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Musik

Amapiano Boom

Amapiano Boom
von Marcel Sturm

Was ist Amapiano?

Amapiano ist eine Stilrichtung der House-Musik und stammt aus Südafrika, genauer gesagt aus den prekären Stadtvierteln (Townships) in der Metropole und größten Stadt Johannesburg, auch „Joburg“ genannt. In Südafrika konnte sich anhand des chicagoer House, speziell dem „Deep House“ und des davon inspirierten afrikanischen Genres „Kwaito“, eine rege Dance-Szene entwickeln. Diese Dance-Szene und die Verhältnisse in den Townships boten einen Nährboden für die Entstehung des Amapiano Mitte der 2010er Jahre. Auf isiZulu, der meistverbreiteten Sprache in Südafrika, bedeutet Amapiano einfach „das Piano“.

Typisch für den leichtfüßigen und geradlinigen Amapiano-Sound ist die Log-Drum. Dabei wird für die Tracks in aller Regel ein Soundeffekt der Software Fruity Loops verwendet, der auf der traditionellen Schlitztrommel aus Westafrika beruht. Die Log-Drum fungiert in den Tracks als Bass-Sound, bedient tiefere Register in der Soundästhetik und spielt eigene Melodien. Zum im Vergleich zu anderen Dance-Genres langsameren Tempo, meist vorgegeben durch wilde, rhythmische Percussions oder auch Pfeifensounds, gesellen sich teils jazzige Synth- oder Klaviermelodien oder tragende Synthesizerflächen, die Mollakkorde spielen – ein ungewöhnlicher Kontrast zum sonst eher hektischen Überbau.

Politische und gesellschaftliche Komponente

Amapiano-Musik enthält oft politische und anti-rassistische Botschaften. Schon zu Zeiten der Apartheid war Dance-Musik zum Soundtrack und Symbol für Freiheit und Freiheitsbewegungen geworden. Amapiano bietet Künstler:innen Hoffnung, aus der eigenen Misere und der Armut zu entkommen. Ebenso hilft diese Musik jedoch auch den Hörer:innen, wenigstens kurzzeitig ihren Problemen zu entfliehen, zum Beispiel den oft schwierigen sozialen und politischen Realitäten in den Townships.

„Amapiano ist ein Lifestyle“ – diese von Amapaino-Künstler:innen und Szenemitgliedern häufig zitierte Phrase ist inzwischen schon beinahe zum Klischee verkommen, denn jeder möchte Amapiano machen und diesen Lifestyle leben, der so viel verspricht. So prägt Amapiano das Leben einer ganzen Generation – ihren Style, Musikgeschmack und ihren Tanz. Dabei möchte Amapiano als Bindeglied auftreten und forciert mit der Dance-Party als Treffpunkt Zusammenhalt, Inklusivität und natürlich Freiheit. Ballroompartys mit Amapiano-Künstler:innen bieten Zuflucht aufgrund einer starken Homophobie in der Bevölkerung in weiten Teilen Südafrikas, trotz einer liberalen Verfassung.

Der internationale Durchbruch

2019 gelang dem Genre dann der internationale Durchbruch. Amapiano-Tracks tauchten in den Sets bekannter DJs auf. Im ersten Corona-Jahr 2020 reichten ein paar virale Videos auf Tiktok, um den südafrikanischen Produzenten Master KG innerhalb weniger Wochen zum Superstar zu machen. Sein Song „Jerusalema“, der dem Amapiano-Genre ähnelt, verbreitete sich rasant. Folglich konnten sich weitere Amapiano-Tracks über Social-Media verbreiten, wie der weltweite Tik-Tok-Hit „Water“ von „Tyla“. Von ozeanischer Weichheit umspülte Vocal-Tracks stehen dabei neben rougheren MC-Auftritten, unter denen vor allem die sexpositive südafrikanische Sängerin Moonchild Sanelly hervorsticht.

Südafrika ist mittlerweile das Ursprungsland von Zehntausenden Dance-Musiker:innen, und Amapiano ist sowieso längst im Mainstream der südafrikanischen Musikszene angekommen. Dieser Entwicklung war besonders zuträglich, dass Amapiano der Soundtrack von Social-Media während des harten Corono-Lockdowns in Südafrika wurde, denn zu den verbreiteten Videos ließ sich auch wunderbar in den eigenen vier Wänden tanzen. Es entwickelte sich ein starker Wettbewerb um die Einnahmen mit der Musik. Diese Kommerzialisierung wiederum könnte in der Zukunft die dem Underground typischen Weiterentwicklungsprozesse hin zu einer musikalischen Vielfältigkeit und Eigenständigkeit hemmen. Tracks bekannter Amapiano-Künstler:innen wie MFR Souls, Major League DJz, DBN Gogo und Focalistic verzeichnen nun Streamingzahlen im Millionenbereich.

Peter Fox nutzte als erster deutscher Künstler den Amapiano-Sound in seinem Song „Zukunft Pink“. Dabei wurde jedoch kritisiert, dass die Herkunft des Sounds nicht genügend deklariert wurde, wodurch Debatten über kulturelle Aneignung versus kulturelle Wertschätzung entflammten. In Großbritannien ist das Genre aus Südafrika mittlerweile so populär, dass auch die öffentlich-rechtliche BBC jeden Samstag einen Amapiano-Mix sendet.

Résumé

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Amapiano unter anderem durch Social Media zum musikalischen Exportschlager in der ganzen Welt geworden ist. Amapiano ist dabei eine Musik und ein dazugehöriger Tanz, welche/r aus der Not entstanden ist – Hoffnung schenkt und Möglichkeiten bietet zu heilen und für existenziellen Ausdruck sowie Eskapismus. Letztlich bekommt dadurch die Welt, auch außerhalb von Südafrika, eine Möglichkeit einfach mal abzuschalten und eine gute Zeit zu haben.

Künstler:innen, die man unbedingt auschecken sollte

Moonchild Sanelly, Uncle Waffles, Tyla, Nkosazana Daughter, Kabza De Small, Tyler ICU, Focalistic, Kamo Mphela, Sam Deep, DBN Gogo, Felo Le Tee, MFR Souls, Major League DJz, und auch der nigerianische Sänger Asake bietet Amapiano-Einflüsse in seinen Songs.

Kabza De Small x Mthunzi – “Isimo”

Der „King of Amapiano“ Kabza De Small arbeitet mit dem Afropop/Soul-Sänger Mthunzi an ihrer neuen EP Isimo zusammen. Der einfallsreiche und wegweisende DJ erforscht hier andere Sounds wie Afro-Tech und 3Step und verschmilzt sie zu seinem weltberühmten Produktionsstil. Das gefühlvolle Projekt ist eine tiefe Erkundung von Spiritualität und Liebe.

Kamo Mphela, Khalil Harrison & Tyler ICU – „Dalie“ (feat. Baby S.O.N)

Die außergewöhnliche Tänzerin Kamo Mphela hat endlich ihren lang erwarteten viralen Track „Dalie“ veröffentlicht, auf dem Khalil Harrison, Tyler ICU und Baby S.O.N. zu hören sind. Der spitzenmäßige Song, der mit einer Tanz-Herausforderung einherkam, erreichte innerhalb weniger Tage nach der Veröffentlichung die Spitze der Charts und hat inzwischen über 10 Millionen Aufrufe gesammelt.

Asake & Olamide – „Amapiano“

Asake schrieb mit dem nigerianischen Künstler und Rapper Olamide sogar einen Song extra über das Genre Amapiano. Dabei ist „Amapiano“ die 3. Single aus Asakes Album „Work of Art“, welches akono bereits im Magazin vorgestellt hat.

Marcel Sturm (29) ist Studierender der Populären Musiken und Medien im 6. Semester und bei akono seit Herbst 2023 als Praktikant im Magazin tätig.

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Die Verdammten dieser Erde

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten.

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Musik

Spotify in Afrika: Teil 2

Spotify in Afrika: Teil 2
von Marcel Sturm

Herausforderungen von Spotify und Co. in Afrika

Der Musik-Streaming-Markt ist zunächst einmal eng mit der Vernetzung und der Akzeptanz von elektronischen Geräten verbunden. Diese externen Faktoren haben einen großen Einfluss auf die Akzeptanz von Streaming-Diensten und bleiben die größte Herausforderung im Falle Afrikas. Auch wenn die Einnahmen in den kommenden Jahren voraussichtlich deutlich steigen werden, gibt es noch eine Begrenzung für das Wachstum des Musik-Streamings, denn dieses kann sich nur so schnell entwickeln, wie es die Infrastruktur ermöglicht. Da Internet- und Smartphoneverfügbarkeit niedriger sind, wird erwartet, dass die Durchdringung von Streaming-Diensten in der Bevölkerung im Vergleich zu anderen Märkten zumindest für eine Weile ebenso niedriger bleiben wird.

Auch die geringe Zahlungskraft vieler Menschen und fehlende Bankkonten stellen Hürden für die Verbreitung dar. Eine weitere Herausforderung sind die Zahlungsbedingungen in vielen afrikanischen Ländern, denn der Devisenumlauf ist oft sehr begrenzt, und die Mehrheit der potenziellen Nutzer:innen nutzt für ihre Zahlungen Smartphones statt Banktransfers. In Ländern mit hohen Bankzinsen ist es beinahe unmöglich, online einzukaufen. Die einzigen Staaten, deren Zentralbanken Online-Transaktionen zulassen, sind Südafrika, Ruanda, Marokko, Ägypten, Senegal und Nigeria. Für andere afrikanische Länder ist die Einrichtung eines Fremdwährungskontos äußerst kompliziert, wenn nicht sogar unmöglich – eine Herausforderung für Spotify und andere expandierende Anbieter.

In Afrika hat sich Streaming also bisher noch nicht endgültig durchgesetzt, und dies jedoch auch, weil die Musikindustrie insgesamt einen schweren Stand hat. Südafrika ist mit seiner hoch entwickelten Musikindustrie eine Ausnahme auf dem Kontinent. „Es gibt in den meisten Ländern Afrikas eine lebendige Musikszene“, sagt David Price vom Weltverband der Musikindustrie (IFPI) im DW-Interview, „aber die Umsätze in diesen Ländern sind recht gering“. Denn wenn in Afrika für Musik bezahlt wird, geht das Geld oft an Raubkopierer:innen und nicht an die Labels bzw. Produzent:innen. Angesichts der Umsetzung und Lage des Urheberrechts setzen viele Musiker:innen für ihren Lebensunterhalt vor allem auf Konzerte. Was natürlich seinen Charme, aber auch seine Schattenseiten hat; wie die Abhängigkeit von Auftritten für die Einnahmen der Künstler:innen.

Die größte Herausforderung des Geschäfts in Afrika seien die hohen Kosten für Datenvolumen, sagt Gillian Ezra im DW-Interview. Sie ist Afrika-Chefin des französischen Anbieters „Deezer“, der in fast allen Ländern des Kontinents verfügbar ist. Nach Angaben der Organisation „Alliance for Affordable Internet“ kostet ein Gigabyte Datenvolumen einen Südafrikaner 2,35 %, eine Kenianerin 4,33 %, und einen Ivorer sogar 6,36 % des Monatseinkommens. Ein möglicher Weg, um den hohen Datenkosten zu begegnen, ist die Kooperation der Streaming-Dienste mit Mobilfunkunternehmen. Denn diese haben die Möglichkeit, kostenlose oder vergünstigte Datenpakete für die Nutzung eines Musik-Streaming-Dienstes anzubieten. „Solche Datenbrücken können tatsächlich der Schlüssel dazu sein, die Streaming-Dienste in Afrika zu etablieren“, sagt Musikindustrie-Experte Price. Doch manche Mobilfunkbetreiber setzen lieber auf eigene Produkte.
Für Afrika haben die „westlichen“ Musik-Streaming-Dienste ihr Angebot angepasst. Ein Monat werbefreies Musik-Streaming kostet bei Spotify, Apple oder Deezer umgerechnet etwa 3,65 Euro, also weniger als die Hälfte dessen, was Nutzer:innen in Europa oder Amerika zahlen. Für Kunden ohne Bankkonto gibt es im Supermarkt Prepaid-Karten. Die Dienste gehen also auf die afrikanische Bevölkerung ein. Jedoch stellt sich die Frage, ob diese Bemühungen tatsächlich ausreichen; besonders unter dem Aspekt günstigerer afrikanisch-orientierter Musikstreaming-Anbieter.

Tatsächlich hat das Streaming-Geschäft im Allgemeinen, also auch weltweit, einen großen Haken. Bisher erwirtschaften die Großen der Branche nämlich keine Gewinne. Umso riskanter erscheint die Wette darauf, dass das Musikgeschäft in Afrika mit der neuen Technologie aufblüht. Für die Streamingdienste und Musikindustrie gilt es dennoch, den afrikanischen Markt für sich zu gewinnen. Die große Bevölkerung und das starke Wachstumspotenzial sorgen dafür, dass verschiedene Musikplattformen sie für ihre Ausweitung auf den vielfältigen Kontinent nutzen möchten. Insgesamt ist die Besonderheit des afrikanischen Musik-Streaming-Marktes so groß, dass die Akteure ein erhöhtes Maß an Anpassungsfähigkeit an den Tag legen müssen. Afrika kann sicherlich ein Wachstumsmotor für Musik-Streaming-Plattformen sein, die nun herausfinden müssen, wie man diesen anheizt.

Marcel Sturm (29) ist Studierender der Populären Musiken und Medien im 5. Semester und bei akono im Herbst 2023 und Winter 2023/24 als Praktikant im Magazin tätig.

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Die Verdammten dieser Erde

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten.

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Musik

Spotify in Afrika: Teil 1

Spotify in Afrika: Teil 1
von Marcel Sturm

Spotifys Expansion in Afrika

Mit 551 Millionen Nutzer:innen ist das schwedische Unternehmen Spotify heute der größte Anbieter auf dem Musikstreaming-Markt. Die Gründung von Spotify im Jahr 2006 war eine Antwort darauf, dass illegale Downloads und Piraterie die Musikindustrie zunehmend unter Druck setzten. Die Idee der Spotify-Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon war es, einen Streamingdienst zu entwickeln, der alle Interpret:innen auf einer Plattform vereint und die Künstler:innen an den Einnahmen beteiligt. Nach der Entwicklung einer Software und vielen Vertragsabschlüssen mit großen Musiklabels ging Spotify schließlich im Oktober 2008 in Schweden, Finnland, Frankreich, Norwegen und Spanien offiziell an den Start. Deutschland folgte dann 2012 und Afrika erst viel später.

Anders als die Konkurrenten Apple oder Amazon ist Spotify auf den Erfolg seines Streaming-Geschäfts angewiesen, da dies die einzige Einnahmequelle für das Unternehmen ist. Etwa 70 % der Einnahmen aus dem Musikgeschäft fließen, wie auch bei der Konkurrenz, direkt in die Musikindustrie. Deswegen versucht Spotify weiterhin, sein Geschäft mit neuen Einnahmequellen auszubauen. Das Problem des Streaming-Dienstes bleibt, trotz seiner Popularität und weltweiten Verbreitung, seine weiterhin schwierige finanzielle Lage. Seit langem kämpft das Unternehmen darum, dauerhaft profitabel zu wirtschaften. Vor diesem Hintergrund erhöhte Spotify die Abo-Preise in Europa und folgte den Preiserhöhungen anderer Dienste. In Deutschland kostet das Einzel-Premiumabo daher mittlerweile 10,99 Euro statt lange Zeit 9,99 Euro. Bestandskund:innen sind von den Änderungen noch nicht betroffen. Allerdings hat ihnen Spotify eine Frist bis zum 31. Dezember 2023 gesetzt. Wer den neuen Preisen bis dahin nicht zustimmt, riskiert sein Premium-Abo zu verlieren.

Afrika ist für Spotify ein vielversprechender Markt und hoffnungsvolles Investmentziel, um seine Gewinne zu steigern. Spotify hat auf dem afrikanischen Kontinent Anerkennung für seine breite Nutzung im Ausland erlangt, aber bisher trotzdessen recht wenig zahlende Nutzer:innen hinter sich versammelt. Viele bevorzugen den illegalen Musikdownload, die kostenlose Version von „Youtube Music“ oder andere, in Afrika etabliertere, Streaming-Anbieter. Nach eigenen Angaben hatte Spotify 2018 180 Millionen Nutzer:innen weltweit, darunter 83 Millionen zahlende Kund:innen. Diese Zahl ist laut Statista im 2. Quartal 2023 auf inzwischen 220 Millionen zahlende Nutzer:innen angestiegen.

Im Jahr 2018 startete Spotify in Südafrika und zog damit Apple nach. Tatsächlich nimmt Afrikas Musikindustrie seitdem an Fahrt auf. In Südafrika soll das Streaming laut PwC im Jahr 2022 rund 50,8 Mio. US-Dollar eingebracht haben, mehr als das Dreifache dessen, was 2017 erwirtschaftet wurde. Afrikas Musikstreaming-Markt ist somit sicherlich in Südafrika zentriert. 40 % der Einnahmen und fast 11 % der „Monthly Active Users“ (MAUs) sind auf Südafrika zurückzuführen. Zusammen mit Ägypten, Nigeria, Marokko und Algerien erreicht das Land einen Marktanteil der Einnahmen von 86 % auf dem gesamten Kontinent. Für Februar 2021 peilte das Unternehmen schließlich eine große Expansion in 39 weitere Länder auf dem Kontinent an; davor war Spotify schon mit über 70 Millionen Songs und 2,6 Millionen Podcasts in Algerien, Ägypten, Marokko, Südafrika und Tunesien verfügbar. Nun kamen unter anderem Musikzentren wie Ghana, Nigeria, Uganda, Senegal und Sierra Leone hinzu. Diese Expansion markiert einen großen Schritt für das Streaming-Unternehmen, dem Expert:innen immense wirtschaftliche Vorteile vorausgesagt haben, obwohl bestehende Streaming-Plattformen wie „Apple Music“, und afrika-fokussierte Anbieter wie „Audiomack“, „Mdundo“ aus Kenia und „Boomplay“ aus Nigeria Konkurrenz darstellen und günstiger sind, jedoch teils deutlich weniger Musikauswahl bieten.

Spotify startete schließlich die geplante Expansion in 38 weitere afrikanische Länder. Es gab exzellente Kampagnen-Rollouts mit Künstlern aus dem ganzen Kontinent und jede Menge Aufregung in den sozialen Medien. Vor allem aber war da die Einsicht, dass ein neues Kapitel für Afrikas Musik-Ökosystem aufgeschlagen wurde.

Während YouTube für seinen Premium-Dienst nicht über einen globalen Zugang zum afrikanischen Markt verhandeln kann, verhandelte Spotify mit jedem Staat. Denn Online-Transaktionen und Transaktionen mit Fremdwährungen sind oft sehr kompliziert oder gar nicht möglich gewesen. Deshalb habe das Unternehmen „alternative Zahlungsmethoden“ gefunden. Das Geldtransfersystem von Vodafone „M-Pesa“ ermöglicht es nun Spotify, seine Dienste auf dem afrikanischen Kontinent zu verkaufen. Tatsächlich wird M-Pesa im Gegensatz zu seinen anderen Kund:innen, wie Banken, Handelsunternehmen und internationale ICT-Player, keine Provision für Spotify-Käufe verlangen.

Wie bereits erwähnt, gibt es einige bestehende Plattformen, die den Eintritt von Spotify in weitere afrikanische Märkte erschweren. Ebenso gibt es viele zahlungstechnische und infrastrukturelle Schwierigkeiten, die es zu überwinden gilt. Auf der Seite der Künstler:innen bleibt es auch abzuwarten, wie kleinere oder unabhängige afrikanische Künstler:innen auf die relativ geringen Streaming-Einnahmen reagieren werden, die durch das Abspielen von Songs auf Spotify erzielt werden. Laut Business Insider zahlt Spotify in der Regel zwischen 0,003 und 0,005 US-Dollar pro Stream, was bedeutet, dass man etwa 250 Streams benötigt, um einen Dollar zu verdienen. Eine faire Bezahlung ist dies sicherlich nicht – vor allem für kleinere Künstler:innen mit weniger Aufrufen. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich der Musikstreaming-Markt in Afrika weiterhin und zukünftig entwickelt und wie groß die Rolle und Einflussnahme von Spotify dabei sein können.

Marcel Sturm (29) ist Studierender der Populären Musiken und Medien im 5. Semester und bei akono im Herbst 2023 und Winter 2023/24 als Praktikant im Magazin tätig.

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Die Verdammten dieser Erde

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten.

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akonos Herbstvorschau 2023

akonos Herbstprogramm 2023

We proudly present unsere Herbstvorschau 2023 mit sechs vielseitigen Titeln! Yewande Omotoso erzählt in Mojisola weint nicht eine tiefgründige und mitreißende Familiengeschichte, Tierno Monénembo kehrt in seinem mit dem Renaudot-Preis ausgezeichneten Werk Der König von Kahel den Blick der kolonialen Reiseliteratur um, Kopano Maroga dichtet zärtlich-subversiv in Die Jesusthese über religiöse Mythen und Anselme Nindorera berichtet erfindungsreich in Was war da in Burundi los? vom letzten Herrscher des Königreiches Burundi.
Auch ein empowernder Titel des Kreativkollektivs Look at Us hat sein Zuhause bei akono gefunden, sowie ein berührender Briefwechsel zwischen der eritreischen Schriftstellerin Yirgalem Fisseha Mebrahtu und der deutschen Schriftstellerin Tanja Kinkel: Freiheit in Briefen.

Wir danken allen Autor:innen, Übersetzer:innen, Gestalter:innen und Unterstützer:innen und freuen uns auf das dritte Verlagsjahr!

 

Laden Sie hier das Programm herunter ⇲ oder klicken Sie auf eine:n Autor:in

akono ist ein Indieverlag aus Leipzig, der afrikanische Literaturen auf deutsch veröffentlicht. Lyrik, Romane, Kurzgeschichten, aber auch Sachbücher von afrikanischen Autor:innen oder deutsch-afrikanische Kollaborationen werden seit 2021 bei akono verlegt.
Wir sind der Meinung, dass Dekolonisierung uns alle betrifft, und dass Literatur dafür eine Vielfalt von Realitäten vermitteln und Verständnis erzeugen kann.
Da afrikanische Geschichte und Kulturen von Europa lange Zeit fremdbestimmt und fehlinterpretiert wurden, verlegen wir gerne historische Fiktion und halten mit großartigen Texten unterschiedlicher Genres aus einigen der 54 Staaten dagegen. In unserem Onlinemagazin berichten wir über die Arbeit von afrikanischen Kreativen in den Bereichen Literatur, Fotografie, Film, Musik, bildender Kunst und Mode. akono versteht sich als Gastgeber für afrikanische Kreative in Deutschland, als Netzwerk und Anlaufstelle.

Für unsere Arbeit wurden wir 2022 mit dem Sächsischen Verlagspreis ausgezeichnet.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Literatur

Die Verdammten dieser Erde

Die Verdammten dieser Erde
von Thomas Hummitzsch

Die in Kamerun geborene und in den USA lebende Schriftstellerin Imbolo Mbue lässt in ihrem zweiten Roman ein Dorf in Kamerun von seinem Kampf gegen Ausbeutung und Verrat berichten. »Wie schön wir waren« erzählt von den täglichen Verbrechen, die Konzerne in den Entwicklungsländern im Namen des Kapitalismus begehen.

»Wir hätten wissen müssen, dass das Ende nahte«, räumen die Stimmen von Kosawa gleich zu Beginn ein. Waren sie zu naiv, dass sie das Unvermeidliche nicht haben kommen sehen? Oder zu gutgläubig jenen gegenüber, die behaupteten, dass sich die Geschichte noch auf ihre Seite schlagen würde? Es sind diese Fragen, die in den Vordergrund dieser sich über Jahrzehnte erstreckenden Geschichte drängen.

»Wie schön wir waren« handelt von den verschiedenen Phasen des Widerstands der wortwörtlich aussterbenden Gemeinschaft von Kosawa, deren Lebensgrundlagen von dem amerikanischen Ölkonzern Pexton zerstört werden. Entweichendes Öl zerstört das Ackerland, die Chemikalien der Förderung vergiften das Trinkwasser und der große Fluss fließt unter einer dicken grünen Schicht gefährlichen Mülls dahin.

 

intellectures

Dieser Artikel erschien im Original bei intellectures.

Ausgerechnet der als Dorftrottel verschrieene Konga ist es, der zu Beginn des Romans die Ausweglosigkeit der Situation und die Ausbeutung seiner Gemeinschaft erkennt. Bei einer Versammlung, bei der Pexton-Vertreter den Dorfbewohnern erklären wollen, warum das skrupellose Agieren des Konzerns ein Segen sei, erhebt er seine Stimme. Seine Rebellion steht am Beginn des Aufstands.

Ein Aufstand, der von jenem kollektiven Wir getragen wird, das gleich zu Beginn einräumt, sich getäuscht zu haben. Es sind die Kinder und Kindeskinder dieser Gemeinschaft, die im Kampf gegen Zerstörung und Korruption offenbar ebenso gescheitert sind wie ihre Vorfahren. Die gesellschaftspolitischen Umstände und die Verhältnisse des Raubtierkapitalismus haben ihren Kampf aussichtslos gemacht.

Imbolo Mbue: Das geträumte Land. Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2018. 432 Seiten. 22,- Euro.

»Wir hassten es, wie sie jedes Mal, wenn das Öl aus einer der Pipelines auf unseren Acker lief, Tage für die Reparatur brauchten und unsern Eltern anschließend erzählten, sie müssten nur die oberste Erdschicht abtragen und wegwerfen, um ihr Ackerland zurückzugewinnen. Wenn unsere Eltern zu erklären versuchten, dass das nicht funktioniere, das Gift tief eindringe, das Öl sich über große Flächen ausbreite und es wahrscheinlich am besten sei, wenn Pexton sich bessere Pipelines zulege, kicherten sie und fragten, ob wir etwa glaubten, Pexton werde zusammenpacken und gehen, nur weil wir ein Problem mit ihnen hätten.«

Imbolo Mbue gehört zu jenen Autoren, die die britisch-nigerianische Autorin Taiye Selasi als »Afropolitan« beschreibt. Gemeint ist eine neue Generation von Weltbürger:innen mit afrikanischen Wurzeln wie Chimamanda Ngozi Adichie, Nana Oforiatta Ayim, Teju Cole, Yaa Gyasi, Maaza Mengiste oder Chigozi Obioma. Ihre gesellschaftspolitischen Romane reflektieren dezidiert afrikanische Themen. Mbue kombiniert diese mit Fragen der Globalisierung. In ihrem sprachlich und erzählerisch glänzenden Debüt »Das geträumte Land« geht es um eine Familie aus Kamerun, die unter die Räder der Lehman-Pleite gerät.

Der neue Roman der 1982 in Limbe geborenen und in New York lebenden Autorin behandelt Fragen von Umweltzerstörung, Ausbeutung, Korruption und Trauma. Weil Mbue weiß, dass kollektive Klagen über politische Skandale in Entwicklungsländern schnell verhallen, hat sie 15 Jahre daran gefeilt, um von den tragischen Einzelschicksalen und dem kollektivem Trauma einer solchen Erfahrung Zeugnis abzulegen.

Aus der Gemeinschaft greift sie eine Handvoll Figuren heraus, über deren persönliche Perspektiven und Schicksale sie die Erfahrung der skrupellosen Ausbeutung, falschen Versprechungen und vergeblichen Hoffnungen nachhaltig erfahrbar macht. Daneben stellt sie jenen Chor der Generationen, der kollektiv die Folgen der Ausbeutung durch den Ölkonzern bezeugt.

Imbolo Mbue | © Kiriko Sano

Der fossile amerikanische Konzern hat aber auch seine Unterstützer:innen, auf die er sich verlassen kann. Etwa den Dorfältesten Woja Beki, der den Pexton-Vertreter:innen regelmäßig das Podium bei den Dorfversammlungen überlässt. Zugleich schickt er zu diesen Versammlungen auch immer nur irgendwelche Repräsentant:innen, die nichts zu sagen oder zu entscheiden haben. Eine amerikanische Umweltorganisation taucht auf, die erklärt, sich für die Interessen des Dorfes einsetzen zu wollen. Doch auch die gerät schnell in den Verdacht, nur ein Instrument der perfiden kolonialen Ausbeutungspolitik des Konzern zu sein. Die Verhandlungsversuche der Dorfgemeinschaft versickern wie das aus den Pipelines entweichende Öl im Sand und vergiften die Atmosphäre weiter.

Nach einer dieser Versammlungen eskaliert die Situation und die Dorfgemeinschaft nimmt die Konzernvertreter in Geiselhaft, um mit der Führung in den USA zu sprechen. »Zum Wohl unserer Kinder und Kindeskinder werden wir all das tun und noch mehr«, sagt der junge Bongo, der zu den Entführern gehört. Und auch wenn der Kampf ein langer und möglicherweise nicht von Erfolg gekrönt sein wird, lohnt er sich doch, um dem Schweigen ein Ende zu machen. »Wir werden keine Unbekannten mehr sein. Wir werden Namen haben. Kosawa wird zu erkennen sein.«

Zu eskalierenden Strategien angesichts der Tatenlosigkeit jener, auf deren Tun man angewiesen ist, greifen auch die »Children of Kali« in Kim Stanley Robinsons Klimawandel-Roman »Das Ministerium für die Zukunft«. Während Robinson allerdings ein Best-Case-Szenario der vor uns liegenden Ära zeichnen will, blickt Mbue in ihrem hervorragenden Umweltroman erschüttert auf das, was die Gegenwart uns jetzt schon zeigt: die Arroganz der global agierenden Konzerne, die sich an ihrem Hauptsitz physisch und juristisch verschanzen, während sie fremde Länder ausbeuten und denen, die schon am Boden liegen, die Lebensgrundlagen entziehen.

In den Mittelpunkt der Handlung rückt Thula, ein junges Mädchen, die früh ihren Vater verliert. »Ein Papa, der abends mit seiner Tochter zusammensaß und die Sterne zählte, der mit ihr darüber nachdachte, ob Grashalme in der Angst leben, eines Tages niedergetrampelt zu werden, der ihr einschärfte später nie zu vergessen, wie es sich angefühlt habe, ein Kind zu sein, nie zu vergessen, wie es sich angefühlt habe, klein zu sein und schutzbedürftig.«

Imbolo Mbue: Wie schön wir waren. Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2021. 448 Seiten. 23,- Euro.

Diese Sensibilität für die Umwelt und ihre Umwelt wird Thula nie verlieren. Nicht einmal in den USA, wo sie als junge Studentin lebt, nicht ohne das Schicksal ihres Dorfes aus den Augen zu verlieren. Aus dem Heimatland von Pexton heraus wird sie den Aufstand gegen den Konzern anführen. Später wird sie ins Dorf zurückkehren, um vor Ort aktiv zu werden. Im Laufe des Romans kommen auch ihre Großeltern, Eltern und ihr Onkel zu Wort, die von ihren seelischen und physischen Entbehrungen und Verlusten berichten. Ihre Erinnerungen machen die persönlichen Motive und Traumata, das Menschliche hinter der Politik, greifbar.

Mbue bleibt eng bei ihrem Personal, hält ihren befremdeten und zunehmend feindseligen Blick auf die ausbeuterische Moderne. Zwischen den persönlichen Perspektiven ihrer Figuren und der kollektiven Erinnerung der Kinder entsteht ein flirrendes Spannungsverhältnis, in dem Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Moderne, Patriarchat und Emanzipation, Macht und Ohnmacht, Idealismus und Ernüchterung miteinander verbunden werden.

Die Tradition der mündlichen Überlieferung von Geschichte und Geschichten ist tief in diesem Text verankert. Maria Hummitzsch greift diese in ihrer lebendigen Übersetzung auf. Der Text verläuft wie in Wellen, greift in Satzketten rhythmisch das zornige Klagen des Kollektivs auf. Auch bleibt er lexikalisch nah am Mündlichen. Obwohl die Ölindustrie und die politische Theorie des Aufstands eine große Rolle spielen, kommt der Text ohne Fachbegriffe aus. Direkte Anspielungen auf Frantz Fanons Widerstandsklassiker »Die Verdammten dieser Erde« oder Karl Marx’ »Kommunistisches Manifest« müssen ausreichen, um die theoretischer Grundlage dieser Rebellion zu liefern. Das funktioniert perfekt, die von den Dorfbewohnern vorgetragene Klage erhält gerade dadurch eine hohe Glaubwürdigkeit.

»Wie schön wir waren« ist in der Vergangenheitsform geschrieben, Aufstand, Massaker, Niederlage sind bereits geschehen. Imbolo Mbues großer Roman lässt uns jetzt verstehen, woher die Enttäuschung in vielen afrikanischen Gesellschaften kommt. Und leistet vor allem eines: Er sorgt dafür, dass man von den verstorbenen Kindern von Kosawa nicht nur gehört haben wird. Man wird sie auch nicht mehr vergessen.

Thomas Hummitzsch, geboren 1979 in Meißen, ist freier Journalist, Pressereferent, Kritiker und Blogger.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Verschiedenes

Jenseits von „afrikanischer Kunst“

Jenseits von „afrikanischer Kunst“
von Drew Thompson

Wie wird afrikanische Kunst heute definiert und ist die Kategorie noch relevant? Über den Rassismus der weißen Feldforschungsgeneration im Kunstbetrieb, die Ethnologie-Schublade und über die Post-Black ästhetische Praxis und Emanzipation.

In den letzten zehn Jahren haben Kunstinstitutionen und Museen in den USA versucht, Kurator:innen für ihre historischen afrikanischen Kunstsammlungen einzustellen – mit unterschiedlichem Erfolg. Im Jahr 2018 sah sich das Brooklyn Museum mit breiter Kritik von Aktivist:innen aus der Nachbarschaft und in den sozialen Medien konfrontiert, als es eine weiße Kuratorin für afrikanische Kunst einstellte. Dass die Stelle in Teilzeit ausgeschrieben, befristet und potenziell nicht verlängerbar war, schien von deutlich geringerer Bedeutung zu sein. Zwei Jahre später sahen sich das Brooklyn Museum und andere Museen vor dem Hintergrund von Black Lives Matter und einer Pandemie mit weiteren Herausforderungen konfrontiert. COVID-19 übte Druck auf die Museen aus, ihre Budgets zusammenzustreichen, was die Bemühungen um eine Erweiterung und Diversifizierung des Personals weiter ausbremste, während der zunehmende öffentliche Fokus auf Vorfälle wiederholter Polizeibrutalität gegen Schwarze und PoC die Forderung erneuerte, dass die kuratorischen und administrativen Teams der Museen die Gemeinschaften widerspiegeln sollten, in denen sie verortet sind und denen sie dienen wollen.

Africa is a Country

Dieser Artikel erschien im Original auf Englisch unter dem Titel „Outside the field of African art“ bei Africa is a Country.

Ein kritischer Punkt für afrikanische Kunst in den USA?

In diesem Zusammenhang stieß ich auf einen Artikel mit dem Titel „The Long View: Leadership at a Critical Juncture for ‚African Art‘ in America“ von der Kunsthistorikerin und Kuratorin für afrikanische Kunst, Susan Vogel. Der Artikel wurde in der akademischen Zeitschrift African Arts veröffentlicht, die von Fachkolleg:innen begutachtet wird und eine wichtige Rolle für das Fachgebiet spielt. Vogel ist Kuratorin, Kunsthistorikerin, Museumsdirektorin und Professorin mit mehr als 50 Jahren Berufserfahrung, die in einigen der bedeutendsten Kunstinstitutionen für das Studium und die Ausstellung afrikanischer Kunst in den USA tätig war, darunter das Metropolitan Museum of Art (Met), das Museum of African Art (jetzt Africa Center) sowie die Universitäten Yale und Columbia.

Der wichtigste Punkt in Vogels Artikel ist ihr Unmut über die derzeitige Stellung und den Zustand der Abteilungen für afrikanische Kunst in amerikanischen Museen. Sie stellt fest, dass in den derzeitigen kuratorischen Leitungen und Verwaltungen der Sammlungen afrikanischer Kunst Lücken klaffen, die dazu geführt haben, dass afrikanische Kunst aus der öffentlichen Wahrnehmung in den USA verschwunden ist. In den letzten Jahren wurden mehr als 16 Stellen für Kurator:innen für afrikanische Kunst ausgeschrieben. Nur fünf dieser Stellen wurden erfolgreich besetzt; viele Museen haben die Stellen anscheinend dauerhaft gestrichen. Vogel versucht, mehr Aufmerksamkeit auf diese Realität und auf die jüngsten Einstellungen zu lenken, da ihrer Meinung nach nur wenige außerhalb der Museumswissenschaften oder der Kunstgeschichte davon Notiz genommen haben. Vogel argumentiert, dass die afrikanische Kunst „aus dem Blickfeld verschwindet“. Sie schreibt, dass die US-Institutionen nicht über die notwendigen Kurator:innen verfügten, um historische Sammlungen zu pflegen, und dass sie auch nicht auf der von früheren Generationen geleisteten wissenschaftlichen Arbeit aufbauen könnten. Nach Vogels Einschätzung lassen die Direktor:innen und Kurator:innen von amerikanischen Museen mit Abteilungen für afrikanische Kunst ihre Sammlungen und das Publikum, dem sie dienen, im Stich, indem sie Kandidaten bevorzugen, die lediglich „mit der zeitgenössischen afrikanischen Kunst und Kultur vertraut sind.“

Eine ihrer provokativsten Aussagen ist, dass Abteilungen für afrikanische Kunst, selbst wenn sie eine:n Vollzeitkurator:in haben, nicht über das Fachwissen anderer Abteilungen wie denen für europäische und amerikanische Kunst verfügen: „Den afrikanischen Sammlungen ausschließlich, die Expertise anderer kuratorischer Abteilungen vorzuenthalten, ist nicht zu rechtfertigen und nicht respektvoll gegenüber dem Erbe, das sie repräsentieren.“ Für Vogel bedeutet dies, dass das Fachwissen in den Abteilungen für afrikanische Kunst jenem in anderen Abteilungen nachsteht, was das Ansehen der Abteilungen für afrikanische Kunst in den Museen weiter herabsetzt.

National Museum of African American History and Culture, Co

Personelle Veränderungen in amerikanischen Museen

Das Problem ist, dass Vogel, auch wenn sie sicher dachte, es sei hilfreich, in ihrem Essay stattdessen ein schlechtes Verständnis der zeitgenössischen Race-Thematik und des systematischen Rassismus in der afrikanischen Kunst offenbart. Zum einen blendet ihre Kritik die andere Seite der Kandidat:innen aus, gegen die sie sich wendet: In dem Zeitraum, in dem sie einen Niedergang sieht, haben US-Museumsinstitutionen mehr Menschen eingestellt, die sich als Schwarze identifizieren, als in den Jahren zuvor. Aber mehr noch, der Kern von Vogels Argumentation und Kritik liest sich eher wie die Frage: „Können Weiße noch afrikanische Kunst kuratieren?“ Eine sinnvollere Frage wäre gewesen: „Was ist afrikanische Kunst heute und spielt die Kategorie noch eine Rolle?“ Letztere lädt zu einer größeren Diskussion und Beteiligung ein, und das in einem Moment, in dem Institutionen versuchen, ihre Relevanz zu erhalten – im Gegensatz zu einer reduktionistischen, ausgrenzenden Frage, die auf eine verengte Vergangenheit blickt. Lassen Sie mich das erklären.

Culture Type, eine Online-Plattform samt Newsletter, die sich auf „die visuellen Künste aus einer Schwarzen Perspektive“ konzentriert, berichtet alle zwei Jahre in einer Kolumne mit dem Titel „On the rise“ über Neueinstellungen in amerikanischen Museen und Kultureinrichtungen. Im Jahr 2022 stellten das Brooklyn Museum, das Met und das Virginia Museum of Fine Arts prominente Mitarbeiter:innen im Bereich der afrikanischen Kunst ein, während weitere 63 US-Institutionen sich als Schwarze identifizierende Personen für eine Reihe von Kuratoren-, Verwaltungs- und Führungsaufgaben einstellten. Von 2020 bis 2021 haben 112 Institutionen ähnliche Einstellungen vorgenommen. Vogel berücksichtigt nicht, dass Menschen mit einer Ausbildung in oder einem Interesse an diesem Bereich in US-Institutionen in Führungspositionen aufgestiegen sind. Sie differenziert nicht nach neu geschaffenen Positionen, die eine komplexere Kulturlandschaft widerspiegeln, in der die afrikanische Kunst nur einer von vielen Bereichen ist.

So wurde beispielsweise 2021 in der National Gallery of Art in der US-Hauptstadt Washington, DC, erstmals ein Kurator für afroamerikanische und afrodiasporische Kunst eingesetzt. Mehrere Kurator:innen mit akademischer und professioneller Ausbildung in afrikanischer und afroamerikanischer Kunstgeschichte stiegen auf, um Abteilungen am Guggenheim Museum und der National Portrait Gallery der Smithsonian Institution zu leiten. Andere übernahmen die Leitung von führenden Institutionen wie dem California African American Museum, The Kitchen (im New Yorker Galerienviertel) und der Gund Gallery des Kenyon College. Diese Beispiele berücksichtigen noch nicht einmal die internationalen Entwicklungen, die ebenfalls von Bedeutung sind. Im Jahr 2020 gründete die Art Gallery of Ontario das Department of the Arts of Global Africa and the Diaspora; das weltberühmte Museum für zeitgenössische Kunst in Barcelona, die Whitechapel Art Gallery und die Chisenhale Gallery haben ebenfalls mutige Neueinstellungen von Schwarzen oder afrikanischen Kurator:innen vorgenommen.

Wer definiert, was „afrikanische Kunst“ ist?

Als kunsthistorischer und kuratorischer Bereich ist „afrikanische Kunst“ ein westliches Konstrukt und ein relativ neuartiges Phänomen in US-Museen, das nur bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zurückgeht. Die Sammlung afrikanischer Kunst im Brooklyn Museum entstand beispielsweise unter der Leitung von Stewart Cullin, dem Gründungskurator der Abteilung für Völkerkunde. Cullin erweiterte die afrikanische Kunstsammlung des Museums durch den Ankauf von Objekten europäischer Händler:innen, und laut der Website des Museums stellte er häufig ethnografische Objekte als Kunstobjekte aus. Das Brooklyn Museum bezeichnet sich selbst als eines der ersten Museen in den USA, das afrikanische Kunst sammelte und ausstellte, womit es bereits in den frühen 1900er Jahren begonnen hat. Das Met gründete 1969 seine Abteilung für die Künste Afrikas, Ozeaniens und Amerikas, als Nelson Rockefeller der Sammlung 500 Objekte aus dem subsaharischen Afrika spendete. Im Jahr 1982 eröffnete das Met den Michael C. Rockefeller Wing, um diese Schenkungen in einer Dauerausstellung zu zeigen. (Übrigens begann Vogel ihre Karriere an Rockefellers Museum of Primitive Art, das 1954 gegründet wurde und ein Vorläufer der Met-Schenkung war).

Wie die Beispiele des Brooklyn Museums und des Met zeigen, stammen viele Objekte, die den Grundstock der Abteilungen für afrikanische Kunst in den US-Museen bilden, aus privaten Schenkungen wohlhabender Mäzen:innen und nicht aus gezielten Ankäufen durch Kurator:innen, wie es bei heutigen Neuzugängen meist der Fall ist. Diese Spender:innen hatten keine akademische und/oder kuratorische Ausbildung in diesem Bereich der afrikanischen Kunst. Dennoch bestimmen die Objekte, die sie den Museen schenkten, bis heute, was erforscht und ausgestellt wird.

Mehr noch, populäre und wissenschaftliche Darstellungen afrikanischer Kunst in den USA schweigen sich über die Rolle afroamerikanischer Sammler:innen aus, deren eigene ästhetische Gewohnheiten und Aktivitäten die Grundlage für Museumssammlungen und kunsthistorische Abteilungen an schon immer von Schwarzen dominierten Colleges und Universitäten wie Hampton und Howard und dem Spelman College bildeten. Die Verankerung der afrikanischen Kunstgeschichte in US-amerikanischen Museen und Bildungseinrichtungen war eine verspätete Reaktion auf Diskurse, die seit langem in den intellektuellen und kulturellen Traditionen der Schwarzamerikaner:innen, der Karibik und des Black Atlantic geführt wurden.

In ihrem Artikel über afrikanische Kunst datiert Vogel dieses Feld in den USA auf die 1960er und 1970er Jahre, als die Fachbereiche für Kunstgeschichte und Anthropologie an den Universitäten begannen, Lehrkräfte einzustellen, die sich mit der Kunst Afrikas befassten. Zu dieser Zeit traten auch die ersten Kurator:innen hervor, die in afrikanischer Kunst promoviert hatten. Doch schon lange vorher, bereits vom späten 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, debattierten schwarze Dichter:innen, Schriftsteller:innen, Theoretiker:innen, Künstler:innen und Aktivist:innen wie W.E.B. DuBois, Suzanne Césaire, Alain Locke und James Porter, um nur einige zu nennen, über die Vorzüge der Schwarzen Identität in Bezug auf die afrikanische Kunst. Schwarze Künstler wie Augusta Savage, Meta Warrick Fuller und Richmond Barthé arbeiteten mit Metall und integrierten die vielfältige Ikonografie und Bildsprache des afrikanischen Kontinents in ihre Werke des frühen 20. Jahrhunderts. Wie ihre europäischen Kollegen Henri Matisse und Pablo Picasso ließen sie sich von Holzmasken und Skulpturen des afrikanischen Kontinents inspirieren.

Vogel nimmt für sich eine weite Perspektive in Anspruch, die die Geschichte der afrikanischen Kunst bis zurück in die 1960er Jahre verfolgt, ohne anzuerkennen, dass diese Genealogie mindestens doppelt so lang ist. Darüber hinaus umfasst die Geschichte der afrikanischen Kunst in US-amerikanischen Museen und in der breiteren Kulturlandschaft nicht nur die europäische Avantgarde und die Modernisten, sondern auch den Platz der afrikanischen Kunst innerhalb der philosophischen Traditionen und künstlerischen Bewegungen der Schwarzamerikaner:innen, der Karibik und des Black Atlantic. Für Vogel sind die einzigen Orte, die für die Ausstellung afrikanischer Kunst von Bedeutung sind, Institutionen wie das Met. Dabei übersieht sie, wie alternative kulturelle Institutionen innerhalb Schwarzer Gemeinschaften die Kunst Afrikas unterstützten und sich mit ihr auseinandersetzten, und tut diesen Aspekt letztlich ab. Hinzu kommt, dass die Diversifizierung der kuratorischen Führung in den Vereinigten Staaten neue Möglichkeiten für einen besseren, stärkeren und gleichberechtigteren kulturellen Austausch mit Museen und Kunstinstitutionen in Afrika bietet.

Die Ethnologie-Schublade

Vogel äußert sich besorgt über die „berühmte historische Bildhauereitradition“ und deren Vernachlässigung zugunsten der weithin akzeptierten „zeitgenössischen afrikanischen Kunst und Kultur.“ Mit historischer Bildhauerei meint sie Kunstformen wie Skulpturen, Olifanten (mittelalterliche Jagdhörner) und Masken, die auf dem afrikanischen Kontinent größtenteils vor dem 20. Jahrhundert entstanden sind. Vogel befürwortet eine Praxis der Feldforschung, bei der Forschende in ländliche Gegenden reisen, um die Kunstproduktion zu beobachten und mit und unter den Kunstproduzent:innen zu leben, die untersucht werden. Vogel zufolge brachte diese Art der anthropologischen Feldforschung eine Kunstgeschichte hervor, „die auf der Beobachtung von Kunstwerken in situ und den persönlichen Beziehungen der Forscher:innen zu Kunstschaffenden und –nutzer:innen beruht.“ Viele Wissenschaftler:innen, die diesen methodischen Ansatz verfolgten, waren weiß – ein Merkmal, das von Vogel nicht erwähnt wird.

Für Vogel steht die zeitgenössische Kunst also im Gegensatz zur traditionellen. Indem sie anthropologische Methoden lobt, behauptet sie außerdem, dass jemand, der x Jahre in einem ländlichen Teil des Kontinents verbringt, über mehr Fachwissen und Autorität verfügt als jemand, der auf dem Kontinent aufgewachsen ist und mit lebenden Künstler:innen arbeitet. Vogel argumentiert, dass den Kurator:innen, die in letzter Zeit für die Leitung afrikanischer Kunstabteilungen ausgewählt wurden, das besondere Fachwissen der „Feldforschungsgeneration“ fehlt. Sie geht davon aus, dass bei ihrer Auswahl wenig Wert auf eine Ausbildung in traditioneller afrikanischer Kunst gelegt wurde, wie sie die „richtige“ Ausbildung definiert, sondern auf „andere Fähigkeiten, insbesondere in der Kommunikation, und eine Vertrautheit mit der zeitgenössischen afrikanischen Kunstkultur.“ Traditionell versus zeitgenössisch ist aus zwei Gründen eine falsche Dichotomie. Erstens geht sie davon aus, dass sich das Zeitgenössische nur auf das 20. Jahrhundert bezieht, insbesondere auf die Zeit nach 1950 (im Wesentlichen auf die gesamte Kunst nach der Unabhängigkeit des afrikanischen Kontinents von Europa), und auf das 21. Jahrhundert. Zweitens stützte sich die Feldforschungsgeneration auf lebende Künstler, um historische Werke zu studieren, und versäumt dabei anzuerkennen, dass diese in ihrer Zeit ja auch immer zeitgenössisch waren.

Es ist unklar, ob Vogel sich dessen bewusst ist, aber die Feldforschungsgeneration unter Kunsthistoriker:innen und Kurator:innen war fast ausschließlich weiß. In jüngerer Zeit haben die geisteswissenschaftlichen Disziplinen ihre Geschichte überdacht, und es ist unwahrscheinlich, dass Vogel diese Bewegung verpasst hat. Vieles an ihrer Kritik wirkt plump. Ihre Vision von afrikanischer Kunst konzentriert sich immer noch auf einen weißen Blick und verstärkt die Vorstellung, dass afrikanische Kunstschaffende den Wert ihrer historischen Kunsttraditionen für das westliche Publikum erst noch beweisen müssen. Produktiver wäre es, eine konzeptionelle und analytische Denkweise zu entwickeln, in der afrikanische Kunst ohne Rechtfertigung oder Entschuldigung entsteht. Die Verankerung in einer zeitgenössischen Kunstpraxis eröffnet wichtige Möglichkeiten für einen sinnvollen Austausch und eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Personen und Institutionen auf dem Kontinent und in der Diaspora.

Zu überholten Voraussetzungen für eine Kurationskarriere

Um von US-Museen oder in der Wissenschaft im Bereich der afrikanischen Kunst anerkannt und erfolgreich angestellt zu werden, war früher ein Abschluss von einer der Ivy-League-Universitäten wie Harvard, Princeton, Yale und der Columbia University Voraussetzung. Die Schwierigkeiten, die eine Kurations- und Museumskarriere im Bereich der afrikanischen Kunst mit sich bringt, sind also nicht nur finanzieller Natur, denn außerhalb dieser Universitäten gab es überhaupt nur wenige Studiengänge für afrikanische Kunst. Erst 2012 stellte beispielsweise das Williams College (meine Alma Mater), das für sein Kunstgeschichtsprogramm und die Ausbildung von Museumsdirektor:innen bekannt ist, in Vollzeit einen Experten für afrikanische Kunst ein. Heutzuztage scheint diese Ivy League-Laufbahn nicht mehr der einzige Weg zu sein, sehr zu Vogels Leidwesen, wie es scheint. Sie äußert ihre Befürchtungen und fällt ihr Urteil, ohne sich überhaupt eingehend mit den Arbeiten dieser „neuen“ Generation von Kurator:innen zu befassen. Ihr vorschnelles Urteil macht jeden Nutzen einer Rückschau zunichte. Diese neu ausgewählten Kurator*innen sind noch nicht lange genug im Amt, damit man ihre Arbeit kritisch beurteilen kann. Ihre Institutionen haben sie mit langfristigen Neuausrichtungen ihrer Galerien für afrikanische Kunst und anspruchsvoller Provenienzforschung beauftragt. Bei Vogels Politik des Fachwissens geht es um Ressourcen und kulturelles Kapital. Auch wenn sie sich weigert, dies anzuerkennen, geht es dabei um Race, Gender und Marginalisierung – alles Bereiche, mit denen sich die kunsthistorische Disziplin und die Museumsberufe schwer getan haben.

Wenn Vogel schreibt, dass für Positionen in US-Museen „eher konventionelle Kandidaten übergangen“ wurden, muss der informierte Leser, der die Geschichte des Fachs und der Disziplin kennt, annehmen, dass sie „weiß“ meint. Andererseits hat man ohnehin den Eindruck, dass Vogel davon ausgeht, dass ihre Leser weiß sind und dass sie verstehen werden, dass sie weiß meint, und mit ihren Ansichten sympathisieren werden. Vogel nutzt ihr eigenes Fachwissen und ihre Erfahrung aus einem halben Jahrhundert, um offen darüber zu diskutieren, wer ihrer Meinung nach geeignet ist, afrikanische Kunst zu kuratieren. Noch besorgniserregender ist, African Arts Vogel eine Plattform bietet, um Kollegen, die im Rang niedriger stehen, zu verunglimpfen und niederzumachen. Vogels Äußerungen und die Veröffentlichung dieser Schrift durch African Arts veranschaulichen, was die Kulturtheoretikerin und Historikerin Saidiya Hartman als „die Verfahrensweisen der intellektuellen Disziplinen“ bezeichnet, die im Spiel sind, und die damit verbundene Ausübung von Gewalt. In ihrem Essay „Venus in zwei Akten“ versucht Hartman, etwas über Venus herauszufinden, das in den historischen Archiven nicht zu finden ist, und sie erklärt:

Die Romantik des Widerstands, die ich nicht zu erzählen vermochte, und das Ereignis der Liebe, das zu beschreiben ich mich weigerte, werfen wichtige Fragen darüber auf, was es bedeutet, historisch über Dinge nachzudenken, die in der Gegenwart noch umstritten sind, und über das Leben, das durch die Verfahrensweisen intellektueller Disziplinen ausgelöscht wird.

In Vogels „Dialog“ werden die Stimmen Schwarzer Frauen aus den USA und vom afrikanischen Kontinent auf verhängnisvolle Weise abgewertet und unterdrückt. Es ist kein Wunder, dass so viele der Wissenschaftler:innen, die Vogel angreift, die traditionelle kunsthistorische Perspektive vermeiden.

Wer definiert, was „afrikanische Kunst“ ist?

Wir befinden uns in einer Zeit, in der ein westlich institutionalisiertes Konstrukt wie afrikanische Kunst seine Lesbarkeit, Relevanz und Bedeutung verliert. Künstler:innen, die im Bereich der afrikanischen Kunst lange Zeit gemieden und in den Bereich der „zeitgenössischen Kunst“ verbannt wurden, haben diesen Moment bereits vorweggenommen, als sie sich in den 1980er und 1990er Jahren mit den Auswirkungen der Diskussionen über Multikulturalismus in Museen auseinandersetzen mussten. Viele dieser Künstler:innen machten sich das Konzept „post-black“ als alternativen Raum für kreatives Denken und ästhetische Praxis zu eigen. Die schwarze Kuratorin und Museumsdirektorin Thelma Golden hat diese Idee im Rahmen ihrer Ausstellungspraxis im Studio Museum in Harlem entwickelt und vorangetrieben. „Post-black“ ist ein Beispiel für eine alternative Tradition, die Vogel ins Visier nimmt, indem sie sich auf Politiken, die bestimmen, wer über Expertise verfügt, und wer nicht, beruft und dabei sowohl etablierte kuratorische Interventionen als auch wichtige wissenschaftliche Arbeiten verwirft. In ähnlicher Weise veranschaulichen die Schriften des verstorbenen Stuart Hall über zeitgenössische Kunst und Museen in Großbritannien, was bei Vogels Politik der Expertise auf dem Spiel steht. In seinem Essay „Museums of Modern Art“ befasst sich Hall mit den Grenzen bestimmter Kunstkonzepte und der Neigung, bestimmte Terminologien mit der Vorsilbe „post“ auszustatten:

Der Impuls, der einen bestimmten historischen oder ästhetischen Moment ausmacht, löst sich in der Form, in der wir ihn kennen, auf. Viele dieser Impulse werden auf einem neuen Terrain oder in einem neuen Kontext wieder aufgenommen, wobei einige der Grenzen verwischt werden, die unsere Beschäftigung mit einem früheren Moment relativ klar, gut abgegrenzt und leicht bewohnbar erscheinen ließen, und an ihrer Stelle neue Lücken, neue Zwischenräume entstehen.

Vogels Verständnis der Begriffe „afrikanische Kunst“, „traditionell“, „Experte“ und „Feld“ schließen Menschen und Meinungen aus, die nicht mit der traditionellen Geschichtswissenschaft übereinstimmen. Sie schränkt Definitionen von Schwarzsein und Afrikanischsein ein. So bergen Vogels Aussagen die Gefahr, dass sie in Bezug auf größere laufende Veränderungen, die außerhalb des Bereichs der afrikanischen Kunst stattfinden, irrelevant sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vogel für ein Feld plädiert, in dem ihr Fachwissen, ihre Stimme, ihre Laufbahn, ihr methodischer Ansatz und ihre Interpretationen von Bedeutung sind. Die jüngsten Personaleinstellungen durch Museen stellen Vogels Ansehen, ihre Weltsicht und ihre Fähigkeit, den Stellenwert afrikanischer Kunst in Museen und akademischen Einrichtungen zu bestimmen, in Frage. Eine solche Infragestellung und Kontrolle der Legitimität Schwarzer Wissenschaftler:innen und Kurator:innen in Museen und akademischen Einrichtungen ist nicht neu. Vielleicht sollten wir die afrikanische Kunst als Studienfach einfach auslaufen lassen. Die Kunst und die materielle Kultur des Kontinents sollten nicht in ein so spezifisches und einschränkendes Gefängnis verbannt werden. Die Herausforderung war und wird immer darin bestehen, nicht auf Vogels Köder hereinzufallen und feldbestimmende wissenschaftliche Traditionen fortzuführen und auszubauen. Goldens kuratorisches Konzept des „Post-Black“ und Suzanne Césaires Schriften zum Surrealismus, die sich schon seit langer Zeit außerhalb des Forschungsfeldes der afrikanischen Kunst entfaltet haben, sind Beispiele dafür, wie dies erfolgreich gelingen kann.

Drew Thompson ist Schriftsteller und Bildhistoriker am Bard Graduate Center in New York City. Er ist außerdem mitwirkender Redakteur bei Africa Is a Country. Übersetzt aus dem Englischen von DeepL und Lukas Valtin.

Bild im Header: Nkululeko Mayiyane, Unsplash

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Wie ein Leipziger Afrikanist vier Schatzkisten entdeckte

Wie ein Leipziger Afrikanist vier Schatzkisten entdeckte
von Birgit Pfeiffer

Für Forschende, die vor allem Geschichts- und Kulturforschung betreiben, ist das, was Afrikanistik-Wissenschaftler Dr. Ari Awagana im heutigen Niger wiederfahren ist, ein Traum: Zufällig entdeckte er vier Kisten voller zeitgeschichtlicher Schriftenrollen, die für einige Völker in Zentralafrika von großer Wichtigkeit sind und viel über ihre eigene Geschichte, Sprache und Kultur aussagen. Der Raum, in dem die Kisten lagerten, war seit 1922 verschlossen. Für die Kulturgeschichte Zentralafrikas sind die entdeckten Dokumente eine Sensation. Und, auch das ist erwähnenswert, die Dokumente überstanden zum Großteil unbeschadet die Zeit des Kolonialismus. Nun wurde für diese Schriften vor Ort eine kleine Bibliothek errichtet – mit Hilfe der Universität Leipzig.

Verschollene Dokumente in Zinder (Niger) aufgetaucht: Dr. Elhadji Ari Awagana entdeckt vier Schatzkisten in einem seit 1922 verschlossenen Raum. Video: Dr. Elhadji Ari Awagana

Auf dem mit dem Handy gefilmten Video hört man das Staunen und die Spannung der Anwesenden, als in einem abgedunkelten Raum in einem Haus im Niger alte verstaubte Kisten vorsichtig geöffnet werden. Jahrhunderte alte Papiere kommen ans Licht. Es ist das Haus des obersten Richters Mahamadou Aboubacar Chetima in der Altstadt von Zinder im Niger, im Jahr 2018. Dr. Ari Awagana vom Institut für Afrikastudien an der Universität Leipzig wusste sofort, dass es sich um einen großen Fund handelte. Der Sprachwissenschaftler kommt ursprünglich selbst aus dem Niger. Seit 2000 lehrt er die in Westafrika verbreitete Verkehrssprache Hausa, spricht aber zudem unter anderem Kanuri, Zarma, Buduma und Fulfulde. Er erforscht historische Belege afrikanischer Schriftsprachen, die Aufschluss geben können über die Geschichte Zentralsudans.

Einblicke in den Alltag der Menschen vor 120 Jahren

„Es waren vier Kisten mit Koranmanuskripten, weiteren religiösen Texten, Akten, Klagen, Urteilen, Briefen sowie okkulten Texten“, erinnert er sich. „Der Staub war Zentimeter dick. Seit 1922 war der Raum nicht mehr geöffnet worden.“ Das war der Zeitpunkt, als der frühere Besitzer der Dokumente starb: Mamadou Chetima, der Großvater des Hausherrn. Er war ebenfalls oberster Richter gewesen, des Sultans von Damagaram, der von 1899 bis 1906 regierte.

„Die Aufgabe eines Richters war und ist es, Urteile nach dem islamischen Gesetz zu treffen, zum Beispiel in familiären Angelegenheiten, Erbschaftsfragen, Streitigkeiten zwischen Nachbarn und dergleichen“, erklärt Ari Awagana. „Dabei konnte und kann er themenspezifisch Berater zurate ziehen. Nur bei größeren Belangen ging man früher bis zum König, heute zu staatlichen Gerichten, beispielsweise wenn es um einen Mord geht.“ Die historischen Akten geben daher bedeutsame Einblicke in das Alltagsleben in der damaligen Gesellschaft.

Der Richter Chetima hatte nicht nur Papiere aus seiner eigenen Arbeit verwahrt, sondern hatte noch viel ältere Schriften besessen – für die Forschenden ein wahrer Schatz, der in den kommenden Jahren gesichtet, konserviert, digitalisiert und erforscht werden wird. Dies ist nicht nur für den Leipziger Wissenschaftler relevant, sondern auch für die Historikerin Camille Lefebvre vom Pariser Nationalzentrum für wissenschaftliche Forschung, die ebenfalls anwesend war, als die Kisten geöffnet wurden. Beide arbeiten im Projekt „Sprache als Archiv“, das von der Europäischen Union gefördert wird. Dieses widmet sich historischen schriftlichen Quellen im Zentralsudan. 

Vorkoloniale Geschichte der Region verstehen

„Anhand der Wasserzeichen auf einem der Papiere konnte ich sehen, dass dieses italienischer Herkunft war – etwa aus dem 16. oder 17. Jahrhundert“, so Awagana. „Dieser großartige Fund hilft uns, die vorkoloniale Geschichte der Region zu verstehen“, sagt er. „Er ist eine Art Zeitkapsel.“

Solche Zeitkapseln sind sehr selten, denn viele solcher Manuskripte wurden im Laufe der Jahrhunderte zerstört, geplündert oder außer Land gebracht: sei es durch islamische Kräfte, die Teile der afrikanischen Tradition von den noch prä-islamischen heidnischen Anteilen „säubern“ wollten – oder durch koloniale Plünderung, als Frankreich Kolonialmacht war. Diese Ära ging auch nicht am Haus des obersten Richters spurlos vorbei. „Chetima erzählte uns, dass sein Großvater im Jahr 1908 nach der Abschaffung des Sultanats durch Kolonial-Frankreich an die Elfenbeinküste deportiert wurde“, so Awagana. „Seine Dokumente nahm er mit ins Exil und brachte sie später wieder zurück mit nach Hause. Nur deshalb sind sie überhaupt noch vorhanden.“ Hierfür sind ihm die Forschenden heute dankbar. 

Koran Übersetzung zwischen den Zeilen

Die Schriften sind in Arabisch verfasst, in der Sprache Kanuri sowie dessen früherer Form Old Kanembu. Letztere gilt als untergegangen. Sie war die Gelehrtensprache des alten Königreichs Kanem-Bornu, das sich ab dem 9. Jahrhundert etwa 1.000 Jahre lang über große Gebiete Zentralafrikas erstreckte und in welcher sich Intellektuelle in Nordafrika, Arabien und Westafrika austauschten. Entsprechend wichtig sind entsprechende Funde für die Geschichtsschreibung der Region. Sie belegen auch, dass die Behauptung, afrikanische Sprachen seien hauptsächlich mündlich tradiert worden, nicht wahr ist. Eine entscheidende Textsorte, die sich auch im Hause Chetima fand, bilden sogenannte interlinearisierte Koranmanuskripte. „Das sind Koranmanuskripte, deren Haupttext auf Arabisch verfasst ist“, erläutert Dr. Awagana. „Zwischen den Zeilen haben afrikanische Gelehrte ihre Übersetzungen in Old Kanembu hineingeschrieben, die sie dann auswendig gelernt haben. Diese sehen zwar ebenfalls arabisch aus, funktionieren aber völlig anders. Sie sind etwa so unterschiedlich wie Kisuaheli und Deutsch. Man hat nur dasselbe Schriftsystem verwendet,“ so der Sprachwissenschaftler. Arabische Gelehrte nannten diese Sprachen bereits im Mittelalter „Ajami“ – „Fremde“, weil sie sie nicht verstanden. „Spätestens seit den Entdeckungen des Briten Adrian David Hugh Bivar in den 1950er Jahren können interlinearisierte Koranmanuskripte als früheste Beweise für eine Verwendung von indigenen Schriftsprachen in Subsahara-Afrika angesehen werden“, erläutert der Leipziger Linguist.

Durch die Forschung an solchen Manuskripten sind Ari Awagana und Camille Lefebvre auch überhaupt an den Fund in Zinder gekommen: „Wir suchten Kontakt zu Würdenträgern hier in der Region. Dabei war ich speziell auf der Suche nach solchen Manuskripten“, erläutert der Leipziger Wissenschaftler. Zunächst zeigte Richter Chetima ihnen einige Bücher des Großvaters. „Nachdem ich ihm erklärt hatte, dass es sich bei der Sprache um Old Kanembu handelte – der Sprache ihrer Vorfahren – eröffnete er uns, dass es diesen Raum gab. Er selbst wollte auch mehr über die Dokumente wissen und so kamen wir den nächsten Tag wieder und machten diese wunderbare Entdeckung.“

Kleine Bibliothek wird errichtet - mit Hilfe der Universität Leipzig

Für die Dokumente in Zinder war es höchste Zeit, wieder ans Tageslicht zu kommen. Dank des trockenen Klimas sind zwei Drittel der Schriftzeugnisse zwar noch gut erhalten; ein Drittel ist jedoch ernsthaft angegriffen von Termitenfraß, Rückständen nistender Enten und Schimmel. „Es war dringender Handlungsbedarf“, erkannte Awagana sofort. Der Inhalt der Kisten ist inzwischen gesichtet und sachgerecht untergebracht – in einer kleinen Bibliothek direkt am Fundort der Familie Chetima in Zinder. Das Dezernat für Forschungs- und Transferservice der Universität Leipzig stellte hierzu beim Arbeitsstab Kulturerhalt des Auswärtigen Amts einen Förderantrag, der rasch bewilligt wurde. Eigentlich sollte schon 2019 der Bau beginnen, aber wegen Corona verschob sich dies bis Ende 2021. Im März 2022 konnte die Bibliothek eingeweiht werden. Richter Mahamadou Aboubacar Chetima konnte dies indes leider nicht mehr erleben. Er war inzwischen gestorben.

Historisches Erbe vor Ort bewahren und für Zukunft erschließen

Das Archiv des Chetima wird nun übersetzt und wissenschaftlich erschlossen. „Ein weiteres Ziel ist es auch, jüngere islamische Gelehrte der Familie in den Techniken der Konservation und des modernen Archivwesens zu schulen, um das geschichtliche Erbe zu bewahren“, erläutert Dr. Ari Awagana. Ob dies einfacher sein wird als früher, kann man nur schlecht abschätzen.

„Derzeit erlebt der fundamentale Islamismus in der Region Aufwind. Das betrachten wir mit Sorge. Einige Gruppen, die die ‚reine Lehre‘ verfechten und auch mit Gewalt durchzusetzen versuchen, sind nicht weit weg. Aber es ist auch wichtig, unser Erbe zu erhalten.“

Dr. Ari Awagana hofft, dass sich auch in Zukunft Türen für ihn öffnen werden, die im Hinterhof ein unscheinbares Tor in die Vergangenheit Zentral-Afrikas bereithalten.

Birgit Pfeiffer ist freie Journalistin und Redakteurin in Leipzig. Ihre Webseite Textbüro Pfeiffer ist hier zu finden.

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Fotografie

Karma the Great

Karma the Great
von Adetolani Davies

In seinem Fotoprojekt will der in Lagos lebende Fotograf Karma the Great natürliche afrikanische Schönheit jenseits des eurozentrischen Blickes zeigen.

Cognoscenti of Africanism

Entlang des Weges von Umweltkonflikten und Kapriolen, die durch gesellschaftliche Bilder von Orthodoxie und Andersartigkeit ausgelöst werden, können wir uns leicht mit den Schwierigkeiten identifizieren, denen wir als Afrikaner:innen gegenüberstehen, dem Druck und der Angst, zu einem sentimentalen Individuum heranzuwachsen. Gleichzeitig wollen wir im Gleichgewicht bleiben zwischen Modernisierung und dem Leben selbst.

Indem er verschiedene Traditionen und Bräuche verkörpert, hat der Afrikanismus den Afrikaner:innen in der Tat die Werte, den Reichtum und die Originalität ihrer Kultur vermittelt, die von Afrikas Geschichte bis zu seiner Natur, der Schönheit und der Philosophie seiner Zierde zu der Wahrheit reichen, die wir als Afrikaner:innen so vernachlässigen, da die empirische Bewertung unserer Kultur jetzt in harmonischem Konsens mit scheinbarer Objektivität existiert.

© Karma the Great

Basierend auf den neu gefundenen Bedeutungen von Schönheit durch die Zivilisation, die Moderne, sind wir Afrikaner:innen von unserer ursprünglichen Identität zu einer banalen entgleist und tragen ein neues Gesicht, dem es an Wahrhaftigkeit mangelt, während wir uns weiterhin bemühen – während wir uns einer gemeinsamen Herausforderung stellen, gesehen und gehört zu werden. Wenn man die Geschichten vor und nach der Befreiung durchblättert, findet man unsterbliche Helden, die die Standards ihrer Tradition, die überwiegend durch die Modernisierung neu definiert wurde, leidenschaftlich verinnerlicht haben.
Das vorherrschende eurozentrische Konzept von Schönheit hat unterschiedliche Auswirkungen auf unsere Kultur, das Festhalten an diesem Konzept treibt uns fort von unserer Persönlichkeit als Afrikaner:innen.

© Karma the Great

Wenn es einem Afrikaner oder einer Afrikanerin nicht gelingt, an dem Grund für sein / ihr Schwarzsein teilzuhaben, ist diese Person eine Schande für Afrika.

Auf diesen Bildern sehen wir eine junge westafrikanische Frau, die definitiv aus einem Umfeld mit heiligen Glaubensvorstellungen und Normen stammt.
Sie zeigt die Schönheit in ihrer einfachen und natürlichen Form mit einem unverfälschten und kühnen Ausdruck, den sie in ihrem ungeschminkten Gesicht trägt.
Die Subjektivität ihres Schmucks offenbart uns, wie stolz sie als Afrikanerin ist, die Art und Weise, wie sie die Farbe ihrer Haut inmitten des völligen Wahnsinns der Zivilisation, der Eurozentrik und der Neudefinition von Schönheit, die der Hauptstressfaktor ist, umarmt.

Unabhängig von seiner Geschichte ist Afrika tief verwurzelt, deshalb verdient es nicht nur eine oberflächliche Betrachtung, sondern es verdient verstanden, bewohnt und gelebt zu werden.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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Literatur

Literaturtipps für Weihnachten

Literaturtipps zu Weihnachten
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Verschenken oder selber Schmökern?

Für das Buchfest Weihnachten ist dieses Jahr einiges anders: das Coronajahr belastet nicht nur die Buchbranche, sondern wirft uns Leserinnen und Leser immer wieder auf uns selbst und in unsere eigenen vier Wände zurück. Nicht verzagen, denn glücklicherweise gibt es da ein Heilmittel: den Bücherkauf! Egal, ob ihr noch einen Roman zum Verschenken sucht oder euch selbst mit einer guten Lektüre verwöhnen wollt – es gibt mit Sicherheit das eine oder andere Werk von afrikanischen Autor:innen, das ihr noch nicht kennt. Hier empfehlen wir euch fünf tolle Bücher für die Festtagslektüre.

1. Wo wir stolpern und wo wir fallen

Abubakar Adam Ibrahim
Residenz Verlag
360 Seiten

Für den Drogendealer Reza ist der Einbruch in das Vorstadthäuschen der Witwe Binta Zubairu bloß die Routine eines heißen Vormittags. Einen Herzschlag später wissen beide: Das, was hier geschieht, dürfte nicht sein. Die Anziehungskraft, die sie erfasst, das Begehren, das ihnen selbst ein Rätsel bleibt, verstößt gegen alle Regeln der traditionellen muslimischen Gesellschaft der Stadt Jos. Und doch: Vor dem Hintergrund der politischen und religiösen Gewalt in Nigeria entfaltet sich die sinnliche, kämpferische und verzweifelt unmögliche Liebesgeschichte zwischen einer alternden Frau, die ihren Sohn verloren hat, und dem um 30 Jahre jüngeren Anführer der Gang des Viertels. Ein üppig erzählter Roman, das lebendige Porträt einer zwischen Tradition und Moderne zerrissenen Gesellschaft.

Diese Geschichte über eine Amour fou ist nicht zuletzt dadurch so besonders, dass Ibrahim mit einem gesellschaftlichen Tabu bricht. Über Sexualität einer muslimischen Frau zu schreiben, ist in den Literaturen Afrikas, insbesondere in muslimisch geprägten Ländern, selten.

Ibrahims Roman ist zugleich ein Abbild der nigerianischen Gesellschaft. Zwei Welten prallen aufeinander: die im Islam verankerte Tradition eines Patriachats mit Polygamie und die afrikanische Moderne mit Smartphone, Telenovela, Sex, Drogen und Kriminalität. Für Letztere steht Reza, ein so skrupelloser wie sympathischer Gangleader, der mit Haschisch dealt, Polizisten besticht, geheime Aufträge für einen korrupten und machtgierigen Senator übernimmt.
Überschrieben hat Ibrahim die einzelnen Kapitel mit amüsanten nigerianischen Sprichwörtern: „Wer einen alten Mann verspeist, darf sich nicht beschweren, wenn er anschließend graue Haare spuckt.“
In kräftigen Farben und zarten Tönen erzählt Ibrahim von dieser schönen, verbotenen Liebe.

2. First Woman

Jennifer Nansubuga Makumbi
Oneworld Publications
448 Seiten, englisch

Kirabo ist ein wissbegieriges Kind. Sie hat noch mehr unbeantwortete Fragen als andere Mädchen in der Pubertät, von denen die größte und geheimnisvollste ist: „Wer ist meine Mutter?“ In dem kleinen ugandischen Dorf Nattetta scheint ihr das niemand sagen zu wollen, am wenigsten die Großeltern, die sie ihr Leben lang geliebt und beschützt haben. Auch die flüchtigen Besuche ihres Vaters Tom, der in Kampala sein Unwesen treibt, bringen keine weiteren Erkenntnisse. So beschließt Kirabo, bereits tief verunsichert durch ihre Fähigkeit, ihren Körper zu verlassen und über ihre Nachbarschaft zu schweben, die Dorfhexe Nsuuta zu konsultieren.

Kirabo ist von starken Frauen umgeben. Ihre Großmutter, Tanten, Freund:innen und Cousins und Cousinen wollen alle, dass sie sich an die sozialen Normen anpasst, aber Kirabo ist neugierig, eigensinnig und entschlossen. The First Woman folgt Kirabo auf ihrem Weg, eine junge Frau zu werden und ihren Platz in der Welt zu finden, während ihr Land durch die Herrschaft von Idi Amin verändert wird.

Jennifer Makumbi hat eine mitreißende Geschichte von Sehnsucht und Rebellion geschrieben, zugleich episch und zutiefst persönlich, durchdrungen von einer berauschenden Mischung aus alter ugandischer Folklore und modernem Feminismus. Eine Lektüre, die nachklingt.

3. The Shadow-King

Maaza Mengiste
Canongate Books
428 Seiten

The Shadow-King stand dieses Jahr auf der Shortlist für den Booker Preis, existiert aber leider noch nicht auf deutsch. Die Geschichte spielt im Kontext des italienischen Einmarsches in Äthiopien in den 1930er Jahren, hat also einen historischen Hintergrund, von dem man hierzulande noch nicht allzu viel weiß.
Mengiste erzählt hier die Geschichte von Hirut, einem verwaisten jungen Mädchen, das von denen, die sich um sie kümmern sollten, im Stich gelassen wurde. Hirut wird von dem Freund ihrer Mutter, Kidane, aufgenommen und ist eine Dienerin in seinem Haushalt, wo sie von den unberechenbaren Eifersüchteleien und Launen seiner Frau Aster gequält wird.

Aber ihr Leben wird nicht dasselbe sein, das Generationen vor ihr gelebt haben. Der Krieg steht vor der Tür, und Hirut beobachtet, wie Kidane Waffen sammelt und eine lokale Miliz aufbaut, um der italienischen Invasion zu begegnen. Mengiste folgt diesen Ereignissen, während die Italiener immer näher an ihre Gemeinde herankommen und sich zuhause die Spannungen zwischen Aster und Kidane verschärfen. Mit der Zeit spielen sie alle eine Rolle, wobei Aster eine überraschende Führungsrolle übernimmt und Hirut sich als geschickte Kämpferin erweist. Die Miliz, mit Frauen und Kindern in unterstützenden Rollen, bereitet sich auf den Kampf vor, versteckt sich in Höhlen, versucht, den Verwundeten zu helfen und kommt der endgültigen Begegnung mit den Italienern immer näher.
Der Oman ist eine großartig gestaltete und unaufdringliche Erkundung weiblicher Macht, mit Hirut als grimmiger, origineller und brillanter Stimme im Zentrum. Maaza Mengiste haucht den komplizierten Charakteren auf beiden Seiten der Kampflinie Leben ein und formt eine herzzerreißende, unauslöschliche Erkundung dessen, was es bedeutet, eine Frau im Krieg zu sein.

4. Mädchen, Frau, etc.

Bernardine Evaristo
Klett-Cotta Verlag
512 Seiten

Leider erscheint die deutsche Übersetzung erst im Januar 2021, aber die englische Ausgabe ist ja auch im deutschen Buchhandel zu erhalten. Evaristos Roman wurde 2019 mit dem Booker Preis ausgezeichnet. In Girl, Woman, Other werden die Geschichten 12 verschiedener Frauen erzählt, deren Lebenswege sich auf unterschiedlichste Weise kreuzen. Da sind zum Beispiel Amma, eine junge Dramatikerin, deren Werke häufig ihre eigene Identität als schwarze, lesbische Frau thematisieren; Shirley, Ammas gute Freundin, deren Arbeit als Lehrerin an Londoner „Problemschulen“ sie völlig ausgelaugt hat; Carole, eine ehemalige Schülerin von Shirley, aus der eine erfolgreiche Investmentbankerin geworden ist, sowie deren Mutter Bummi, die einst vor der großen Armut in ihrem Heimatland Nigeria floh. Bei allem, was diese Figuren voneinander unterscheidet, gibt es aber doch etwas, das sie miteinander verbindet … Evaristo erzählt humorvoll, warmherzig und schlagfertig von Themen wie Klassenunterschiede, Rassismus, Identität und Frausein. Ein must-read!

5. Das Weinen der Vögel

Chigozie Obioma
Piper Verlag
512 Seiten

Das Chi, also der Schutzgeist des jungen Geflügelbauern Chinonso ruft die Götter an. Hat sein Schützling nicht alles für seine große Liebe Ndali getan? Hat er ihr auf der Brücke nicht das Leben gerettet? War es nicht ihre Familie, die Chinonso, den ungebildeten Farmer, mit Verachtung reizte? Erst diese Verachtung trieb ihn doch nach Zypern, fort von der Heimat, in der Hoffnung auf Bildung, Aufstieg und eine Zukunft mit Ndali. Und wurde nicht erst während dieser Reise Hoffnung zu Wut und Liebe zu Schuld?
Fest in der nigerianischen oralen Tradition verwurzelt, erzählt Chigozie Obioma eine universelle Geschichte, von einem, der sich gegen sein Schicksal stemmt – und gegen die gesellschaftlichen Barrieren, die seiner Liebe im Weg stehen. Das Weinen der Vögel erzählt eine so klug konzipierte und komponierte wie mitreißende und zu Herzen gehende Liebesgeschichte, die einerseits zugleich auch von nigerianischer Zeitgeschichte gesättigt ist, wie sie andererseits die Kultur und die Kosmologie des Volks der Igbo in der Struktur des Romans verankert.
Mit seinem eindrucksstarken und spannungsvollen Roman bekräftigt Chigozie Obioma seinen Ruf als eine der wichtigsten literarischen Stimmen aus der afrikanischen Diaspora.

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