nicht danach, als wäre zu hastig gearbeitet worden. Die Produktion ist wunderbar gelungen. Zum Beispiel der Moment in 2:30, wenn die Bassline in ein stotterndes Pattern übergeht, das die Rhythmik von Asakes Vocals wiederspiegelt, und die zarten Snare-Rolls, die den Beat von Sunshine unterstreichen, sind kleine Details, die auf eine gekonnte Produktion und Gestaltung des Albums hinweisen. Hinzu kommen unterstützende Sounds einer country-artigen Violine in Mogbe, von Dancehall beeinflussten Einwürfen bis zu einer an den Dire Straits angelehnten Gitarre, die den Song Sunshine eröffnet. In Sunshine interpoliert Asake außerdem eine Zeile der britischen Gruppe Lighthouse. Diese musikalische Abwandlung verdeutlicht ein weiteres Mal seinen Einfallsreichtum. Thematisch ist wiederum zu seinem Debütalbum kaum etwas Neues hinzugekommen. Asake erkundet Themenfelder wie Dankbarkeit in Olorun, Straßenweisheiten in Sunshine, Afro-Balladen in Mogbe, unterschwellige Botschaften in Awodi, und das Im-Mittelpunkt-Stehen bei sozialen Anlässen in 2:30.

Man darf gespannt sein, wie sich Asake, vor allem textlich, in künftigen Alben weiterentwickeln wird. Eines ist jedoch gewiss – seine Songs und die Mischung der verschiedenen afrikanischen Genres hören sich verdammt gut an.

Asakes nachdrücklicher Aufstieg ist geprägt von seiner Mischung aus dem aus seiner Heimat stammenden Fuji-Genre und dem aus Südafrika stammenden Amapiano. Geprägt von Holztrommeln, Fuji-inspirierten Melodien und der Yoruba-Sprache, ist Work of Art die Vereinigung von Asakes Vermächtnis, das mit seiner Klangauswahl einen anderen, aber ebenso vertrauten Weg einschlägt und die Präsenz von "Fuji-Piano" weiter festigt.

Marcel Sturm (29) ist Studierender der Populären Musiken und Medien im 5. Semester und bei akono im Herbst und Winter 2023 als Praktikant im Magazin tätig.

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akonos Herbstvorschau 2023

akonos Herbstprogramm 2023

We proudly present unsere Herbstvorschau 2023 mit sechs vielseitigen Titeln! Yewande Omotoso erzählt in Mojisola weint nicht eine tiefgründige und mitreißende Familiengeschichte, Tierno Monénembo kehrt in seinem mit dem Renaudot-Preis ausgezeichneten Werk Der König von Kahel den Blick der kolonialen Reiseliteratur um, Kopano Maroga dichtet zärtlich-subversiv in Die Jesusthese über religiöse Mythen und Anselme Nindorera berichtet erfindungsreich in Was war da in Burundi los? vom letzten Herrscher des Königreiches Burundi.
Auch ein empowernder Titel des Kreativkollektivs Look at Us hat sein Zuhause bei akono gefunden, sowie ein berührender Briefwechsel zwischen der eritreischen Schriftstellerin Yirgalem Fisseha Mebrahtu und der deutschen Schriftstellerin Tanja Kinkel: Freiheit in Briefen.

Wir danken allen Autor:innen, Übersetzer:innen, Gestalter:innen und Unterstützer:innen und freuen uns auf das dritte Verlagsjahr!

 

Laden Sie hier das Programm herunter ⇲ oder klicken Sie auf eine:n Autor:in

akono ist ein Indieverlag aus Leipzig, der afrikanische Literaturen auf deutsch veröffentlicht. Lyrik, Romane, Kurzgeschichten, aber auch Sachbücher von afrikanischen Autor:innen oder deutsch-afrikanische Kollaborationen werden seit 2021 bei akono verlegt.
Wir sind der Meinung, dass Dekolonisierung uns alle betrifft, und dass Literatur dafür eine Vielfalt von Realitäten vermitteln und Verständnis erzeugen kann.
Da afrikanische Geschichte und Kulturen von Europa lange Zeit fremdbestimmt und fehlinterpretiert wurden, verlegen wir gerne historische Fiktion und halten mit großartigen Texten unterschiedlicher Genres aus einigen der 54 Staaten dagegen. In unserem Onlinemagazin berichten wir über die Arbeit von afrikanischen Kreativen in den Bereichen Literatur, Fotografie, Film, Musik, bildender Kunst und Mode. akono versteht sich als Gastgeber für afrikanische Kreative in Deutschland, als Netzwerk und Anlaufstelle.

Für unsere Arbeit wurden wir 2022 mit dem Sächsischen Verlagspreis ausgezeichnet.

Das Kunstwerk : Asake

Asakes nachdrücklicher Aufstieg ist geprägt von seiner Mischung aus dem aus seiner Heimat stammenden Fuji-Genre und dem südafrikanischen Amapiano.

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Die Verdammten dieser Erde

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten.

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Literatur

Die Verdammten dieser Erde

Die Verdammten dieser Erde
von Thomas Hummitzsch

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten. »Wie schön wir waren« erzählt von den täglichen Verbrechen, die Konzerne in den Entwicklungsländern im Namen des Kapitalismus begehen.

»Wir hätten wissen müssen, dass das Ende nahte«, räumen die Stimmen von Kosawa gleich zu Beginn ein. Waren sie zu naiv, dass sie das Unvermeidliche nicht haben kommen sehen? Oder zu gutgläubig jenen gegenüber, die behaupteten, dass sich die Geschichte noch auf ihre Seite schlagen würde? Es sind diese Fragen, die in den Vordergrund dieser sich über Jahrzehnte erstreckenden Geschichte drängen.

»Wie schön wir waren« handelt von den verschiedenen Phasen des Widerstands der wortwörtlich aussterbenden Gemeinschaft von Kosawa, deren Lebensgrundlagen von dem amerikanischen Ölkonzern Pexton zerstört werden. Entweichendes Öl zerstört das Ackerland, die Chemikalien der Förderung vergiften das Trinkwasser und der große Fluss fließt unter einer dicken grünen Schicht gefährlichen Mülls dahin.

 

intellectures

Dieser Artikel erschien im Original bei intellectures.

Ausgerechnet der als Dorftrottel verschrieene Konga ist es, der zu Beginn des Romans die Ausweglosigkeit der Situation und die Ausbeutung seiner Gemeinschaft erkennt. Bei einer Versammlung, bei der Pexton-Vertreter den Dorfbewohnern erklären wollen, warum das skrupellose Agieren des Konzerns ein Segen sei, erhebt er seine Stimme. Seine Rebellion steht am Beginn des Aufstands.

Ein Aufstand, der von jenem kollektiven Wir getragen wird, das gleich zu Beginn einräumt, sich getäuscht zu haben. Es sind die Kinder und Kindeskinder dieser Gemeinschaft, die im Kampf gegen Zerstörung und Korruption offenbar ebenso gescheitert sind wie ihre Vorfahren. Die gesellschaftspolitischen Umstände und die Verhältnisse des Raubtierkapitalismus haben ihren Kampf aussichtslos gemacht.

Imbolo Mbue: Das geträumte Land. Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2018. 432 Seiten. 22,- Euro.

»Wir hassten es, wie sie jedes Mal, wenn das Öl aus einer der Pipelines auf unseren Acker lief, Tage für die Reparatur brauchten und unsern Eltern anschließend erzählten, sie müssten nur die oberste Erdschicht abtragen und wegwerfen, um ihr Ackerland zurückzugewinnen. Wenn unsere Eltern zu erklären versuchten, dass das nicht funktioniere, das Gift tief eindringe, das Öl sich über große Flächen ausbreite und es wahrscheinlich am besten sei, wenn Pexton sich bessere Pipelines zulege, kicherten sie und fragten, ob wir etwa glaubten, Pexton werde zusammenpacken und gehen, nur weil wir ein Problem mit ihnen hätten.«

Imbolo Mbue gehört zu jenen Autoren, die die britisch-nigerianische Autorin Taiye Selasi als »Afropolitan« beschreibt. Gemeint ist eine neue Generation von Weltbürger:innen mit afrikanischen Wurzeln wie Chimamanda Ngozi Adichie, Nana Oforiatta Ayim, Teju Cole, Yaa Gyasi, Maaza Mengiste oder Chigozi Obioma. Ihre gesellschaftspolitischen Romane reflektieren dezidiert afrikanische Themen. Mbue kombiniert diese mit Fragen der Globalisierung. In ihrem sprachlich und erzählerisch glänzenden Debüt »Das geträumte Land« geht es um eine Familie aus Kamerun, die unter die Räder der Lehman-Pleite gerät.

Der neue Roman der 1982 in Limbe geborenen und in New York lebenden Autorin behandelt Fragen von Umweltzerstörung, Ausbeutung, Korruption und Trauma. Weil Mbue weiß, dass kollektive Klagen über politische Skandale in Entwicklungsländern schnell verhallen, hat sie 15 Jahre daran gefeilt, um von den tragischen Einzelschicksalen und dem kollektivem Trauma einer solchen Erfahrung Zeugnis abzulegen.

Aus der Gemeinschaft greift sie eine Handvoll Figuren heraus, über deren persönliche Perspektiven und Schicksale sie die Erfahrung der skrupellosen Ausbeutung, falschen Versprechungen und vergeblichen Hoffnungen nachhaltig erfahrbar macht. Daneben stellt sie jenen Chor der Generationen, der kollektiv die Folgen der Ausbeutung durch den Ölkonzern bezeugt.

Imbolo Mbue | © Kiriko Sano

Der fossile amerikanische Konzern hat aber auch seine Unterstützer:innen, auf die er sich verlassen kann. Etwa den Dorfältesten Woja Beki, der den Pexton-Vertreter:innen regelmäßig das Podium bei den Dorfversammlungen überlässt. Zugleich schickt er zu diesen Versammlungen auch immer nur irgendwelche Repräsentant:innen, die nichts zu sagen oder zu entscheiden haben. Eine amerikanische Umweltorganisation taucht auf, die erklärt, sich für die Interessen des Dorfes einsetzen zu wollen. Doch auch die gerät schnell in den Verdacht, nur ein Instrument der perfiden kolonialen Ausbeutungspolitik des Konzern zu sein. Die Verhandlungsversuche der Dorfgemeinschaft versickern wie das aus den Pipelines entweichende Öl im Sand und vergiften die Atmosphäre weiter.

Nach einer dieser Versammlungen eskaliert die Situation und die Dorfgemeinschaft nimmt die Konzernvertreter in Geiselhaft, um mit der Führung in den USA zu sprechen. »Zum Wohl unserer Kinder und Kindeskinder werden wir all das tun und noch mehr«, sagt der junge Bongo, der zu den Entführern gehört. Und auch wenn der Kampf ein langer und möglicherweise nicht von Erfolg gekrönt sein wird, lohnt er sich doch, um dem Schweigen ein Ende zu machen. »Wir werden keine Unbekannten mehr sein. Wir werden Namen haben. Kosawa wird zu erkennen sein.«

Zu eskalierenden Strategien angesichts der Tatenlosigkeit jener, auf deren Tun man angewiesen ist, greifen auch die »Children of Kali« in Kim Stanley Robinsons Klimawandel-Roman »Das Ministerium für die Zukunft«. Während Robinson allerdings ein Best-Case-Szenario der vor uns liegenden Ära zeichnen will, blickt Mbue in ihrem hervorragenden Umweltroman erschüttert auf das, was die Gegenwart uns jetzt schon zeigt: die Arroganz der global agierenden Konzerne, die sich an ihrem Hauptsitz physisch und juristisch verschanzen, während sie fremde Länder ausbeuten und denen, die schon am Boden liegen, die Lebensgrundlagen entziehen.

In den Mittelpunkt der Handlung rückt Thula, ein junges Mädchen, die früh ihren Vater verliert. »Ein Papa, der abends mit seiner Tochter zusammensaß und die Sterne zählte, der mit ihr darüber nachdachte, ob Grashalme in der Angst leben, eines Tages niedergetrampelt zu werden, der ihr einschärfte später nie zu vergessen, wie es sich angefühlt habe, ein Kind zu sein, nie zu vergessen, wie es sich angefühlt habe, klein zu sein und schutzbedürftig.«

Imbolo Mbue: Wie schön wir waren. Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2021. 448 Seiten. 23,- Euro.

Diese Sensibilität für die Umwelt und ihre Umwelt wird Thula nie verlieren. Nicht einmal in den USA, wo sie als junge Studentin lebt, nicht ohne das Schicksal ihres Dorfes aus den Augen zu verlieren. Aus dem Heimatland von Pexton heraus wird sie den Aufstand gegen den Konzern anführen. Später wird sie ins Dorf zurückkehren, um vor Ort aktiv zu werden. Im Laufe des Romans kommen auch ihre Großeltern, Eltern und ihr Onkel zu Wort, die von ihren seelischen und physischen Entbehrungen und Verlusten berichten. Ihre Erinnerungen machen die persönlichen Motive und Traumata, das Menschliche hinter der Politik, greifbar.

Mbue bleibt eng bei ihrem Personal, hält ihren befremdeten und zunehmend feindseligen Blick auf die ausbeuterische Moderne. Zwischen den persönlichen Perspektiven ihrer Figuren und der kollektiven Erinnerung der Kinder entsteht ein flirrendes Spannungsverhältnis, in dem Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Moderne, Patriarchat und Emanzipation, Macht und Ohnmacht, Idealismus und Ernüchterung miteinander verbunden werden.

Die Tradition der mündlichen Überlieferung von Geschichte und Geschichten ist tief in diesem Text verankert. Maria Hummitzsch greift diese in ihrer lebendigen Übersetzung auf. Der Text verläuft wie in Wellen, greift in Satzketten rhythmisch das zornige Klagen des Kollektivs auf. Auch bleibt er lexikalisch nah am Mündlichen. Obwohl die Ölindustrie und die politische Theorie des Aufstands eine große Rolle spielen, kommt der Text ohne Fachbegriffe aus. Direkte Anspielungen auf Frantz Fanons Widerstandsklassiker »Die Verdammten dieser Erde« oder Karl Marx’ »Kommunistisches Manifest« müssen ausreichen, um die theoretischer Grundlage dieser Rebellion zu liefern. Das funktioniert perfekt, die von den Dorfbewohnern vorgetragene Klage erhält gerade dadurch eine hohe Glaubwürdigkeit.

»Wie schön wir waren« ist in der Vergangenheitsform geschrieben, Aufstand, Massaker, Niederlage sind bereits geschehen. Imbolo Mbues großer Roman lässt uns jetzt verstehen, woher die Enttäuschung in vielen afrikanischen Gesellschaften kommt. Und leistet vor allem eines: Er sorgt dafür, dass man von den verstorbenen Kindern von Kosawa nicht nur gehört haben wird. Man wird sie auch nicht mehr vergessen.

Thomas Hummitzsch, geboren 1979 in Meißen, ist freier Journalist, Pressereferent, Kritiker und Blogger.

Das Kunstwerk : Asake

Asakes nachdrücklicher Aufstieg ist geprägt von seiner Mischung aus dem aus seiner Heimat stammenden Fuji-Genre und dem südafrikanischen Amapiano.

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Die Verdammten dieser Erde

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten.

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Literatur Verschiedenes

Vertraulichkeiten für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert!

Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse

Katharina Triebner-Cabalds Übersetzung von Max Lobes Roman "Vertraulichkeiten" wurde für den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.

Der Preis, der seit 2005 verliehen wird, gilt als einer der bedeutendsten Literaturpreise im deutschsprachigen Raum und wird von der Leipziger Messe in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Colloquium Berlin und der Stadt Leipzig vergeben. Er ist mit insgesamt 60 000 Euro dotiert und wird in den Kategorien Belletristik, Sachbuch und Übersetzung verliehen. Je Kategorie werden fünf Titel nominiert. Wer den Preis erhält, wird bei der Verleihung am Messedonnerstag der Leipziger Buchmesse, die vom 27. – 30.04.2023 stattfindet, bekanntgegeben. Wir freuen uns sehr und sind gespannt! Zum Messeprogramm des akono Verlages und den Veranstaltungen mit Max Lobe und Katharina Triebner-Cabald geht es hier.

Die Übersetzung von Vertraulichkeiten wurde von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia und der Kulturabteilung der französischen Botschaft in Deutschland gefördert. Merci beaucoup!

Ein Geschichtsbuch der neuen Art, lebendig und getragen von der Stimme des Volkes

In Vertraulichkeiten kehrt der in der Schweiz lebende Narrator in sein Geburtsland Kamerun zurück, um Recherchen anzustellen über den Unabhängigkeitskrieg in Kamerun und dessen Anführer Ruben um Nyobè. Im Bassa-Wald sucht er die alte Frau Mâ Maliga auf, die dem Narrator bei Spaziergängen und gemeinsamem Palmweintrinken wie eine Griotte (Bewahrerin von Geschichte, oraler Literatur und Musik, oft mit satirischen und mythologischen Inhalten) vom Widerstand gegen die Kolonialmacht erzählt – von Lagern, Folter und dem Verschwinden ihrer Landsleute. Mâ Maliga berichtet von ihrem eigenen Leben und von ihrer Mutter, einer schüchternen Haushälterin in einer französischen Familie, die sich auflehnte und zu einer Sprecherin von Um Nyobè und der Unabhängigkeitsbewegung wurde. In „Vertraulichkeiten“ wird die komplexe Geschichte Kameruns durch die Erzählungen der kleinen Leute erfahrbar, die keine anderen Quellen als mündliche Überlieferungen und die eigene Erinnerung haben, da die Geschichte Ruben um Nyobès im formalen Bildungswesen ausgespart wird.

Afrikanisierte Sprache

Max Lobe gelingt es kunstvoll, eine französische Sprache zu erfinden, die der Volkssprache Bassa in Rhythmus, Redewendungen und Stilmitteln so nahe wie möglich kommt, ohne dabei künstlich zu wirken. Dafür wurde das Original Confidences (Editions Zoé) 2017 in der Schweiz mit dem Prix Ahmadou Kourouma ausgezeichnet. Ebenso wie Kourouma greift Lobe zu den Stilmitteln afrikanischer Erzähltraditionen und erfindet eine Literatursprache, die getragen durch das lebhafte und komische Wort nahe der mündlichen Rede ist. Und Katharina Triebner-Cabald hat es geschafft, diese Sprache, die keine Entsprechung im Deutschen hat, ebenso kunstvoll und einfallsreich zu übersetzen.

Die Literaturübersetzung ist ein Abenteuer, das mich immer wieder herausfordert und inspiriert, ganz besonders weil sie es möglich macht, Brücken zwischen Kulturen und Menschen zu bauen. Ich freue mich, dass ich mit der Übersetzung von "Vertraulichkeiten" eine solche Brücke bauen und Max Lobes sprachlichem Einfallsreichtum zusammen mit Mâ Maligas Botschaft eine deutsche Stimme geben konnte. Die Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse ist eine wunderbare Würdigung meiner Arbeit und zugleich ein Ansporn, auf diesem Weg weiterzugehen. Herzlichen Dank dafür!

Dass die Jury auch Werke aus kleinen und relativ unbekannten Indie-Verlagen wie dem akono Verlag in den Blick nimmt, freut akono Verlegerin Jona Krützfeld sehr. Sie hofft, dass die Erzählung der charismatischen Mâ Maliga durch die Nominierung den Weg zu vielen weiteren Lesenden schafft.

Max Lobe ist ein Autor, der sich in seinem Schaffen und Wirken für globale Nord-Süd Beziehungen interessiert und einsetzt, und für den Literatur über den geschriebenen Text hinausgeht, für den sie erst in der zwischenmenschlichen Auseinandersetzung und im Gespräch ihr volles Potenzial entfalten kann. Die Arbeit am Buch und vor allem die Lesungen und Diskussionen über Ruben Um Nyobé, Mâ Maligas Erzählung und die Frage der Übersetzbarkeit zusammen mit Max und Katharina sind wirklich ein Gewinn für uns alle und ich bin sehr dankbar über diese Chance, dem Buch eine Bühne zu bieten. Wir laden alle herzlich ein, bei der Buchmesse zur Lesung und zum Anstoßen vorbeizukommen!

Lobes 2020 auf Deutsch erschienener Roman „Drei Weise aus dem Bantuland“ (Austernbank Verlag) wurde bereits als eines der besten Independant Bücher Bayerns 2020 ausgezeichnet.

MAX LOBE | Vertraulichkeiten
Aus dem Französischen von Katharina Triebner-Cabald
Roman | Originaltitel: Confidences, Editions ZOÉ 2016
Klappenbroschur 13,5 x 20 cm | 268 Seiten
€ 20 (D) | € 21 (A) | CHF 22
ISBN: 978-3-949554-07-0
Erschienen am 15. August 2022

Das Kunstwerk : Asake

Asakes nachdrücklicher Aufstieg ist geprägt von seiner Mischung aus dem aus seiner Heimat stammenden Fuji-Genre und dem südafrikanischen Amapiano.

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Die Verdammten dieser Erde

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten.

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Verschiedenes

Jenseits von „afrikanischer Kunst“

Jenseits von „afrikanischer Kunst“
von Drew Thompson

Wie wird afrikanische Kunst heute definiert und ist die Kategorie noch relevant? Über den Rassismus der weißen Feldforschungsgeneration im Kunstbetrieb, die Ethnologie-Schublade und über die Post-Black ästhetische Praxis und Emanzipation.

In den letzten zehn Jahren haben Kunstinstitutionen und Museen in den USA versucht, Kurator:innen für ihre historischen afrikanischen Kunstsammlungen einzustellen – mit unterschiedlichem Erfolg. Im Jahr 2018 sah sich das Brooklyn Museum mit breiter Kritik von Aktivist:innen aus der Nachbarschaft und in den sozialen Medien konfrontiert, als es eine weiße Kuratorin für afrikanische Kunst einstellte. Dass die Stelle in Teilzeit ausgeschrieben, befristet und potenziell nicht verlängerbar war, schien von deutlich geringerer Bedeutung zu sein. Zwei Jahre später sahen sich das Brooklyn Museum und andere Museen vor dem Hintergrund von Black Lives Matter und einer Pandemie mit weiteren Herausforderungen konfrontiert. COVID-19 übte Druck auf die Museen aus, ihre Budgets zusammenzustreichen, was die Bemühungen um eine Erweiterung und Diversifizierung des Personals weiter ausbremste, während der zunehmende öffentliche Fokus auf Vorfälle wiederholter Polizeibrutalität gegen Schwarze und PoC die Forderung erneuerte, dass die kuratorischen und administrativen Teams der Museen die Gemeinschaften widerspiegeln sollten, in denen sie verortet sind und denen sie dienen wollen.

Africa is a Country

Dieser Artikel erschien im Original auf Englisch unter dem Titel “Outside the field of African art” bei Africa is a Country.

Ein kritischer Punkt für afrikanische Kunst in den USA?

In diesem Zusammenhang stieß ich auf einen Artikel mit dem Titel “The Long View: Leadership at a Critical Juncture for ‘African Art’ in America” von der Kunsthistorikerin und Kuratorin für afrikanische Kunst, Susan Vogel. Der Artikel wurde in der akademischen Zeitschrift African Arts veröffentlicht, die von Fachkolleg:innen begutachtet wird und eine wichtige Rolle für das Fachgebiet spielt. Vogel ist Kuratorin, Kunsthistorikerin, Museumsdirektorin und Professorin mit mehr als 50 Jahren Berufserfahrung, die in einigen der bedeutendsten Kunstinstitutionen für das Studium und die Ausstellung afrikanischer Kunst in den USA tätig war, darunter das Metropolitan Museum of Art (Met), das Museum of African Art (jetzt Africa Center) sowie die Universitäten Yale und Columbia.

Der wichtigste Punkt in Vogels Artikel ist ihr Unmut über die derzeitige Stellung und den Zustand der Abteilungen für afrikanische Kunst in amerikanischen Museen. Sie stellt fest, dass in den derzeitigen kuratorischen Leitungen und Verwaltungen der Sammlungen afrikanischer Kunst Lücken klaffen, die dazu geführt haben, dass afrikanische Kunst aus der öffentlichen Wahrnehmung in den USA verschwunden ist. In den letzten Jahren wurden mehr als 16 Stellen für Kurator:innen für afrikanische Kunst ausgeschrieben. Nur fünf dieser Stellen wurden erfolgreich besetzt; viele Museen haben die Stellen anscheinend dauerhaft gestrichen. Vogel versucht, mehr Aufmerksamkeit auf diese Realität und auf die jüngsten Einstellungen zu lenken, da ihrer Meinung nach nur wenige außerhalb der Museumswissenschaften oder der Kunstgeschichte davon Notiz genommen haben. Vogel argumentiert, dass die afrikanische Kunst “aus dem Blickfeld verschwindet”. Sie schreibt, dass die US-Institutionen nicht über die notwendigen Kurator:innen verfügten, um historische Sammlungen zu pflegen, und dass sie auch nicht auf der von früheren Generationen geleisteten wissenschaftlichen Arbeit aufbauen könnten. Nach Vogels Einschätzung lassen die Direktor:innen und Kurator:innen von amerikanischen Museen mit Abteilungen für afrikanische Kunst ihre Sammlungen und das Publikum, dem sie dienen, im Stich, indem sie Kandidaten bevorzugen, die lediglich “mit der zeitgenössischen afrikanischen Kunst und Kultur vertraut sind.”

Eine ihrer provokativsten Aussagen ist, dass Abteilungen für afrikanische Kunst, selbst wenn sie eine:n Vollzeitkurator:in haben, nicht über das Fachwissen anderer Abteilungen wie denen für europäische und amerikanische Kunst verfügen: “Den afrikanischen Sammlungen ausschließlich, die Expertise anderer kuratorischer Abteilungen vorzuenthalten, ist nicht zu rechtfertigen und nicht respektvoll gegenüber dem Erbe, das sie repräsentieren.” Für Vogel bedeutet dies, dass das Fachwissen in den Abteilungen für afrikanische Kunst jenem in anderen Abteilungen nachsteht, was das Ansehen der Abteilungen für afrikanische Kunst in den Museen weiter herabsetzt.

National Museum of African American History and Culture, Co

Personelle Veränderungen in amerikanischen Museen

Das Problem ist, dass Vogel, auch wenn sie sicher dachte, es sei hilfreich, in ihrem Essay stattdessen ein schlechtes Verständnis der zeitgenössischen Race-Thematik und des systematischen Rassismus in der afrikanischen Kunst offenbart. Zum einen blendet ihre Kritik die andere Seite der Kandidat:innen aus, gegen die sie sich wendet: In dem Zeitraum, in dem sie einen Niedergang sieht, haben US-Museumsinstitutionen mehr Menschen eingestellt, die sich als Schwarze identifizieren, als in den Jahren zuvor. Aber mehr noch, der Kern von Vogels Argumentation und Kritik liest sich eher wie die Frage: “Können Weiße noch afrikanische Kunst kuratieren?” Eine sinnvollere Frage wäre gewesen: “Was ist afrikanische Kunst heute und spielt die Kategorie noch eine Rolle?” Letztere lädt zu einer größeren Diskussion und Beteiligung ein, und das in einem Moment, in dem Institutionen versuchen, ihre Relevanz zu erhalten – im Gegensatz zu einer reduktionistischen, ausgrenzenden Frage, die auf eine verengte Vergangenheit blickt. Lassen Sie mich das erklären.

Culture Type, eine Online-Plattform samt Newsletter, die sich auf “die visuellen Künste aus einer Schwarzen Perspektive” konzentriert, berichtet alle zwei Jahre in einer Kolumne mit dem Titel “On the rise” über Neueinstellungen in amerikanischen Museen und Kultureinrichtungen. Im Jahr 2022 stellten das Brooklyn Museum, das Met und das Virginia Museum of Fine Arts prominente Mitarbeiter:innen im Bereich der afrikanischen Kunst ein, während weitere 63 US-Institutionen sich als Schwarze identifizierende Personen für eine Reihe von Kuratoren-, Verwaltungs- und Führungsaufgaben einstellten. Von 2020 bis 2021 haben 112 Institutionen ähnliche Einstellungen vorgenommen. Vogel berücksichtigt nicht, dass Menschen mit einer Ausbildung in oder einem Interesse an diesem Bereich in US-Institutionen in Führungspositionen aufgestiegen sind. Sie differenziert nicht nach neu geschaffenen Positionen, die eine komplexere Kulturlandschaft widerspiegeln, in der die afrikanische Kunst nur einer von vielen Bereichen ist.

So wurde beispielsweise 2021 in der National Gallery of Art in der US-Hauptstadt Washington, DC, erstmals ein Kurator für afroamerikanische und afrodiasporische Kunst eingesetzt. Mehrere Kurator:innen mit akademischer und professioneller Ausbildung in afrikanischer und afroamerikanischer Kunstgeschichte stiegen auf, um Abteilungen am Guggenheim Museum und der National Portrait Gallery der Smithsonian Institution zu leiten. Andere übernahmen die Leitung von führenden Institutionen wie dem California African American Museum, The Kitchen (im New Yorker Galerienviertel) und der Gund Gallery des Kenyon College. Diese Beispiele berücksichtigen noch nicht einmal die internationalen Entwicklungen, die ebenfalls von Bedeutung sind. Im Jahr 2020 gründete die Art Gallery of Ontario das Department of the Arts of Global Africa and the Diaspora; das weltberühmte Museum für zeitgenössische Kunst in Barcelona, die Whitechapel Art Gallery und die Chisenhale Gallery haben ebenfalls mutige Neueinstellungen von Schwarzen oder afrikanischen Kurator:innen vorgenommen.

Wer definiert, was „afrikanische Kunst“ ist?

Als kunsthistorischer und kuratorischer Bereich ist “afrikanische Kunst” ein westliches Konstrukt und ein relativ neuartiges Phänomen in US-Museen, das nur bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zurückgeht. Die Sammlung afrikanischer Kunst im Brooklyn Museum entstand beispielsweise unter der Leitung von Stewart Cullin, dem Gründungskurator der Abteilung für Völkerkunde. Cullin erweiterte die afrikanische Kunstsammlung des Museums durch den Ankauf von Objekten europäischer Händler:innen, und laut der Website des Museums stellte er häufig ethnografische Objekte als Kunstobjekte aus. Das Brooklyn Museum bezeichnet sich selbst als eines der ersten Museen in den USA, das afrikanische Kunst sammelte und ausstellte, womit es bereits in den frühen 1900er Jahren begonnen hat. Das Met gründete 1969 seine Abteilung für die Künste Afrikas, Ozeaniens und Amerikas, als Nelson Rockefeller der Sammlung 500 Objekte aus dem subsaharischen Afrika spendete. Im Jahr 1982 eröffnete das Met den Michael C. Rockefeller Wing, um diese Schenkungen in einer Dauerausstellung zu zeigen. (Übrigens begann Vogel ihre Karriere an Rockefellers Museum of Primitive Art, das 1954 gegründet wurde und ein Vorläufer der Met-Schenkung war).

Wie die Beispiele des Brooklyn Museums und des Met zeigen, stammen viele Objekte, die den Grundstock der Abteilungen für afrikanische Kunst in den US-Museen bilden, aus privaten Schenkungen wohlhabender Mäzen:innen und nicht aus gezielten Ankäufen durch Kurator:innen, wie es bei heutigen Neuzugängen meist der Fall ist. Diese Spender:innen hatten keine akademische und/oder kuratorische Ausbildung in diesem Bereich der afrikanischen Kunst. Dennoch bestimmen die Objekte, die sie den Museen schenkten, bis heute, was erforscht und ausgestellt wird.

Mehr noch, populäre und wissenschaftliche Darstellungen afrikanischer Kunst in den USA schweigen sich über die Rolle afroamerikanischer Sammler:innen aus, deren eigene ästhetische Gewohnheiten und Aktivitäten die Grundlage für Museumssammlungen und kunsthistorische Abteilungen an schon immer von Schwarzen dominierten Colleges und Universitäten wie Hampton und Howard und dem Spelman College bildeten. Die Verankerung der afrikanischen Kunstgeschichte in US-amerikanischen Museen und Bildungseinrichtungen war eine verspätete Reaktion auf Diskurse, die seit langem in den intellektuellen und kulturellen Traditionen der Schwarzamerikaner:innen, der Karibik und des Black Atlantic geführt wurden.

In ihrem Artikel über afrikanische Kunst datiert Vogel dieses Feld in den USA auf die 1960er und 1970er Jahre, als die Fachbereiche für Kunstgeschichte und Anthropologie an den Universitäten begannen, Lehrkräfte einzustellen, die sich mit der Kunst Afrikas befassten. Zu dieser Zeit traten auch die ersten Kurator:innen hervor, die in afrikanischer Kunst promoviert hatten. Doch schon lange vorher, bereits vom späten 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, debattierten schwarze Dichter:innen, Schriftsteller:innen, Theoretiker:innen, Künstler:innen und Aktivist:innen wie W.E.B. DuBois, Suzanne Césaire, Alain Locke und James Porter, um nur einige zu nennen, über die Vorzüge der Schwarzen Identität in Bezug auf die afrikanische Kunst. Schwarze Künstler wie Augusta Savage, Meta Warrick Fuller und Richmond Barthé arbeiteten mit Metall und integrierten die vielfältige Ikonografie und Bildsprache des afrikanischen Kontinents in ihre Werke des frühen 20. Jahrhunderts. Wie ihre europäischen Kollegen Henri Matisse und Pablo Picasso ließen sie sich von Holzmasken und Skulpturen des afrikanischen Kontinents inspirieren.

Vogel nimmt für sich eine weite Perspektive in Anspruch, die die Geschichte der afrikanischen Kunst bis zurück in die 1960er Jahre verfolgt, ohne anzuerkennen, dass diese Genealogie mindestens doppelt so lang ist. Darüber hinaus umfasst die Geschichte der afrikanischen Kunst in US-amerikanischen Museen und in der breiteren Kulturlandschaft nicht nur die europäische Avantgarde und die Modernisten, sondern auch den Platz der afrikanischen Kunst innerhalb der philosophischen Traditionen und künstlerischen Bewegungen der Schwarzamerikaner:innen, der Karibik und des Black Atlantic. Für Vogel sind die einzigen Orte, die für die Ausstellung afrikanischer Kunst von Bedeutung sind, Institutionen wie das Met. Dabei übersieht sie, wie alternative kulturelle Institutionen innerhalb Schwarzer Gemeinschaften die Kunst Afrikas unterstützten und sich mit ihr auseinandersetzten, und tut diesen Aspekt letztlich ab. Hinzu kommt, dass die Diversifizierung der kuratorischen Führung in den Vereinigten Staaten neue Möglichkeiten für einen besseren, stärkeren und gleichberechtigteren kulturellen Austausch mit Museen und Kunstinstitutionen in Afrika bietet.

Die Ethnologie-Schublade

Vogel äußert sich besorgt über die “berühmte historische Bildhauereitradition” und deren Vernachlässigung zugunsten der weithin akzeptierten “zeitgenössischen afrikanischen Kunst und Kultur.“ Mit historischer Bildhauerei meint sie Kunstformen wie Skulpturen, Olifanten (mittelalterliche Jagdhörner) und Masken, die auf dem afrikanischen Kontinent größtenteils vor dem 20. Jahrhundert entstanden sind. Vogel befürwortet eine Praxis der Feldforschung, bei der Forschende in ländliche Gegenden reisen, um die Kunstproduktion zu beobachten und mit und unter den Kunstproduzent:innen zu leben, die untersucht werden. Vogel zufolge brachte diese Art der anthropologischen Feldforschung eine Kunstgeschichte hervor, “die auf der Beobachtung von Kunstwerken in situ und den persönlichen Beziehungen der Forscher:innen zu Kunstschaffenden und –nutzer:innen beruht.” Viele Wissenschaftler:innen, die diesen methodischen Ansatz verfolgten, waren weiß – ein Merkmal, das von Vogel nicht erwähnt wird.

Für Vogel steht die zeitgenössische Kunst also im Gegensatz zur traditionellen. Indem sie anthropologische Methoden lobt, behauptet sie außerdem, dass jemand, der x Jahre in einem ländlichen Teil des Kontinents verbringt, über mehr Fachwissen und Autorität verfügt als jemand, der auf dem Kontinent aufgewachsen ist und mit lebenden Künstler:innen arbeitet. Vogel argumentiert, dass den Kurator:innen, die in letzter Zeit für die Leitung afrikanischer Kunstabteilungen ausgewählt wurden, das besondere Fachwissen der “Feldforschungsgeneration” fehlt. Sie geht davon aus, dass bei ihrer Auswahl wenig Wert auf eine Ausbildung in traditioneller afrikanischer Kunst gelegt wurde, wie sie die “richtige” Ausbildung definiert, sondern auf “andere Fähigkeiten, insbesondere in der Kommunikation, und eine Vertrautheit mit der zeitgenössischen afrikanischen Kunstkultur.” Traditionell versus zeitgenössisch ist aus zwei Gründen eine falsche Dichotomie. Erstens geht sie davon aus, dass sich das Zeitgenössische nur auf das 20. Jahrhundert bezieht, insbesondere auf die Zeit nach 1950 (im Wesentlichen auf die gesamte Kunst nach der Unabhängigkeit des afrikanischen Kontinents von Europa), und auf das 21. Jahrhundert. Zweitens stützte sich die Feldforschungsgeneration auf lebende Künstler, um historische Werke zu studieren, und versäumt dabei anzuerkennen, dass diese in ihrer Zeit ja auch immer zeitgenössisch waren.

Es ist unklar, ob Vogel sich dessen bewusst ist, aber die Feldforschungsgeneration unter Kunsthistoriker:innen und Kurator:innen war fast ausschließlich weiß. In jüngerer Zeit haben die geisteswissenschaftlichen Disziplinen ihre Geschichte überdacht, und es ist unwahrscheinlich, dass Vogel diese Bewegung verpasst hat. Vieles an ihrer Kritik wirkt plump. Ihre Vision von afrikanischer Kunst konzentriert sich immer noch auf einen weißen Blick und verstärkt die Vorstellung, dass afrikanische Kunstschaffende den Wert ihrer historischen Kunsttraditionen für das westliche Publikum erst noch beweisen müssen. Produktiver wäre es, eine konzeptionelle und analytische Denkweise zu entwickeln, in der afrikanische Kunst ohne Rechtfertigung oder Entschuldigung entsteht. Die Verankerung in einer zeitgenössischen Kunstpraxis eröffnet wichtige Möglichkeiten für einen sinnvollen Austausch und eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Personen und Institutionen auf dem Kontinent und in der Diaspora.

Zu überholten Voraussetzungen für eine Kurationskarriere

Um von US-Museen oder in der Wissenschaft im Bereich der afrikanischen Kunst anerkannt und erfolgreich angestellt zu werden, war früher ein Abschluss von einer der Ivy-League-Universitäten wie Harvard, Princeton, Yale und der Columbia University Voraussetzung. Die Schwierigkeiten, die eine Kurations- und Museumskarriere im Bereich der afrikanischen Kunst mit sich bringt, sind also nicht nur finanzieller Natur, denn außerhalb dieser Universitäten gab es überhaupt nur wenige Studiengänge für afrikanische Kunst. Erst 2012 stellte beispielsweise das Williams College (meine Alma Mater), das für sein Kunstgeschichtsprogramm und die Ausbildung von Museumsdirektor:innen bekannt ist, in Vollzeit einen Experten für afrikanische Kunst ein. Heutzuztage scheint diese Ivy League-Laufbahn nicht mehr der einzige Weg zu sein, sehr zu Vogels Leidwesen, wie es scheint. Sie äußert ihre Befürchtungen und fällt ihr Urteil, ohne sich überhaupt eingehend mit den Arbeiten dieser “neuen” Generation von Kurator:innen zu befassen. Ihr vorschnelles Urteil macht jeden Nutzen einer Rückschau zunichte. Diese neu ausgewählten Kurator*innen sind noch nicht lange genug im Amt, damit man ihre Arbeit kritisch beurteilen kann. Ihre Institutionen haben sie mit langfristigen Neuausrichtungen ihrer Galerien für afrikanische Kunst und anspruchsvoller Provenienzforschung beauftragt. Bei Vogels Politik des Fachwissens geht es um Ressourcen und kulturelles Kapital. Auch wenn sie sich weigert, dies anzuerkennen, geht es dabei um Race, Gender und Marginalisierung – alles Bereiche, mit denen sich die kunsthistorische Disziplin und die Museumsberufe schwer getan haben.

Wenn Vogel schreibt, dass für Positionen in US-Museen „eher konventionelle Kandidaten übergangen” wurden, muss der informierte Leser, der die Geschichte des Fachs und der Disziplin kennt, annehmen, dass sie “weiß” meint. Andererseits hat man ohnehin den Eindruck, dass Vogel davon ausgeht, dass ihre Leser weiß sind und dass sie verstehen werden, dass sie weiß meint, und mit ihren Ansichten sympathisieren werden. Vogel nutzt ihr eigenes Fachwissen und ihre Erfahrung aus einem halben Jahrhundert, um offen darüber zu diskutieren, wer ihrer Meinung nach geeignet ist, afrikanische Kunst zu kuratieren. Noch besorgniserregender ist, African Arts Vogel eine Plattform bietet, um Kollegen, die im Rang niedriger stehen, zu verunglimpfen und niederzumachen. Vogels Äußerungen und die Veröffentlichung dieser Schrift durch African Arts veranschaulichen, was die Kulturtheoretikerin und Historikerin Saidiya Hartman als “die Verfahrensweisen der intellektuellen Disziplinen” bezeichnet, die im Spiel sind, und die damit verbundene Ausübung von Gewalt. In ihrem Essay “Venus in zwei Akten” versucht Hartman, etwas über Venus herauszufinden, das in den historischen Archiven nicht zu finden ist, und sie erklärt:

Die Romantik des Widerstands, die ich nicht zu erzählen vermochte, und das Ereignis der Liebe, das zu beschreiben ich mich weigerte, werfen wichtige Fragen darüber auf, was es bedeutet, historisch über Dinge nachzudenken, die in der Gegenwart noch umstritten sind, und über das Leben, das durch die Verfahrensweisen intellektueller Disziplinen ausgelöscht wird.

In Vogels “Dialog” werden die Stimmen Schwarzer Frauen aus den USA und vom afrikanischen Kontinent auf verhängnisvolle Weise abgewertet und unterdrückt. Es ist kein Wunder, dass so viele der Wissenschaftler:innen, die Vogel angreift, die traditionelle kunsthistorische Perspektive vermeiden.

Wer definiert, was „afrikanische Kunst“ ist?

Wir befinden uns in einer Zeit, in der ein westlich institutionalisiertes Konstrukt wie afrikanische Kunst seine Lesbarkeit, Relevanz und Bedeutung verliert. Künstler:innen, die im Bereich der afrikanischen Kunst lange Zeit gemieden und in den Bereich der “zeitgenössischen Kunst” verbannt wurden, haben diesen Moment bereits vorweggenommen, als sie sich in den 1980er und 1990er Jahren mit den Auswirkungen der Diskussionen über Multikulturalismus in Museen auseinandersetzen mussten. Viele dieser Künstler:innen machten sich das Konzept “post-black” als alternativen Raum für kreatives Denken und ästhetische Praxis zu eigen. Die schwarze Kuratorin und Museumsdirektorin Thelma Golden hat diese Idee im Rahmen ihrer Ausstellungspraxis im Studio Museum in Harlem entwickelt und vorangetrieben. “Post-black” ist ein Beispiel für eine alternative Tradition, die Vogel ins Visier nimmt, indem sie sich auf Politiken, die bestimmen, wer über Expertise verfügt, und wer nicht, beruft und dabei sowohl etablierte kuratorische Interventionen als auch wichtige wissenschaftliche Arbeiten verwirft. In ähnlicher Weise veranschaulichen die Schriften des verstorbenen Stuart Hall über zeitgenössische Kunst und Museen in Großbritannien, was bei Vogels Politik der Expertise auf dem Spiel steht. In seinem Essay “Museums of Modern Art” befasst sich Hall mit den Grenzen bestimmter Kunstkonzepte und der Neigung, bestimmte Terminologien mit der Vorsilbe “post” auszustatten:

Der Impuls, der einen bestimmten historischen oder ästhetischen Moment ausmacht, löst sich in der Form, in der wir ihn kennen, auf. Viele dieser Impulse werden auf einem neuen Terrain oder in einem neuen Kontext wieder aufgenommen, wobei einige der Grenzen verwischt werden, die unsere Beschäftigung mit einem früheren Moment relativ klar, gut abgegrenzt und leicht bewohnbar erscheinen ließen, und an ihrer Stelle neue Lücken, neue Zwischenräume entstehen.

Vogels Verständnis der Begriffe “afrikanische Kunst”, “traditionell”, “Experte” und “Feld” schließen Menschen und Meinungen aus, die nicht mit der traditionellen Geschichtswissenschaft übereinstimmen. Sie schränkt Definitionen von Schwarzsein und Afrikanischsein ein. So bergen Vogels Aussagen die Gefahr, dass sie in Bezug auf größere laufende Veränderungen, die außerhalb des Bereichs der afrikanischen Kunst stattfinden, irrelevant sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vogel für ein Feld plädiert, in dem ihr Fachwissen, ihre Stimme, ihre Laufbahn, ihr methodischer Ansatz und ihre Interpretationen von Bedeutung sind. Die jüngsten Personaleinstellungen durch Museen stellen Vogels Ansehen, ihre Weltsicht und ihre Fähigkeit, den Stellenwert afrikanischer Kunst in Museen und akademischen Einrichtungen zu bestimmen, in Frage. Eine solche Infragestellung und Kontrolle der Legitimität Schwarzer Wissenschaftler:innen und Kurator:innen in Museen und akademischen Einrichtungen ist nicht neu. Vielleicht sollten wir die afrikanische Kunst als Studienfach einfach auslaufen lassen. Die Kunst und die materielle Kultur des Kontinents sollten nicht in ein so spezifisches und einschränkendes Gefängnis verbannt werden. Die Herausforderung war und wird immer darin bestehen, nicht auf Vogels Köder hereinzufallen und feldbestimmende wissenschaftliche Traditionen fortzuführen und auszubauen. Goldens kuratorisches Konzept des “Post-Black” und Suzanne Césaires Schriften zum Surrealismus, die sich schon seit langer Zeit außerhalb des Forschungsfeldes der afrikanischen Kunst entfaltet haben, sind Beispiele dafür, wie dies erfolgreich gelingen kann.

Drew Thompson ist Schriftsteller und Bildhistoriker am Bard Graduate Center in New York City. Er ist außerdem mitwirkender Redakteur bei Africa Is a Country. Übersetzt aus dem Englischen von DeepL und Lukas Valtin.

Bild im Header: Nkululeko Mayiyane, Unsplash

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Verschiedenes

Wie ein Leipziger Afrikanist vier Schatzkisten entdeckte

Wie ein Leipziger Afrikanist vier Schatzkisten entdeckte
von Birgit Pfeiffer

Für Forschende, die vor allem Geschichts- und Kulturforschung betreiben, ist das, was Afrikanistik-Wissenschaftler Dr. Ari Awagana im heutigen Niger wiederfahren ist, ein Traum: Zufällig entdeckte er vier Kisten voller zeitgeschichtlicher Schriftenrollen, die für einige Völker in Zentralafrika von großer Wichtigkeit sind und viel über ihre eigene Geschichte, Sprache und Kultur aussagen. Der Raum, in dem die Kisten lagerten, war seit 1922 verschlossen. Für die Kulturgeschichte Zentralafrikas sind die entdeckten Dokumente eine Sensation. Und, auch das ist erwähnenswert, die Dokumente überstanden zum Großteil unbeschadet die Zeit des Kolonialismus. Nun wurde für diese Schriften vor Ort eine kleine Bibliothek errichtet – mit Hilfe der Universität Leipzig.

Verschollene Dokumente in Zinder (Niger) aufgetaucht: Dr. Elhadji Ari Awagana entdeckt vier Schatzkisten in einem seit 1922 verschlossenen Raum. Video: Dr. Elhadji Ari Awagana

Auf dem mit dem Handy gefilmten Video hört man das Staunen und die Spannung der Anwesenden, als in einem abgedunkelten Raum in einem Haus im Niger alte verstaubte Kisten vorsichtig geöffnet werden. Jahrhunderte alte Papiere kommen ans Licht. Es ist das Haus des obersten Richters Mahamadou Aboubacar Chetima in der Altstadt von Zinder im Niger, im Jahr 2018. Dr. Ari Awagana vom Institut für Afrikastudien an der Universität Leipzig wusste sofort, dass es sich um einen großen Fund handelte. Der Sprachwissenschaftler kommt ursprünglich selbst aus dem Niger. Seit 2000 lehrt er die in Westafrika verbreitete Verkehrssprache Hausa, spricht aber zudem unter anderem Kanuri, Zarma, Buduma und Fulfulde. Er erforscht historische Belege afrikanischer Schriftsprachen, die Aufschluss geben können über die Geschichte Zentralsudans.

Einblicke in den Alltag der Menschen vor 120 Jahren

„Es waren vier Kisten mit Koranmanuskripten, weiteren religiösen Texten, Akten, Klagen, Urteilen, Briefen sowie okkulten Texten“, erinnert er sich. „Der Staub war Zentimeter dick. Seit 1922 war der Raum nicht mehr geöffnet worden.“ Das war der Zeitpunkt, als der frühere Besitzer der Dokumente starb: Mamadou Chetima, der Großvater des Hausherrn. Er war ebenfalls oberster Richter gewesen, des Sultans von Damagaram, der von 1899 bis 1906 regierte.

„Die Aufgabe eines Richters war und ist es, Urteile nach dem islamischen Gesetz zu treffen, zum Beispiel in familiären Angelegenheiten, Erbschaftsfragen, Streitigkeiten zwischen Nachbarn und dergleichen“, erklärt Ari Awagana. „Dabei konnte und kann er themenspezifisch Berater zurate ziehen. Nur bei größeren Belangen ging man früher bis zum König, heute zu staatlichen Gerichten, beispielsweise wenn es um einen Mord geht.“ Die historischen Akten geben daher bedeutsame Einblicke in das Alltagsleben in der damaligen Gesellschaft.

Der Richter Chetima hatte nicht nur Papiere aus seiner eigenen Arbeit verwahrt, sondern hatte noch viel ältere Schriften besessen – für die Forschenden ein wahrer Schatz, der in den kommenden Jahren gesichtet, konserviert, digitalisiert und erforscht werden wird. Dies ist nicht nur für den Leipziger Wissenschaftler relevant, sondern auch für die Historikerin Camille Lefebvre vom Pariser Nationalzentrum für wissenschaftliche Forschung, die ebenfalls anwesend war, als die Kisten geöffnet wurden. Beide arbeiten im Projekt „Sprache als Archiv“, das von der Europäischen Union gefördert wird. Dieses widmet sich historischen schriftlichen Quellen im Zentralsudan. 

Vorkoloniale Geschichte der Region verstehen

„Anhand der Wasserzeichen auf einem der Papiere konnte ich sehen, dass dieses italienischer Herkunft war – etwa aus dem 16. oder 17. Jahrhundert“, so Awagana. „Dieser großartige Fund hilft uns, die vorkoloniale Geschichte der Region zu verstehen“, sagt er. „Er ist eine Art Zeitkapsel.“

Solche Zeitkapseln sind sehr selten, denn viele solcher Manuskripte wurden im Laufe der Jahrhunderte zerstört, geplündert oder außer Land gebracht: sei es durch islamische Kräfte, die Teile der afrikanischen Tradition von den noch prä-islamischen heidnischen Anteilen „säubern“ wollten – oder durch koloniale Plünderung, als Frankreich Kolonialmacht war. Diese Ära ging auch nicht am Haus des obersten Richters spurlos vorbei. „Chetima erzählte uns, dass sein Großvater im Jahr 1908 nach der Abschaffung des Sultanats durch Kolonial-Frankreich an die Elfenbeinküste deportiert wurde“, so Awagana. „Seine Dokumente nahm er mit ins Exil und brachte sie später wieder zurück mit nach Hause. Nur deshalb sind sie überhaupt noch vorhanden.“ Hierfür sind ihm die Forschenden heute dankbar. 

Koran Übersetzung zwischen den Zeilen

Die Schriften sind in Arabisch verfasst, in der Sprache Kanuri sowie dessen früherer Form Old Kanembu. Letztere gilt als untergegangen. Sie war die Gelehrtensprache des alten Königreichs Kanem-Bornu, das sich ab dem 9. Jahrhundert etwa 1.000 Jahre lang über große Gebiete Zentralafrikas erstreckte und in welcher sich Intellektuelle in Nordafrika, Arabien und Westafrika austauschten. Entsprechend wichtig sind entsprechende Funde für die Geschichtsschreibung der Region. Sie belegen auch, dass die Behauptung, afrikanische Sprachen seien hauptsächlich mündlich tradiert worden, nicht wahr ist. Eine entscheidende Textsorte, die sich auch im Hause Chetima fand, bilden sogenannte interlinearisierte Koranmanuskripte. „Das sind Koranmanuskripte, deren Haupttext auf Arabisch verfasst ist“, erläutert Dr. Awagana. „Zwischen den Zeilen haben afrikanische Gelehrte ihre Übersetzungen in Old Kanembu hineingeschrieben, die sie dann auswendig gelernt haben. Diese sehen zwar ebenfalls arabisch aus, funktionieren aber völlig anders. Sie sind etwa so unterschiedlich wie Kisuaheli und Deutsch. Man hat nur dasselbe Schriftsystem verwendet,“ so der Sprachwissenschaftler. Arabische Gelehrte nannten diese Sprachen bereits im Mittelalter „Ajami“ – „Fremde“, weil sie sie nicht verstanden. „Spätestens seit den Entdeckungen des Briten Adrian David Hugh Bivar in den 1950er Jahren können interlinearisierte Koranmanuskripte als früheste Beweise für eine Verwendung von indigenen Schriftsprachen in Subsahara-Afrika angesehen werden“, erläutert der Leipziger Linguist.

Durch die Forschung an solchen Manuskripten sind Ari Awagana und Camille Lefebvre auch überhaupt an den Fund in Zinder gekommen: „Wir suchten Kontakt zu Würdenträgern hier in der Region. Dabei war ich speziell auf der Suche nach solchen Manuskripten“, erläutert der Leipziger Wissenschaftler. Zunächst zeigte Richter Chetima ihnen einige Bücher des Großvaters. „Nachdem ich ihm erklärt hatte, dass es sich bei der Sprache um Old Kanembu handelte – der Sprache ihrer Vorfahren – eröffnete er uns, dass es diesen Raum gab. Er selbst wollte auch mehr über die Dokumente wissen und so kamen wir den nächsten Tag wieder und machten diese wunderbare Entdeckung.“

Kleine Bibliothek wird errichtet - mit Hilfe der Universität Leipzig

Für die Dokumente in Zinder war es höchste Zeit, wieder ans Tageslicht zu kommen. Dank des trockenen Klimas sind zwei Drittel der Schriftzeugnisse zwar noch gut erhalten; ein Drittel ist jedoch ernsthaft angegriffen von Termitenfraß, Rückständen nistender Enten und Schimmel. „Es war dringender Handlungsbedarf“, erkannte Awagana sofort. Der Inhalt der Kisten ist inzwischen gesichtet und sachgerecht untergebracht – in einer kleinen Bibliothek direkt am Fundort der Familie Chetima in Zinder. Das Dezernat für Forschungs- und Transferservice der Universität Leipzig stellte hierzu beim Arbeitsstab Kulturerhalt des Auswärtigen Amts einen Förderantrag, der rasch bewilligt wurde. Eigentlich sollte schon 2019 der Bau beginnen, aber wegen Corona verschob sich dies bis Ende 2021. Im März 2022 konnte die Bibliothek eingeweiht werden. Richter Mahamadou Aboubacar Chetima konnte dies indes leider nicht mehr erleben. Er war inzwischen gestorben.

Historisches Erbe vor Ort bewahren und für Zukunft erschließen

Das Archiv des Chetima wird nun übersetzt und wissenschaftlich erschlossen. „Ein weiteres Ziel ist es auch, jüngere islamische Gelehrte der Familie in den Techniken der Konservation und des modernen Archivwesens zu schulen, um das geschichtliche Erbe zu bewahren“, erläutert Dr. Ari Awagana. Ob dies einfacher sein wird als früher, kann man nur schlecht abschätzen.

„Derzeit erlebt der fundamentale Islamismus in der Region Aufwind. Das betrachten wir mit Sorge. Einige Gruppen, die die ‚reine Lehre‘ verfechten und auch mit Gewalt durchzusetzen versuchen, sind nicht weit weg. Aber es ist auch wichtig, unser Erbe zu erhalten.“

Dr. Ari Awagana hofft, dass sich auch in Zukunft Türen für ihn öffnen werden, die im Hinterhof ein unscheinbares Tor in die Vergangenheit Zentral-Afrikas bereithalten.

Birgit Pfeiffer ist freie Journalistin und Redakteurin in Leipzig. Ihre Webseite Textbüro Pfeiffer ist hier zu finden.

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Literatur Verschiedenes

Yewande Omotoso wird akono Autorin

Yewande Omotoso wird akono Autorin!

Der akono Verlag freut sich, Yewande Omotoso als Autorin zu begrüßen und die bevorstehende Übersetzung von "An Unusual Grief" und "Bom Boy" anzukündigen.

akono Verlegerin Jona Krützfeld freut sich riesig, Omotoso im Verlag willkommen heißen zu können: “Seit ich ihren ersten Roman Die Frau nebenan gelesen habe, bin ich ein Omotoso Fan. So glaubhafte, facettenreiche und schratige Charaktere zu zeichnen und so klug und humorvoll die Abgründe menschlicher Beziehungen zu erkunden, gelingt nur sehr begabten Schriftsteller*innen.” Auch Omotoso selbst ist “really happy to join the akono family.”

Im Herbst 2023 wird die Übersetzung von „An Unusual Grief“ erscheinen, einer mutigen und mitreißenden Geschichte über den unkonventionellen Umgang einer Frau mit dem Verlust ihrer depressiven Tochter durch Suizid. Mit präziser und wortreicher Prosa erkundet Yewande Omotoso die Beschaffenheit menschlicher Beziehungen und legt dabei Schicht um Schicht die Bruchstellen frei, die zur Entfremdung und Vereinsamung der Mitglieder einer Familie führen. Voll kluger psychologischer Beobachtungen, mit subtilem Humor und sprachlicher Leichtfüßigkeit schafft es Omotoso (wie schon in ihren vorherigen Romanen), facettenreiche, realistische und plastische Charaktere zu zeichnen, deren Fehlerhaftigkeit mit viel Empathie und schriftstellerischer Finesse begegnet wird.

Der Verlag hat die Rechte für alle noch nicht übersetzten Omotoso Werke erworben: 2024 wird der Debütroman Omotosos, Bom Boy, in deutscher Übersetzung erscheinen. Der Roman begleitet Leke, einen problembelasteten Jungen, der in einem Vorort von Kapstadt lebt. Er hat die seltsame Angewohnheit, Menschen zu verfolgen, kleine Gegenstände zu stehlen und auf der Suche nach Gesellschaft von Arzt zu Arzt zu gehen. Durch eine Reihe von Briefen, die ihm sein nigerianischer Vater, den er nie kennengelernt hat, geschrieben hat, erfährt Leke von einem Familienfluch. Bom Boy ist eine fein gesponnene und komplexe Erzählung, die mit einem sensiblen Verständnis für sowohl die Kleinheit als auch die Bedeutung eines einzelnen Lebens geschrieben wurde.

Yewande Omotoso wurde in Barbados geboren, wuchs in Nigeria auf und zog 1992 mit ihrer Familie nach Südafrika. Sie absolvierte eine Ausbildung als Architektin, bevor sie freiberufliche Schriftstellerin wurde. Sie lebt in Johannesburg. Ihr Debütroman Bom Boy kam auf die Shortlist für den südafrikanischen Sunday Times Fiction Prize 2012 und den Etisalat Prize for Literature 2013. Ihr zweiter Roman, The Woman Next Door (auf deutsch als Frau nebenan im Eichborn Verlag erschienen), kam auf die Shortlist für den Sunday Times Fiction Prize 2016, den Bailey’s Women’s Prize for Fiction 2017, den International Dublin Literary Award und den Hurston/Wright Legacy Award for Fiction.

Omtosos Werke erscheinen im Original bei Modjaji Books und Cassava Republic Press.

Die Werke werden vom Übersetzer Thomas Brückner ins Deutsche übersetzt. Seit 1994 ist er in Leipzig als freier Übersetzer tätig und übersetzte zahlreiche Romane afrikanischer Autoren, darunter die Werke von Abdulrazak Gurnah, Ngũgĩ wa Thiong’o, Ivan Vladislavić und Helon Habila.

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Literatur

Warsan Shires Gebet für die Unbetrauerten

Warsan Shires Gebet für die Unbetrauerten
von Farah Bakaari

Warsan Shires erster umfassender Gedichtband “Bless the Daughter Raised by a Voice in Her Head” ist eine Art Gebet für nicht betrauerte Verluste. Die Sammlung behandelt ein breites Spektrum an Themen, von Problemen der psychischen Gesundheit in Einwanderungsgemeinschaften über verpfuschte Sexualerziehung bis hin zu Frauenmorden. Er spiegelt die Umwelt der jungen Dichterin wider, die private Empörung und öffentliche Scham belauscht, die unangemeldet in Familiengeheimnisse und Träume von Einwanderer:innen eindringt, die in der falschen Sprache transportiert werden. Es ist, als ob die junge Dichterin in diesem Akt der unerlaubten Zeugenschaft auch ihre eigene Stimme entdeckt – die Dichterin ist nicht nur diejenige, die hinschaut, sondern diejenige, die benennt und anspricht, was zurückschaut.

Shire ist eine britisch-somalische Dichterin, die in Nairobi geboren und in London aufgewachsen ist. Sie ist die erste “Young Poet Laureate of London” und die jüngste Mitgliederin der Royal Society of Literature und wurde durch ihre Zusammenarbeit mit Beyoncé bekannt. Shire war jedoch eine der ersten Dichterinnen und Dichter, die in der “Pop-Poesie”- oder “Instagram-Poesie”-Szene berühmt wurden – entweder mit kurzen Videos von Originalgedichten, die von den Dichterinnen und Dichtern selbst vorgetragen wurden, oder mit Social-Media-Posts, in denen prägnante Verse zitiert wurden. Obwohl Shire selbst heute kaum noch online ist, bleibt die Begeisterung für ihre Online-Persönlichkeit ungebrochen. Das zeigt sich auch daran, dass die meisten Rezensionen ihres neuen Buches eher Profile über sie sind als kritische Auseinandersetzungen mit ihrem Werk. Shire veröffentlichte ihre Gedichte erstmals 2011 als Chapbook mit dem Titel „Teaching My Mother How To Give Birth.“ Mit diesem Band tritt Shires Lyrik in eine neue, erwachsenere Phase ein, in der sie mit längeren, formal einfallsreichen Gedichten experimentiert, die sich nicht so leicht in einer Instagram-Bildunterschrift oder einem Kühlschrankmagneten unterbringen lassen.

Ein Phänomen, mit dem sich diese Sammlung trotzig und wiederholt auseinandersetzt, oder besser gesagt, das sie segnet, ist die stille Einsamkeit, die das Leben der Einwanderer:innen plagt. Es ist die Einsamkeit derjenigen, die nie gelernt haben, eine Welt richtig hinter sich zu lassen. Eines meiner Lieblingsgedichte in der Sammlung trägt den etwas unbeholfenen Titel “My Loneliness is Killing Me” (Meine Einsamkeit bringt mich um), der die Einsamkeit einfängt, die in den melancholischen Erinnerungen eines älteren somalischen Mannes, der in London lebt, zum Ausdruck kommt. Die Sprecherin “beobachtet” ihren Onkel an einem verregneten Nachmittag, während er raucht, starken somalischen Tee trinkt und sich zu den Klängen von Hassan Aden Samatar an seine Kindheit an den Stränden und in den Straßen von Mogadischu erinnert. Er wartet auf ein Zeichen. Ich setze “beobachten” in Anführungszeichen, denn obwohl das Gedicht in der dritten Person erzählt wird, ist sich der Leser dennoch der Anwesenheit und des Blicks eines anderen bewusst; ein Gefühl der Einsamkeit drängt sich auf. In der letzten Strophe wird die abwesende Anwesenheit des Dichters explizit gemacht. Die Strophe beginnt mit der Zeile “cidlada ka aktaw, Abti”, die – in einer unglücklichen Tendenz des Textes – mit “be stronger than your loneliness, Uncle / sei stärker als deine Einsamkeit, Onkel übersetzt wird. Dies ist jedoch nur eine von zwei möglichen Übersetzungen, da das Wort im Somali mehrdeutig ist. Das Substantiv “abti” kann sowohl für die Nichte als auch für den Onkel verwendet werden, sodass die Zeile von beiden Parteien ausgesprochen werden könnte. Die erste Übersetzung (in der die Nichte ihren Onkel anweist, stärker zu sein als seine Einsamkeit) eignet sich daher für eine Lesart, in der die Dichterin von der Szene, deren Zeuge sie ist, abgestoßen wird. In der zweiten Übersetzung (in der sich der Onkel an die Nichte wendet) ist der Schrein des Onkels für die Geister vergangener Träume nicht unbedingt ein Ort der Klage, sondern eine Quelle der Zuflucht. Hier wird die Einsamkeit weder geleugnet noch medikamentös behandelt und hat daher das Potenzial, vorübergehend gelindert zu werden.

Bless the Daughter Raised by a Voice in Her Head

Im gesamten Band verfolgt die Einsamkeit die Menschen wie ein Gespenst; sie ist unausgesprochen, obwohl sie oft geteilt wird, sie ist intim, familiär, körperlich und klebt an der Haut wie Monsunmücken. Das Mädchenalter beispielsweise ist in erster Linie durch eine abgrundtiefe Einsamkeit gekennzeichnet, eine Einsamkeit, die gerade dadurch entsteht, dass das Wissen zu früh und die Sprache zu spät erlernt wird. Die Sammlung beginnt mit einem Gedicht mit dem Titel “Extreme Girlhood”, einer Art Ode an die lärmende Einsamkeit der Mädchenzeit, die ungehört bleibt. Mein Lieblingsgedicht zu diesem Thema ist jedoch “The Abubakr Girls Are Different,”, das von der stillen Gewalt erzählt, durch die sich die Mädchen als Mädchen begreifen, deren Anwesenheit immer umstritten und oft unerwünscht ist. In dem Gedicht beobachten sich die Mädchen gegenseitig und werden sich ihrer sich verändernden Körper und der Art und Weise bewusst, wie die Welt um sie herum diese Körper erhält und diszipliniert. Die letzten beiden Strophen bezeugen die Beschneidung der Mädchen und sind es wert, vollständig zitiert zu werden:

After the procedure, the girls learn how to walk again, mermaids
with new legs, soft knees buckling under
their raw, sinless bodies

We lie in bed besides each other, holding mirrors
to the mouths of our skirts,
comparing wounds.

Nach der Prozedur lernen die Mädchen das Laufen erneut, Meerjungfrauen

Mit neuen Beinen, weichen Knien, die unter ihren

rohen, sündfreien Körpern versagen

Wir liegen nebeneinander im Bett, halten Spiegel

An die Münder unserer Röcke

Wunden vergleichend

Diese außergewöhnlichen Zeilen inszenieren das, was Natalie Diaz in Anlehnung an Berger als das Präverbale bezeichnete, “as in the body when the body was more than body. Before it could name itself body and be limited, bordered by the space body indicated.”. Shires Verse fangen die Verwirrung von Körpern ein, die sich an der Grenze zwischen Erkenntnis und Wahrnehmung aufhalten.

Dennoch wird die Sprache in Shires Text nicht allgemein gepriesen, denn Sprache zu erlernen, bedeutet, Scham zu erlernen, was wiederum bedeutet, weniger zu wissen. Dies ist der Fall in “Bless Maymuun’s Mind”, wo einer Frau Antidepressiva verschrieben werden, während sie zwischen zwei Welten schwebt und keiner angehört. Wenn sie zu Hause anruft, erinnern sie sie daran, “how blessed she is, how proud they are, how all their hopes depend on her / wie gesegnet sie ist, wie stolz man ist, wie alle Hoffnungen auf ihr ruhen.” Und die Ärzte, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, über das Symptom hinaus zu forschen, erhöhen ihre Dosis. Die Sprache lässt sie wieder einmal im Stich, diesmal, weil sie ein wenig zu konkret benennt. Sie hört zu. “She imagines she will die here, alone, far from home / sie stellt sich vor, dass sie hier sterben muss, allein, fern von zuhaus.”

Shire ist am besten, wenn sie nicht zu viel erklärt, sondern sich zurückhält und darauf vertraut, dass ihre Leser:innen den Sprung in die Interpretation wagen. Ein brillantes Beispiel dafür ist “Bless This House”, ein düsteres, witziges Gedicht, das Aphorismen – “are you going to eat that?” und “oh, this old thing” – für eine wütende Meditation über die Allgegenwart von häuslicher Gewalt und Vergewaltigungskultur nutzt. In dem Gedicht wird das Patriarchat als eine Form des Todestriebs dargestellt, bei dem Männer Frauen Gewalt als eine Form der Selbstvernichtung zufügen. Das Gedicht endet mit: “At parties I point to my body and say/ Oh this old thing? This is where men come to die.” / auf Parties deute ich auf meinen Körper und sage / Oh, dieses alte Ding? Dort kommen Männer zum Sterben hin.

Aber manchmal gerät die Sammlung ins Stocken, wenn der Ton didaktischer und die Form weniger einfallsreich wird. So ist zum Beispiel eines von Shires meistverbreiteten Gedichten, “Home”, in diesem Band abgedruckt. Trotz seiner Popularität und der ungeheuren Leidenschaft, mit der es die erzwungene Migration und die tückische Reise zu einem Zufluchtsort thematisiert, mangelt es dem Gedicht an jeglicher substanziellen formalen Raffinesse. Es fällt nicht leicht, Gedichte wie “Home” oder “Hooyo Isn’t Home” angesichts der Schwere ihres Themas als unzulänglich zu empfinden. Doch anstatt die Wahrheit herauszudestillieren, hat die ungeheure Wörtlichkeit dieser empörten Verse den unerwünschten Effekt, dass die Augen des Lesers glänzen und er den Text nicht mehr wahrnimmt.

Shires Vorliebe für übermäßige Erklärungen lässt mich fragen, für welche Zielgruppe ihr Werk eigentlich gedacht ist. Der Band enthält eine ganze Menge Übersetzungen und Transliterationen. Nicht-englische Wörter und Phrasen werden im Gedicht fast immer übersetzt, und in den wenigen Fällen, in denen dies nicht der Fall ist, werden die Übersetzungen in einem Glossar am Ende des Bandes aufgeführt. Das Beharren auf der Übersetzung sowie die Tendenz, nicht-englische Ausdrücke kursiv zu setzen, um sie visuell als sprachliches “Anderes” zu kennzeichnen, könnte nicht nur ein Bewusstsein, sondern auch eine gewisse Kapitulation vor dem Blick einer weißen Leserschaft (und vielleicht vor den Forderungen eines weißen Verlages) signalisieren. Die Arbeit der sprachlichen Übersetzung ist nur ein Teil der kulturellen Übersetzung, die von minorisierten, rassifizierten Künstler:innen verlangt wird.

Doch wie können wir die Politik der Übersetzung neu bewerten, wenn die Künstlerin selbst einen Zwischenraum bewohnt, in dem die sprachliche und kulturelle Übersetzung für das tägliche Überleben obligatorisch ist? In Shires Text wird schwarzer Humor zu einer Möglichkeit, den Kampf um die Vereinbarkeit der unvereinbaren Anforderungen der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu mehr als einer Kultur zum Ausdruck zu bringen. Nehmen wir “Bless the Bulimic”, in dem die Sprecherin Gott um Vergebung für ihre Essstörung bittet: “forgive me please,/ famine back home.” Der absurde Humor, mit dem sie Parallelen zwischen ihrem Zwang, Nahrung gewaltsam aus ihrem Körper auszuscheiden, und der Hungersnot im Heimatland ihrer Vorfahren zieht, zeigt die Gefahren der Übersetzung. In ihrer Folge ist sie nicht in der Lage, Mitgefühl für sich selbst zu haben oder ihre Bulimie als legitime medizinische Störung anzuerkennen, eben weil sie das Inkommensurable zweideutig darstellt. Übersetzung ist also zugleich Symptom und Heilmittel für eine gewisse sprachlich vermittelte diasporische Schizophrenie.

In Interviews spricht Shire von der Vorherrschaft der Poesie in ihrer somalischen Gemeinschaft in London. Dieser Einfluss ist jedoch, zumindest auf der formalen Ebene, in ihrer eigenen Poesie kaum zu erkennen, die keine formalen Merkmale mit der somalischen Dichtungstradition teilt und deren strikte Einhaltung der metrischen Skandierung in scharfem Kontrast zu Shires Art, im Bewusstseinsstrom zu schreiben, steht. Stattdessen hat ihre freie Lyrik mehr mit dem Genre der Hees oder somalischen Balladen gemein, eine Affinität, die der Band selbst durch die Berufung auf große somalische Vokalisten wie Hasan Adan Samatar und Magool anstelle von beispielsweise Hadraawi oder Hassan Sheikh Mumin behauptet.

Unabhängig davon hat die Sammlung für Shire-Fans und Skeptiker etwas zu bieten. In ihren Versen steckt eine gewisse unerschrockene Wahrheit, die zwar nicht immer formal interessant, aber immer gewagt, ja sogar anklagend ist. “Bless the Daughter Raised by a Voice in Her Head” ist ein zärtliches Angebot für Bulimiker, Einsame, Heimwehkranke, Depressive, Verlassene, Außenseiter und Papierlose – ein kühner, doch unbeständiger Band von einer jungen, talentierten Dichterin.

Farah Bakaari ist Doktorandin an der Cornell University und forscht über afrikanische Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts, postkoloniale Studien und Traumatheorie. Sie ist in Somaliland geboren und aufgewachsen.

Bildrechte Foto im Header: ©Image credit Yves Salmon via Flickr CC BY-NC-ND 2.0.

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Literatur

Wenn nur die Wüste sprechen könnte

Wenn nur die Wüste sprechen könnte
Eine Rezension von Romeo Orioguns Lyrikband NOMAD. Von Samuel Osaze

Ich habe mich immer gefragt, was passiert, wenn die Natur eines Tages alle Geheimnisse enthüllen würde, die sie je anvertraut bekommen hat. Was würde nicht alles bekannt werden über die Unzulänglichkeit des Menschen?

NOMAD, geschrieben von Romeo Oriogun, ist reich an Personifikationen. Der Sahara-Wüste werden menschliche Qualitäten zugeschrieben, da sie sich der Aktivitäten innerhalb ihrer Grenzen bewusst zu sein scheint. Es heißt, die Wüste sei die wahre ‘Historikerin’ der Menschen. Dem stimme ich zu. Zumindest führt sie genaue Aufzeichnungen über diejenigen, die mit ihr in Berührung kommen. Der Wüstensand “birgt alles, was wir zum Sprechen brauchen”, heißt es in einem der Gedichte.

Es stimmt, wer sonst könnte so genau die Geschichten von Migrant:innen erzählen, die in der Hitze der Sahara Wüste alle Kraft verlieren, bevor sie in der brütenden Hitze den Staub küssen, außer die Sahara Wüste selbst? Das Mittelmeer kennt mit Sicherheit ebenso die Zahl derjenigen, deren Leben geopfert wurde, damit andere Migrant:innen in das Land ihrer Träume gelangen konnten. Diese Vermutung ist nicht abwegig!

Romeo Oriogun

Die Migration ist eines der großen Themen von Nomad, wie der Titel schon andeutet. Ein Nomade ist jemand, der ständig in Bewegung ist. Jemand, der ein Leben auf der Wanderschaft führt. Im Oxford-Wörterbuch (2022) heißt es: “Ein Nomade ist ein Angehöriger eines Volkes, der von Ort zu Ort reist, um frisches Weideland für seine Tiere zu finden und der keinen festen Wohnsitz hat.”

Im Laufe der Jahre sind Nigerianer:innen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen in anderen Ländern und sogar innerhalb unseres Mutterlandes, zu Landstreichern par excellence geworden. Deswegen sind sie anfällig für alle Formen von Ausbeutung, von Libyen (beliebt für Menschenhandelslager) bis zu Maghreb, der Heimat des Tuareg-Volkes, wo die letzte Etappe auf dem Weg nach Europa beginnt. Orioguns Reisegedichte sprechen jeden vertriebenen Nigerianer an. Unaufhörlich begeben sich junge Nigerianier:innen auf den Weg zum Beispiel von benin City nach Italien, wahrscheinlich auch, während du das hier liest.

Das Gedicht mit dem Titel “Someday the Desert will Sing” (91) legt die Gebeine der Geflohenen offen. Vor der Wüste seien Hirte und Herde gleich, sie sei Archivar der Völker von alters her, behauptet das Gedicht. Es wurde nach Tade Ipadeolas „Sahara Testament“ geschrieben, einer Gedichtsammlung, die 2013 mit dem nigerianischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, und die die die Unermesslichkeit und Weite der Sahara-Wüste als Metonymie erforscht. Die ersten paar Zeilen von “Someday the Desert will Sing” lauten:

On the day of equinox, the camels walk slowly,

neither responding to the voice of their herders

or to the dunes slowly shifting through an endless arena

of sand. In the Sahara where water is an old tale

 and the herders and the animals are one, united in life

as well as in an ongoing battle toward death,

there is a beginning in every grain of sand,

there is an origin in the night wind and the caves with their many moments of history

hold all that we need to speak from…

Ein anderes Gedicht in der Sammlung, “A Train Stop in the Sahara” (93), beschreibt einen staunenden Reisenden, der die Weite und Leere der Wüste bewundert.

Who would have thought that man’s hunger

 for movement would lead him here? Perhaps

the ancient ones knew, they saw the journey,

the endless desire for conquest; Alexander’s

sword coming down on history’s knot.

Die letzte Strophe des Gedichts bringt mehr Licht ins Dunkeln:

I, nomad, who walked through cities,

soundless like a bone thrown into a pit/

I have no language for belong…

Bei der Behandlung der Themen Migration und Wanderschaft malt Oriogun gekonnt pittoreske Szenen, wie verrückt sie auch sein mögen, von den harten Realitäten auf einer Reise in die westliche Welt. Auf dem Weg dorthin gibt es viele Hürden zu überwinden. Die Sahara Wüste und das Mittelmeer sind beide zur ewigen Ruhestätte für viele geworden. Die Wanderschaft ist nicht neu. Die Umstände von Romeo Orioguns Flucht aus Nigeria im Jahr 2016 waren sehr unerfreulich. Man könnte meinen, dass der Dichter alle Spuren davon hinter sich lassen will. Doch nach weniger als einem Jahrzehnt im Exil in einem anderen Land, scheint Oriogun immer noch von Nigeria besessen zu sein, oder von Afrika besser gesagt. Er bleibt ein afrikanischer Dichter und nutzt sein Werk, um den gesellschaftlichen Kontext, der ihn zur Ausreise bewegt hatte, zu beleuchten. Es handelt sich um die Art von Migrant:innenliteratur, die aus dem Exil heraus die gesellschaftlichen Entwicklungen des Heimatlandes kommentiert, damit daraus ein besseres Land werde. Diese Anliegen sind Themen in NOMAD, der jüngsten Sammlung des Dichters, welches auf der 3-man Shortlist mit dem Nigeria Prize for Literature 2022 ausgezeichnet wurde.

NOMAD

NOMAD ist ein Sammelsurium von Themen. Zum Teil ist es die Summe der Erfahrungen und Erinnerungen des Dichters und die Art und Weise, wie sich dieser soziale Hintergrund mit der neuen Welt vermischt. Von Wanderschaft, Tod, Desillusionierung von Jugendlichen, deren Heimat die größte Bedrohung für ihre Lebensziele ist, und schließlich von der Unvermeidlichkeit des Zusammenstoßes zweier Kulturen in der neuen Heimat.

„Migrant at the Sahara“ nimmt die Lesenden an den Anfang der Reise mit, zu den Vorbereitungen des schwierigen Weges. In diesem Fall gibt der Dichter, nachdem er vom Geruch des Todes in der Sahara und andere blutige Details auf dem Weg nach Europa erfährt, seinen Traum von der Durchquerung der furchtbaren Wüste und ihrer endlosen Dünen auf. Kurz davor allerdings macht das erste Gedicht ” The Beginning” (S. 1) deutlich, dass ein Mensch, wenn er vertrieben wird, die Last des Neuanfangs nicht alleine tragen muss.

Das Titelgedicht NOMAD (S. 99) scheint der Höhepunkt der transitorischen Phasen zu sein. Darin spricht ein “erfolgreicher” Migrant, der es sich irgendwo in Brooklyn gemütlich gemacht hat und über seine Vergangenheit nachdenkt. Die erste Strophe des Gedichtes ist der Erguss eines dankbaren Herzens. Sie lautet: In Brooklyn, we drink to a toast/ in Samar’s asylum, wondering how to quiet/the countries speaking in our mouths. Das endgültige Ziel ist erreicht. Das Asyl wird gewährt. Mit relativem Komfort können die Migranten nur lobend zurückblicken.

Der Dichter scheint eine gute Erinnerung an Benin City zu haben. In vielerlei Hinsicht ist das Lebensgefühl der Stadt in einer Handvoll Gedichte spürbar. Wo es um koloniale Invasion und den Identitätsdiebstahl geht, werden Relikte der Kolonialgeschichte in der alten Stadt hervorgeholt, um diese Botschaft zu vermitteln. Zum Beispiel spricht das Gedicht “Waiting for Rain” (Seite 23) von den gemeißelten Bildern der Edo-Krieger, die dem kolonialen Schießpulver erlagen, als 1897 die Schatzkammer der Stadt geplündert wurde.

Obwohl er in dem Gedicht, das den Edo-Märtyrern gewidmet ist, nicht ausdrücklich erwähnt wird, kommt einem der Name eines Kriegers, der unter den tapferen Frauen und Männern hervorsticht, sofort in den Sinn. Es ist Asoro n’Iyokuo – ein Soldat von außergewöhnlicher Größe und mit militärischem Einfallsreichtum, von dem gesagt wird, dass er eine Gruppe von Soldaten in einen Hinterhalt gegen die britischen Invasoren führte. Seine Statue, die auf dem Oba Ovonramwen Square in Benin City steht, zeigt, wie er zahlreiche Soldaten des Empire in die Flucht schlug, bevor er schließlich seinen Wunden erlag.

Orioguns Gedichte erinnern an Christopher Okigbo und Gabriel Okara, wenn es um den Kampf der Kulturen beziehungsweise die Verehrung der Wassergöttin des Reichtums und der Fruchtbarkeit (Olokun) geht. Was Oriogun jedoch vielleicht von diesen Vorfahren unterscheidet, ist der Mangel an Musikalität in seinem gut geschliffenen und schwer beladenen dichterischen Arsenal. Ich vermute, dass es das ist, was der Poesie beim Lesen und Rezitieren mehr Farbe verleiht.

Irgendwann im Laufe der Lektüre von NOMAD fühlte ich mich auch einmal verloren angesichts der eigentümlichen Banalität der Prosa, die mich belächelte. Dennoch, was Oriogun an rhythmischem Fluss fehlt, macht er durch seinen erfrischenden Stil reichlich wett: eine einfache, aber tiefgründige Diktion, umhüllt von reichhaltigen literarischen Mitteln. So widersprüchlich das erscheinen mag, so glaube ich doch, dass es genau das ist, was Orioguns Poesie zu der die Art von Anerkennung, die sie heute unter Kritiker:innen genießt, verleitet und warum er als neue “prägende Stimme der afrikanischen Poesie” bezeichnet wird.

Es ist nicht auszuschließen, dass der Dichter angesichts der Umstände seiner Flucht aus Nigeria aus einer persönlichen Erfahrung heraus geschrieben haben könnte. Nach einem äußerst barbarischen Akt – der Dichter hatte während eines offiziellen Dienstes in Akure beobachtet, wie ein Mob einen anderen Homosexuellen lynchte. Aus Angst, dass ihm ein solches Schicksal widerfahren könnte, brauchte Oriogun keinen Kristallgucker, um ihn zum Verlassen des Tatorts und der Stadt zu bewegen.

Heute schreibt er aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Trotzdem könnte dieser Bericht  aber genauso gut in der Phantasie oder durch gründliches Nachforschen zum Leben erweckt werden. Aus welchem Pool die Muse des Autors auch immer geschöpft hat, die Schilderungen sind lebendig gemalt. Dank des Engagements des Dichters für Figuren und einer gelungenen Sprache.

Samuel Osaze ist der Autor von „Der falsche Mond von Yenagoa“ (Gedichte). Übersetzt wurde es aus dem Englischen von Andrea Jeska.

Genre: Lyrik

Autor/in: Romeo Oriogun

Verlag: Griots Lounge Verlag Nigeria (2021)

Anzahl der Seiten: 116

Samuel Osaze ist der Autor von „Der falsche Mond von Yenagoa“ (Gedichte).

Das Kunstwerk : Asake

Asakes nachdrücklicher Aufstieg ist geprägt von seiner Mischung aus dem aus seiner Heimat stammenden Fuji-Genre und dem südafrikanischen Amapiano.

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Die Verdammten dieser Erde

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Verschiedenes

Phases and Faces

Phases and Faces
von Sabo Kpade

Die Künstlerin Adulphina Imuede im Gespräch mit Sabo Kpade.

Als ausgebildete Malerin ist Imuede eine vielseitige Künstlerin, die mit Öl, Aquarell- und Acrylfarben gleichermaßen gekonnt arbeitet. Zum einen glaubt sie an die erlösende Kraft der Kunst und beschreibt ihren Prozess als therapeutisch. Sie ist eine leidenschaftliche Zeichnerin, die es genießt, die Spannungen und Freuden verschiedenen Formen der Malerei zu erforschen.

Geboren wurde sie in Auchi, Nigeria. Ihre Familie zog während ihrer Kindheit nach Lagos, da ihr Vater in den nigerianischen Staatsdienst musste. Sie wuchs in einer disziplinierten Militärfamilie auf. Dort entwickelte sie ihr Interesse am Zeichnen, da sie schon in jungen Jahren ein Ventil für unausgesprochene Gefühle und Sehnsüchte brauchte.

Nach Abschluss ihres Studiums der Malerei an der Universität von Lagos im Jahr 2016 schloss sie sich der 2018er Kohorte der Plattform „For Creative Girls“ an und arbeitete unter der Mentorschaft von Data Oruwari. Unter dieser Zeit erforschte Imuede neue Medien, um ihre Praxis zu entwickeln, um über die Grenzen des verfügbaren Raums hinauszugehen und persönliche Themen in ihre Arbeit einzubinden.

Seitdem haben sich ihre Technik, ihr Selbstbewusstsein, ihre persönliche Stimme und die verschiedenen Ebenen ihrer Identität weiterentwickelt. Sie verwendet Tusche, Aquarell, Gouache, Buntstifte, Acrylfarben und Kreidepastellkreide auf Papier, sowie Acryl auf Leinwand. Adulphina bringt verborgene Elemente der afrikanischen Geschichte ans Licht und verdeutlicht ihr persönliches Lebensgefühl.

Warum der Titel „Phases and Faces“?

Der Titel verdeutlicht, dass das Leben in verschiedenen Phasen abläuft und dass jeder von uns auf seine eigene Weise auf die jeweilige Phase reagiert. Je älter man wird, desto mehr erkennt man, dass man sich gerade in einem Kapitel seines Lebens befindet und dass die Zukunft weitere Kapitel bereithält, wie groß oder klein das Buch auch sein mag. Man blättert Seite für Seite weiter, bis man für das nächste Kapitel bereit ist.

Handelt es sich bei deinen Figuren um übertriebene Selbstporträts, um übertriebene Versionen realer Menschen oder sind es imaginäre Gestalten? 

Manchmal sind es bestimmte Personen, manchmal sind sie selbstreflexiv. Um ehrlich zu sein, hängt es ganz davon ab, woran ich arbeite: ob es etwas Persönliches ist oder etwas, das ich als Figur oder Thema darstellen möchte. 

Die Figuren werden in der Regel mit dem Gesicht nach vorne aufgenommen. Ist das visuell interessanter als Seiten-, Rücken- oder Vogelperspektiven?

Ich zeichne gerne Gesichter und Porträts, daher sind die meisten meiner Arbeiten Porträts, die das Gesicht und die Gesichtszüge einfangen.

Eloise, 2022

In einigen Gemälden wie „Emotions Are Like Colour Threads“ (2022) und „Many Moons“ (2022) haben Sie Texte eingefügt. Was hat dich zu dieser Entscheidung inspiriert?

Ich habe dies bereits in einigen Aquarellen getan, aber bisher noch nicht in größeren Werken. Das Schreiben ist ein Teil meines kreativen Prozesses und etwas, das ich schon immer gern gemacht habe. Ich glaube, dass ich während der Entstehung dieses Werks viel geschrieben habe, weil ich morgens meistens Tagebuch geführt habe und mir an manchen Tagen ein paar Worte eingefallen sind, von denen ich sofort wusste, dass ich sie aufschreiben muss, um sie nicht zu vergessen.

Gibt es einen Wettbewerb zwischen den Bildern und Texten in Bezug darauf, was dem/der Betrachtenden zuerst ins Auge fallen sollte?

Kein Wettbewerb. Die Texte sind ein Teil meines kreativen Prozesses. Manchmal ist es das, was ich gefühlt habe, und das wollte ich in meiner Arbeit teilen, weil ich glaube, dass ich schließlich ein Medium bin.

Blue Flame, 2022

Erstreckt sich dein Interesse an Texten auch auf das Schreiben von Prosa oder Lyrik aus?

Es sind alles meine Originaltexte. Einige stammen aus meinem Tagebuch, andere habe ich auf meinen Skizzenblock gekritzelt, während ich Skizzen machte. Ich schreibe auch ein bisschen Poesie und Prosa. Zurzeit versuche ich, konsequent Tagebuch zu führen, weil es den Fluss meines Schreibens fördert. Es ist, als würde man einen Kanal freilegen.

Was sind die technischen Besonderheiten dieser Gemäldegruppe?

Die Arbeit mit einer Mischung aus verschiedenen Medien. Ich erinnere mich, dass ich bei etwa drei Bildern mit wasserlöslicher Ölfarbe angefangen habe. Ich liebe Ölfarben, aber ich bin nicht geduldig, wenn es um das Trocknen der Farbe geht. Also bin ich auf Acryl umgestiegen, und ich fand es toll, dass ich andere Medien wie Tinte, Pastell, Kohle, Glitzerstaub und Lack sofort mit meinem Acryl verwenden konnte. Im Gegensatz zu Öl musste ich nicht tagelang warten, bis es trocken war. Dabei wurde mir klar, wie sehr ich es genieße, Medien zu mischen und zu experimentieren.

Healing, 2022

Du verwendest achteckige Leinwände in Gemälden wie „Pages“ (2022), „Pages II“ (2022) und „Pages III“ (2022). Ist dies eine Reaktion auf die Zwänge einer traditionellen rechteckigen Leinwand?

Das ist nichts Bedeutendes. Ich fand es einfach lustig und interessant. Ich glaube nicht, dass eine rechteckige Leinwand an sich irgendwelche Zwänge mit sich bringt. Es kommt ganz auf den Künstler:in und das Projekt an, an dem er/sie arbeiten möchte.

Überschreitest du die Grenzen der anerkannten Tradition, wenn du mit Texten und Rahmenformen experimentierst?

Nein, es geht mir nur darum, Kunst zu schaffen und zu erforschen. Im Allgemeinen denke ich, dass es keine Regeln gibt, wenn es um Kreativität geht. Probiere alles aus, wenn du kannst und wenn du willst, nicht weil du musst. Das hängt ganz von dir, deinen Ideen und deinem kreativen Prozess ab.

Many Moons (Pages), 2022

Warum haben nicht mehr Künstlerinnen und Künstler radikale Präsentationsformen für ihre Werke erprobt, als dies auf einer rechteckigen Leinwand möglich ist?

Rechteckige Leinwände sind beliebter und in der Regel leichter zugänglich und einfacher herzustellen als andere Formen, und es ist einfach, eine Komposition in dieser Form entweder im Quer- oder im Hochformat zu erstellen

Du verwendest eine Vielzahl von Motiven, darunter geflügelte Insekten in „A Girl From Mali“ (2022), Geleefische in „Emotions Are Like Colour Threads“ (2022) und spindeldürre Blätter in „House Hunting“ (2022). Was ist die Motivation hinter diesen Ideen?

Es sind Design-Entscheidungen, die auf der Komposition meiner Arbeit basieren. Meine größte Inspiration wird immer die Natur sein, Tiere und Pflanzen. Das hat einfach etwas Friedliches an sich. Als Kind habe ich mit meinem Vater gerne Wildlife-Kanäle gesehen, und ich bin nach wie vor von der Natur fasziniert. Außerdem bin ich ein Befürworter des massenhaften Pflanzens von Bäumen und des verstärkten Gebrauchs von Papiertüten anstelle von Plastiktüten. Ich finde es wichtig, dass das jeder tun sollte.

A Girl From Mali, 2022
A Girl From Mali, 2022

Wolkenmotive spielen in mindestens drei Gemälden eine große Rolle: „Eloise“ (2022), „How to Hold the Sun“ (2022) und „I Close My Eyes to Dream“ (2022). Soll dies eine Art von Verträumtheit darstellen?

Sie suggerieren Ruhe, Gelassenheit und ja, ein träumerisches Gefühl. Als ob der Kopf in den Wolken schwebt.

Warum machst du Kunst?

Jeder Tag, an dem ich etwas schaffe und mit anderen teile, ist ein Triumph. Ich wache jeden Tag auf und weiß, dass ich das tue, was mir am meisten am Herzen liegt. Es muss das sein, wofür ich hier bin, denn es bringt mir so viel Frieden.

Welche Erwartungen hast du an „Phases and Faces“?

Ich bete, dass es denjenigen, die es betrachten, Frieden bringt, und ich hoffe, dass die Texte diejenigen, die ihnen begegnen, inspirieren und motivieren.

Sabo Kpade ist Associate Writer bei Spread The Word und Redakteur bei Okay Africa.

Das Kunstwerk : Asake

Asakes nachdrücklicher Aufstieg ist geprägt von seiner Mischung aus dem aus seiner Heimat stammenden Fuji-Genre und dem südafrikanischen Amapiano.

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Die Verdammten dieser Erde

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten.

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