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Maandys Musik sprengt traditionelle Geschlechterrollen

Maandys Musik sprengt traditionelle Geschlechterrollen
von Karen Chalamilla

„Wenn die Leute mich ansehen, möchte ich, dass sie eine Badass Bitch sehen.“ Diese Aussage ist eine Einführung in Maandys musikalische Persona. Die aus Nairobi stammende Sängerin, die nach ihrem Debütalbum und ihrem Lieblingssong Kabaya genannt wird, ist keine Unbekannte, wenn es darum geht, mit ihrer weiblichen Aura die Grenzen des kenianischen Rap zu erweitern. Auf ihrem kürzlich erschienenen zweiten Album erhebt sie weiterhin den Mittelfinger gegen traditionelle Geschlechterrollen. „Ich glaube, weil ich die Freiheit habe, in meiner Musik über alles zu sprechen, was ich will, muss ich sehen, wie weit ich es treiben kann“, sagt sie kühn, „Mann, ich will wirklich all diese Traditionen kaputt machen.“

Der Name des Albums ist eine Kombination aus zwei Identitäten, die sie verkörpert. „Das Album ist für mich sowohl sexy als auch gangsta“, erklärt sie, „die Gangsta-Seite ist die, die Risiken eingeht, und die sexuelle Seite ist, nun ja, freaky“, was zusammen Frisky ergibt. Dieses Album erzählt die Geschichten von „jungen Frauen in Nairobi“. Dabei lässt Maandy sich von ihren eigenen Erfahrungen inspirieren, um sie mit denen der Frauen in ihrem Umfeld zu verknüpfen, die den Großteil ihres Publikums ausmachen. „Die Art von Frauen, die wissen, dass sie sich dafür entscheiden können, die Grenzen auszutesten und sich das nicht zweimal sagen lassen müssen“, die das Gefühl haben dürfen, in Bestform zu sein. Und wenn das nicht der Fall ist, geben sie sich höchstens einen Augenblick Zeit, um sich schlecht zu fühlen, bevor sie wieder in den Sattel steigen. Letzteres ist für sie besonders wichtig. Maandy gibt zu, dass es eine Weile gedauert hat, bis sie auf diese Weise zu sich selbst finden konnte; sie möchte nicht, dass ihre Zuhörer:innen so lange wie sie brauchen, um sich befreit zu fühlen.

Während es bei der Veröffentlichung ihres Debütalbums eher darum ging, „Spaß zu haben und ein Werk zu haben, mit dem die Leute sie kennenlernen“, gibt sie zu, dass Frisky „eher geschäftsorientiert“ ist. Maandy ist sich bewusst, dass mit ihrem zweiten Album mehr von ihr verlangt wird; „die Qualität, der Look, der Inhalt, all das“. Und um dem gerecht zu werden, schöpft sie mit ihren Inhalten aus dem Vollen. Von Partyhits wie „Relax“ über bereits veröffentlichte Singles, mit denen die Fans schon vertraut sind „Shash na Lipgloss“ und „Sirudi Home Refix“, bis hin zu einem Freestyle „Name“ und sogar einer Gesangsperformance „Magizani“, die RnB-Künstlerin Tamias So Into You sampelt. Das Album lässt kein Genre unangetastet.

Aber trotz all ihrer Fähigkeiten ist es ihre Vorliebe für das Geschichtenerzählen, die hervorsticht. Die mehrsprachige Künstlerin wechselt zwischen Englisch und Kisuaheli, um die Zuhörer:innen in die Geschichten der einzelnen Tracks zu ziehen. In dem augenzwinkernden „Money Man“ befragt sie einen Mann über seine Fähigkeit, sie finanziell zu unterstützen (ok hii ni chance nakupea / boy child anza kujitetea). Und in dem pikanten Forbidden Fruit lässt sie uns an einem geheimen Rendezvous mit dem Mann ihrer besten Freundin teilhaben, von dem sie schwört, dass es so nicht geplant war (I swear sikupanga ikue hivi, situation got too sticky). Und im Opener des Albums, „Mambo Gani“, dreht sich der Spieß um, als sie die Geschichten anspricht, die Klatschblogs aufgrund ihrer steigenden Popularität immer wieder über sie erfinden.

Tangaza Magazine

Dieser Artikel erschien im Original bei auf Englisch bei Tangaza Magazine, einem Online-Musikmagazin für Ostafrika.

Nach dem überwältigenden Erfolg ihres ersten Albums hat Maandy das Gefühl, dass der Leistungsdruck eine ganze Reihe von Herausforderungen mit sich gebracht hat. „Die Veröffentlichung von Content kann hektisch sein“, sagt sie ganz sachlich. Ob es nun an einem verspäteten Feature liegt (weshalb auf Frisky nur Fena Gitu, Breeder LW und Ndovu Kuu zu hören sind, gesteht sie) oder einfach daran, dass die Erstellung der Inhalte oft kostspielig ist, Maandy verhehlt nicht ihre Erleichterung (und Erschöpfung) darüber, dass sie es trotz allem geschafft hat. Abgesehen von den verwaltungstechnischen Herausforderungen ist das, was sie am meisten auf die Probe gestellt hat, die zunehmend verschwimmende Grenze zwischen Maandy, der Künstlerin, und Amanda, der Frau, die vom Publikum wahrgenommen wird. „Wenn ich also Leute hier draußen treffe, die mich als Künstlerin kennen, denken sie, dass das, was ich als ‚Maandy‘ tue, vorgespielt ist, obwohl es das nicht ist.“ Das ist natürlich ein Beweis dafür, wie gut die junge Künstlerin Teile ihrer Identität angezapft hat, um diese musikalische Persönlichkeit zu kreieren. Das zeigt, wie sehr soziale Medien und die Musikindustrie miteinander verflochten sind, sodass ihre Internet- und ihre reale Persönlichkeit ineinander übergehen. Das klingt zwar nach einer guten Sache, kann aber auch von Nachteil sein. „Ich stelle mir das gerne so vor, dass man im Büro oder in seinem Freundeskreis nicht wirklich dieselbe Person ist“, erklärt sie, „bei mir ist es genauso, aber die Leute neigen dazu, das misszuverstehen und zu übertreiben. Ich weiß nicht, ob ich jemals darüber hinwegkommen werde, wie sehr mich das stört.“

Es wäre jedoch nachlässig, wenn die Künstlerin nicht zugeben würde, dass ihre Persona eine Rolle dabei spielt, wie ihre Musik und ihre Marke aufgenommen werden.“Es hilft auf jeden Fall, denn leider werden Frauen in der Gesellschaft so angesehen, dass ich weiß, dass die Art und Weise, wie ich mich gebe, dabei hilft. Es ist ein schwieriges Unterfangen, seine Sexualität als einen Akt der Rebellion zu betrachten und gleichzeitig zu wissen, dass ein Teil des Publikums das nicht so auffasst.“ Maandy räumt ein, dass es noch schwieriger ist, weil ein großer Teil ihrer Zuhörer:innen Männer sind. Aber wie das Ethos von Frisky sind es die Frauen, die das Zielpublikum für ihre Musik sind: „Ich fühle mich von niemandem unter Druck gesetzt, Kabaya zu sein, vor allem nicht von den Männern“, sagt sie mit Bestimmtheit, „ich mache meine Musik nicht für sie, ich mache sie für die Frauen.“

Karen Chalamilla ist eine 24-jährige, in Tansania geborene und aufgewachsene Kulturautorin. Ihre Arbeit befasst sich mit Popkultur, Musik, Fernsehen und Film sowie Literatur, wobei sie häufig deren Wechselwirkung mit Fragen der Rasse, des Geschlechts und der Sexualität untersucht.

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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Musik

Im Auge behalten: TRS

Im Auge behalten: TRS
von Naila Aroni

Als TRS (Triss) die Tracklist für ihre EP zusammenstellte, war die Wahl von „Respectfully“ als Leadsingle eine unbewusste Entscheidung. „Respectfully fühlt sich wie eine Art Einführung an“, sagt sie. „Damit stelle ich mich der Welt vor, und lerne mich selbst neu kennen“.

Für die junge äthiopisch-kanadische Singer-Songwriterin beruht das persönliche Wachstum, das sich in ihrem Schaffen widerspiegelt, auf Unabhängigkeit. Um als unabhängige Künstlerin in der aktuellen Szene von Vancouver zu bestehen, braucht man ein ganzes Dorf hinter sich. Besonders schwierig ist es, wenn die Menschen um einen herum nicht so aussehen und klingen wie man selbst. „In einem Viertel aufzuwachsen, in dem ich in fast jedem Raum die einzige Schwarze war, machte es so schwierig, mein Schwarzsein zu schätzen“. TRS hat sich mit der Regisseurin Andrea Nazarian zusammengetan, um uns daran zu erinnern, dass wir Selbstermächtigung nicht mit Isolation verwechseln sollten. Ihr Video würdigt die Homies und insbesondere die Schwarze Frau, die ihre Kunstfertigkeit in die Wiege gelegt hat. Während ihre Lyrik die Turbulenzen einfängt, die das persönliche Wachstum mit sich bringt, bleibt ihr sanfter Gesang seidig weich.

Wir sprachen mit TRS und Regisseurin Andrea, inwiefern „Respectfully“ einen neuen Schritt in der Entwicklung von TRS darstellt. Willkommen in der Welt von TRS.

Warum hast du 'Respectfully' als erste Single auf deiner EP ausgewählt?

TRS: Sie repräsentiert eine Version von mir, die keine Kompromisse bei ihrer Wahrheit eingeht, unabhängig davon, wie andere darüber denken. Ich hatte lange Zeit die Tendenz, die Gefühle und den Komfort anderer auf meine eigenen Kosten zu befriedigen, und das ist etwas, das ich langsam aber sicher loszulassen lerne. Im Moment ist meine Wahrheit, dass nichts und niemand vor meinen Lieben, meiner Kunst und dem Aufbau von nachhaltigem, dauerhaftem Wohlstand für mich und meine Familie kommen wird.

Könnt ihr zwei mir etwas über den Denkprozess hinter dem Video erzählen? Von der Idee über die Ausführung bis zum Abschluss.

TRS: Ich bin gesegnet mit talentierten, fähigen, strahlenden Freund:innen, von denen ich einige schon fast mein ganzes Leben lang kenne. Es war mir wichtig, dass die Beziehungen, die ich in meinen Texten erwähne, auf und neben der Leinwand vertreten waren. Ich wollte die in den Texten erwähnten Themen so weit wie möglich in die Gestaltung des Videos einbeziehen, was mit dem Team beginnt. Der Text und die Darbietung sind sorglos und unverblümt, was ein weiteres Element ist, das ich in die visuellen Darstellungen übertragen wollte. Hier kommt die B-roll ins Spiel, in der wir einfach nur chillen und wir selbst sind. Außerdem liebe ich die Landschaften, die die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, zu bieten hat, und das mussten wir ausnutzen. Andrea hat phänomenale Arbeit geleistet und einige der atemberaubendsten Aussichten, die BC zu bieten hat, ausgekundschaftet.

ANDREA: Dies ist das erste große Musikvideo von TRS, und wir haben bei der Postproduktion eng zusammengearbeitet. TRS und ich hatten mehrere Sitzungen im Schneideraum mit unserem Postproduktionsteam Red Willow, um die perfekten Clips und Momente herauszusuchen, die Performance, Ästhetik, Storytelling und Schwesternschaft in einem Gesamtpaket vereinen, das sowohl sie als auch mich anspricht – und hier ist das Ergebnis!

Wir haben das Privileg, im wunderschönen British Columbia zu leben, und wollten die unglaubliche Natur, die uns zur Verfügung steht, in dieses Video einfließen lassen. Wir wählten einen abgelegenen Strand außerhalb von Vancouver als Eröffnungsszene, um TRS als die geheimnisvolle, selbstbewusste Darstellerin zu zeigen, die sie ist. Als Gegengewicht zu der Schönheit der Natur fanden wir einen wunderschönen architektonischen Ort mit Buntglasfenstern – und nutzten diesen Raum, um TRS in einem jenseitigen Licht zu zeigen, mit farbigen Reflexen, die über ihr Gesicht tanzen, und TRS‘ auffälliges Make-up und ihre Garderobe, die ihr eine Art Alter Ego verleihen.

Tangaza Magazine

Dieser Artikel erschien im Original bei auf Englisch bei Tangaza Magazine, einem Online-Musikmagazin für Ostafrika.

Was hat dir bei den Dreharbeiten am besten gefallen?

TRS: Ehrlich gesagt… Alles. Aber ich würde sagen, der erste Dreh, bei dem wir die Aufnahmen gemacht haben, wie wir durch das Tal in Pitt Meadows fahren. Es war alles so neu und aufregend; wir hatten keine Ahnung, wohin uns dieser Prozess führen würde. Alle Beteiligten waren an diesem Tag am Set, und die Energie war unglaublich. Auch für die Girls war es das erste Mal, dass sie auf diese Weise vor der Kamera standen, und es war erstaunlich zu sehen, wie sie sich von Nervosität hin zum Wohlfühlen und zur Entfaltung ihrer inneren Schönheit entwickelten.

Du hast erwähnt, dass das Video eine Ode an die Schwarze Schwesternschaft ist. Wie wichtig war die Schwarze Schwesternschaft für dein künstlerisches Schaffen?

TRS: Ich will nicht dramatisch sein, aber die Schwarze Schwesternschaft hat mich gerettet. Ich hatte das Glück, zu einer tollen äthiopischen und eritreischen Gemeinschaft in Vancouver zu gehören und in einem Raum zu leben, in dem ich verstanden wurde, ohne mich erklären zu müssen. So sind diese lebenslangen Freundschaften entstanden. Diese Mädchen haben in meinem Leben so viel mitgemacht. Ehrlich gesagt glaube ich, dass es ein wichtiger Rettungsanker ist, (zumindest ein paar) Freund:innen zu haben, die so aussehen wie man selbst.

Welche anderen Themen behandelst du in den vier anderen Singles der EP?

TRS: Nach dem Intro entfaltet sich eine Liebesgeschichte. Sie umfasst die Übergänge zwischen den Gefühlen der Verliebtheit, der Intimität, des Herzschmerzes, der Loslösung und der Heilung, die das Durchleben einer Beziehung begleiten. Ich erkunde auch, wie Liebe und Verlust uns etwas über uns selbst lehren und zu unserem persönlichen Wachstum beitragen können. Es endet mit einer ungewöhnlichen Erklärung – einer, bei der es im Wesentlichen darum geht, sich für sich selbst zu entscheiden, ganz gleich, wie viel Liebe man für die andere Person empfindet.

Wie würdest du die Musikszene von Vancouver und ihren Einfluss auf deine Kunst beschreiben?

TRS: Die Szene in Vancouver ist frisch, innovativ und kollaborativ. Ich denke, diese neue Welle von Künstler:innen wird Vancouver auf eine Weise bekannt machen, wie es schon lange nicht mehr der Fall war. R&B und Hip Hop sind keine Genres, für die Vancouver bisher bekannt war. Vancouver ist voller Talente und war es schon immer, aber ich habe das Gefühl, dass diese Generation von Künstler:innen und Kreativen geeinter denn je ist und deshalb Geschichte schreiben wird. Und das hat mich so sehr inspiriert.  

TRS © Neena Robertson

Naila Aroni ist Juristin und Künstlerin, geboren und wohnhaft in Nairobi, Kenia. Wenn sie nicht bei der Zeitschrift Tangaza arbeitet, verbringt sie ihre Zeit damit, darüber nachzudenken, wie man nduma abschaffen kann.

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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Musik

Tetu Shani ist wiedergeboren

Tetu Shani ist wiedergeboren
von Naila Aroni
Tetu Shani hat das Gefühl, an einem Wendepunkt in seiner Karriere angelangt zu sein. Endlich kann er sich jenseits aller kommerziellen und gesellschaftlichen Erwartungen ausdrücken.
Für den mehrfach preisgekrönten Afropop- und Indie-Rock-Sänger war die Pandemie mehr als nur eine Erschütterung der Normalität. Sie veränderte sein künstlerisches Schaffen. Während Ausgangssperren und Schließungen seine Einnahmen aus Auftritten drastisch reduzierten, erkrankte er auch noch an Covid und kämpfte mit Symptomen, die seine Kreativität erbarmungslos unterdrückten.
Doch trotz dieses turbulenten Jahresbeginns sind Tetus Ehrgeiz und seine Leidenschaft für kreatives Empowerment ungebrochen. Tetus Musik wurde kürzlich für den Netflix-Soundtrack „Blood and Water“ ausgewählt. Neben seinen persönlichen Projekten schafft er weiterhin Raum für alternative Künstler:innen wie ihn, indem er im großen Stil Playlists erstellt, die derzeit eine Fangemeinde von mehreren Tausend Menschen anziehen. Seine Erfolge fühlen sich nicht wie alleinige Siege an. Wenn Tetu gewinnt, wird jede:r alternative Künstler:in, der/die einen sich in Nairobi behaupten will, mit offenen Armen empfangen.
Wir sprachen mit Tetu darüber, was ihn während der Pandemie mental bewegt hat und warum seine Karriere sich in die bestmögliche Richtung entwickelt. Unser Gespräch zeigte, warum „Mind over Matter“ der neue „Mainstream“ sein könnte.

Erzähl uns von der Entstehung deiner neuen Single 'Survive'.

„Survive“ ist im Grunde die Geschichte meiner Reise während dieser Pandemie, um emotional, physisch und spirituell am Leben zu bleiben. Das Werk, das ich jetzt veröffentliche, ist wahrscheinlich die persönlichste Musik, die ich je geschrieben habe. Wenn man an Asante Sana denkt, das ich geschrieben habe, als alles zusammenbrach, habe ich versucht, diese Gefühle der Hoffnungslosigkeit einzufangen. Furukazi war meine Antwort auf die Tatsache, dass es für kenianische Künstler kein Sicherheitsnetz gab, auf das sie sich während der Pandemie verlassen konnten. Survive spannt den Bogen meiner Erzählung über die Pandemie und den Tribut, den Hoffnungslosigkeit und finanzielle Instabilität für meine psychische Gesundheit forderten. Ich erlebte Wellen der Vergeblichkeit, in denen ich anfing, meinen Einfluss in dieser Branche und das, was im Leben wirklich zählt, in Frage zu stellen.

Wenn der Song beginnt, hört man mich sagen „straight from the marrow, from inside my bones, straight as an arrow flying to the moon“, das ist mein Ego, das sich aufputscht. Ich sage nur: „Hört zu, ich bin seriös, ich gebe einfach nicht auf“. Das ist fast so, als ob ich zum Publikum spreche und sage: „Leute, seht mal, ich bin nicht nur ein guter Künstler, sondern ich schaffe unglaubliche, zeitlose Kunst, die den Test der Lebenserwartung bestehen wird.

Hatte die Pandemie direkte Auswirkungen auf deine kreativen Prozesse?

Ich habe dies auf Twitter geteilt, aber für die Leser, die es vielleicht nicht wissen, ich habe mich vor ein paar Monaten mit Covid-19 infiziert. Ich habe mich zwar von dem Virus erholt, aber ich bin ein Langzeit-Covid-Überlebender, was bedeutet, dass ich länger als erwartet unter den weniger „üblichen“ Symptomen leide, insbesondere unter dem Kampf gegen das dumpfe Gefühl im Kopf.

Gehirnnebel fühlt sich an, als würde das Bewusstsein einfach durch den Raum treiben, ohne dass eine Bruchlandung in Sicht wäre. Das klingt dramatisch, aber das ist es auch. Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, vergesse ich buchstäblich das Thema unseres Gesprächs und denke mir: „Moment mal, normalerweise bin ich doch gesprächig. Ich weiß, wie man sich artikuliert“, und das war wirklich frustrierend. Es fühlte sich buchstäblich so an, als fehlten Dateien in meinem Gehirn.

Eines Tages spielte ich auf meinem Balkon Gitarre und vergaß den Text zu einem meiner Lieder. Es fühlte sich an wie eine beängstigende Offenbarung, bei der ich zu begreifen begann, dass dies das Ende von allem war, was ich als Singer-Songwriter kannte. Es ist wie bei einem Maler:in, der sich damit abfindet, dass er vergessen hat, wie man malt. Während dieser Zeit habe ich einfach nicht geschrieben und nicht viel gespielt. Ich habe mich einfach von der Musik zurückgezogen und mir genug Zeit gelassen, um zu heilen. Sobald ich mich besser fühlte, habe ich einfach wieder angefangen.

Tangaza Magazine

Dieser Artikel erschien im Original bei auf Englisch bei Tangaza Magazine, einem Online-Musikmagazin für Ostafrika.

In welchem "mentalen Zustand" befindest du dich gerade in Bezug auf deinen musikalischen Sound?

Ich bin im Moment an einem wirklich guten Punkt. Ich bin dabei, meine einzigartige musikalische Perspektive zu finden, was einige Leute vielleicht abschreckt, aber ich bin dabei, die beste Version von mir selbst zu entwickeln. Meine Reise als Songwriter begann damit, dass ich gute Songs über das Leben schrieb und dann herausfand, wie ich diese Musik in Texte übersetzen konnte, mit denen die Leute etwas anfangen konnten. Dann kam die Pandemie und ich merkte, dass mein bildlicher Kelch, mit dem ich andere Menschen füllte und aufmunterte, erschreckend leer war. Also wechselte ich von einer Perspektive der Sympathie zu einer des Selbstausdrucks. Jetzt mache ich Musik, die sich nach mir anfühlt, statt nach einem allgemeinen Gefühl, mit dem sich die Leute identifizieren.

Singer-Songwriter:in haben den Ruf, tiefe, melancholische Songs zu machen, die zu einem akustischen Beat gesungen werden, aber ich versuche, diese Form zu durchbrechen. Ich möchte mit der Produktion und schnellen Beats experimentieren, gepaart mit tiefen, introspektiven Texten. So ähnlich wie Outkast es mit Hey Ya! gemacht haben. Als ich Survive hörte, dachte ich laut zu mir selbst: „Yo, das ist Feuer“.

Du hast dich sehr lautstark darüber geäußert, dass Spotify alternative kenianische Künstler:in in seinen Playlists ausschließt. Warum hast du die Alt. Kenya Playlist erstellt und was wolltest du damit erreichen?

Ich war so aufgeregt, als Spotify schließlich auf unsere Märkte kam. Mit Apple Music konnte ich mich nie wirklich anfreunden, weil es sich für mich wie die Gikomba der Streaming-Plattformen anfühlt. Es gibt nur eine Menge Klamotten und Ballen und keine wirklichen Unterstützungsnetzwerke für die Musikschaffenden selbst. Wenn es darum geht, die eigene Musik zu promoten und voranzutreiben, ist Spotify allen anderen weit voraus. Es gibt eigene Video-Tutorials, die erklären, wie man seine Musik vertreibt, und Artikel von Branchenführern.

Als ich die Spotify Kenya-Playlists überflog, war ich nicht sonderlich beeindruckt. Einige der vorgestellten Künstler:innen waren nicht kenianischer Abstammung. Bei den kenianischen Künstlern:innen, die es in die Wiedergabelisten geschafft haben, handelt es sich größtenteils um bekannte Namen, die jeder bereits kennt, was den Zweck einer Wiedergabeliste und das eigentliche “ Ansprechen der Hörer“ zunichte macht.

Ich bemerkte die verpasste Gelegenheit und beschloss, eine eigene Wiedergabeliste zu erstellen, die aufstrebenden alternativen Künstlern:innen gewidmet ist, die in den Medien nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten. In wenigen Worten: Alt kenya besteht im Wesentlichen aus meinen Lieblingssongs meiner Lieblingskünstler aus dem Genre der alternativen Musik. Am meisten freue ich mich, wenn einige Künstler:innen mich anrufen und mir mitteilen, dass ihre Streams deutlich gestiegen sind, weil sie in meiner Playlist vertreten sind.

Was können die Fans bald von dir erwarten?

Ich bringe mein Debütalbum „Life Before the Apocalypse“ heraus. Es ist ein Pop-Punk-Album, das eine Hommage an die Sounds ist, die ich als Kind gehört habe, wie Red Hot Chilli Peppers und Third Eye Blind. Ich habe es vor fast drei Jahren aufgenommen. Weil ich es nicht abbezahlen konnte, liegt es seit drei Jahren auf meiner Festplatte.

Der Arbeitstitel war Heartbreak Amnesia, aber ich habe ihn geändert, denn wenn ich mir das Album jetzt im Nachhinein anhöre, erinnert es mich an eine einfachere Version meiner selbst zu einem anderen Zeitpunkt. Hoffentlich ist es nostalgisch und die Leute können sich damit identifizieren.

 

Naila Aroni ist Juristin und Künstlerin, geboren und wohnt in Nairobi, Kenia. Wenn sie nicht bei der Zeitschrift Tangaza als Redakteurin tätig ist, verbringt sie ihre Zeit damit, darüber nachzudenken, wie man nduma abschaffen kann.

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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Turunesh befeuert Ostafrikas alternative Musikszene

Turunesh befeuert Ostafrikas alternative Musikszene
von Shishi Wanj

Nachdem ich Coastal Cider gemacht hatte, wusste ich, dass es eine Weile dauern würde, bis ich wieder Musik veröffentlichen würde. Ich hatte sogar vor, dies nicht zu tun. Ich wollte wachsen, in der Welt leben, bevor ich eine neue Welt für mich und mein Publikum beschwor...

Die Singer/Songwriterin Turunesh versprüht ostafrikanischen Charme, der von ihren tansanischen und äthiopischen Wurzeln und ihrer Erziehung bis hin zu ihren künstlerischen Einflüssen gespeist wird. Nach einer zweijährigen Auszeit von der Musikszene bescherte sie uns 2021 ihre neueste Single „Cigarette“. Bislang hat sie eine Handvoll Singles veröffentlicht, zwei selbstbetitelte EPs und ihr Debütalbum „Coastal Cider“. Sie macht große Sprünge in der Live-Musikszene in Vancouver, Kanada, wo sie derzeit lebt. Wir haben uns mit ihr getroffen, um herauszufinden, was sie in ihrer Kunst antreibt, welche neue Musik sie macht und vieles mehr.

Die letzten zwei Jahre waren für die Menschheit und unseren kollektiven Gesundheitszustand sehr anstrengend. Wie hast du als unabhängige Künstlerin die Situation gemeistert?

Wie jeder andere auch, wir waren alle im Überlebensmodus. Manche Tage sind hart und andere noch härter. Meine Freunde und meine Familie haben mich bei Verstand gehalten. Sie lieben mich und ich liebe sie, wir haben das gemeinsam geschafft. Ich habe auch daran gearbeitet, mich wieder in mich selbst zu verlieben, das war die schönste Ablenkung von dem aktuellen Wahnsinn. Das Album, an dem ich arbeite, ist auch zu der Luft geworden, die ich atme. Es ist der Grund, warum ich morgens aufwache und was mir durch den Kopf geht, wenn ich mich nachts zur Ruhe lege. Ich kämpfe jeden Tag für meine Musik, das ist meine Art der Bewältigung.

Es ist eine Weile her, dass du vor "Cigarette" das letzte Mal Musik veröffentlicht hast. Was hat dich dazu inspiriert, diese Platte jetzt zu veröffentlichen?

Es war einfach höchste Zeit. Nachdem ich Coastal Cider gemacht hatte, wusste ich, dass es eine Weile dauern würde, bis ich wieder Musik veröffentlichen würde. Ich hatte sogar vor, dies nicht zu tun. Ich wollte wachsen, in der Welt leben, bevor ich eine neue Welt für mich und mein Publikum beschwor. Ich wollte, dass mich das nächste Projekt mit einer Transformation überrascht. Leider habe ich zu viel gelebt, was ich nicht geplant hatte. Ich befand mich in der Anfangsphase dessen, was eine Ewigkeit des Kummers sein wird. So ist das Leben. Leben enden nun einmal.

Tangaza Magazine

Dieser Artikel erschien im Original bei auf Englisch bei Tangaza Magazine, einem Online-Musikmagazin für Ostafrika.

Wie würdest du als Ostafrikanerin, die in Kanada lebt, die Unterschiede zwischen der dortigen und der hiesigen Gig-Szene beschreiben?

Die Stimmung in der Heimat ist definitiv unübertroffen. Allerdings sind die Szene und die Infrastruktur für alternative Musik unterentwickelt. Der Hauptunterschied ist wirtschaftlicher Natur – alternative Musik wird im Ausland besser bezahlt und verfügt über mehr Infrastruktur. Es ist auch wichtig anzuerkennen, dass sich alternative Musik ständig weiterentwickelt und nicht mehr nur ein Phänomen der Mittelschicht ist. Es gibt erstaunliche Underground-Künstler:innen, die alternative Musik in Kisuaheli für Suaheli machen und Geschichten auf eine Art und Weise erzählen, die textlich und visuell für die breite Masse nachvollziehbar ist. Das ist so verdammt aufregend, weil es beweist, dass alternative Musik in Ostafrika einen vielfältigen kulturellen Wandel darstellt und nicht nur ein Klassengefälle. Die neue Ostafrika-Welle wird sich durchsetzen, wir müssen nur dranbleiben und außergewöhnlich sein!

Siehst du dich selbst als Alté oder African Alternative Künstlerin? Wenn ja, warum? Wenn nicht, warum nicht?

Ich liebe Alté, aber nein, ich bin keine Alté-Künstlerin. Ich denke, Alté ist sehr spezifisch für ‚alternative‘ Musik im westafrikanischen Sinne. Sie ist repräsentativ für deren kulturelle Renaissance und von der Geschichte ihrer Kunst geprägt. Alternative Kunst/Musik gibt es aber nicht nur in Westafrika, ich hoffe, das ist klar. Jedes Land in Afrika durchläuft derzeit eine eigene Renaissance-Bewegung. Ich betrachte mich selbst als alternative Künstlerin aus Ostafrika, die neue Genres für die Kultur schmiedet: Neo Ngoma, Neo Swahili Soul, Neo Taraab und einige rein experimentelle Sachen, die ich noch nicht definiert habe.

Was sollen Leute empfinden, wenn sie deine Musik hören?

Ich möchte, dass sie das Gefühl haben, über sich hinauszuwachsen. Wenn meine Musik jemanden an einen unvorhersehbaren Ort in seinem Kopf bringen kann und ihm hilft, in eine Welt zu entkommen, die er sich selbst ausgedacht hat, dann habe ich es geschafft. Wenn ich vor einem Publikum auftrete, möchte ich, dass es sich so fühlt wie mein Lied Afrodite – ein gefühlvoller Widerhall des Geistes.

If i ever go missing, you can find me beneath your skin
- Afrodite

Visuelles Storytelling ist offensichtlich sehr wichtig für dein künstlerisches Schaffen. Wie findest du die richtigen Leute, die dich visuell repräsentieren? Und erfüllen sie immer deine Erwartungen?

Ich habe die Führung, wenn es um die kreative Richtung meiner Bilder geht, das ist sehr wichtig für mich. Ich führe leidenschaftlich gerne Regie und bin eine Fachfrau für Fotografie und Film, so dass ich mich sehr für das visuelle Ergebnis meiner Musik interessiere. Ich führe hauptsächlich auf dieselbe intuitive Weise Regie, wie ich meine Songs schreibe, die bewegten Bilder kommen zu mir wie die Texte, aber ich schaffe natürlich nicht in einem Vakuum. Ich habe ein unglaubliche tolles Team. Ich bin so dankbar für sie, besonders für eine Frau, Jenn Xu, meine Co-Kreativdirektorin. Sie ist mein Fels in der Brandung, eine wahre Freundin und eine Mit-Träumerin. Ich bin auch dankbar für Jan, den Regisseur, der an das Cigarette-Musikvideo geglaubt hat, als es sonst niemand tat, und der mir geholfen hat, meine Vision auf so beeindruckende Weise umzusetzen.

Wie bringst du deinen Job und deine Musikkarriere unter einen Hut, besonders während der Pandemie?

Man schläft einfach nicht. Ich habe den Dreh des Cigarette-Musikvideos um 4:30 Uhr beendet, war um 5:30 Uhr im Bett und wachte um 7 Uhr auf, um um 9 Uhr meine Frühschicht anzutreten. Es fühlte sich an, als wäre ich den ganzen Tag über stoned gewesen. Ich kann mich nicht beschweren, denn ich habe mir dieses Leben ausgesucht, und ich träume definitiv von dem Tag, an dem ich mich nur noch auf die Musik konzentrieren kann, das ist mein ultimatives Ziel.

Gibt es zu Beginn der zweiten Jahreshälfte irgendwelche zukünftigen Projekte, auf die sich deine Fans freuen können?

Ja, und es wird wunderschön werden. Das ist alles, was ich sagen kann.
Shishi Wanj ist eine Macherin aus Nairobi, Kenia, die eine wichtige Rolle beim Kuratieren und Bekanntmachen verschiedener (meist alternativer) Künstler:innen aus der Kreativszene spielt. Da sie von Beruf Schriftstellerin und DJ ist, hat sie eine andere Perspektive auf kulturelle Räume, Menschen, Nuancen und Notwendigkeiten.
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Im Auge behalten: Sema Sole

Im Auge behalten: Sema Sole
von Kalanzi Kajubi

Sema Sole ist ein vielschichtiger MC aus Kigali, Ruanda. Sein lyrischer Stil ist düster und doch eindringlich, typischerweise rappt er zu Post-Trap-Instrumentals. Wie die meisten anderen Hip-Hopper des Landes rappt er fast ausschließlich in der Landessprache Kinyarwanda, aber mit einer Intention, die ihn von seinen Zeitgenossen abhebt.

Dies kommt besonders auf seiner Debüt-EP Bururu zum Ausdruck, die im Sommer veröffentlicht wurde. Bururu, was übersetzt „blau“ bedeutet, ist eine 5-Song-Introspektion über Depression und ihre vielen Phasen, in deren Mittelpunkt die Geschichte eines wohlhabenden, aber unerfüllten Mannes steht, der alles verliert.

Auch ohne die Sprache zu verstehen, ist der Ton des Projekts sehr klar artikuliert, sogar bis hin zum Cover, das unseren nackten Protagonisten zeigt, der Geld blutet, während er durch eine schattige blaue Umgebung läuft. Semas heisere Stimme ist das perfekte Gefäß für die gewichtigen Themen des Albums, und die Produktion ist großangelegt genug, um seine mundvollen Verse unterzubringen.

Wir haben uns mit Sema getroffen, um mehr darüber zu erfahren, wie seine Musik entstanden ist.

1. Wer ist Sema Sole? Was ist die Geschichte oder Bedeutung hinter deinem Namen?

Mein Kumpel Manzi und ich unterhielten uns eines Tages, und ich erzählte ihm, dass ich in meiner Musik nicht meinen richtigen Namen verwenden wollte, auch nicht den alten Namen, den ich benutzte, als ich 2015 mit dem Rappen anfing, nämlich das inzwischen zum Schreien komische „DK-47“, das eigentlich auch von Manzi erfunden wurde. Ich erzählte ihm, dass ich darüber nachdenke, „Sema“ zu verwenden, was auf Suaheli „sprechen“ bedeutet. Seine Augen leuchteten auf, dann sagte er: „Was ist mit Sema Sole?“ Ich hatte erwartet, dass die Leute denken würden, es stecke eine besondere Bedeutung dahinter, aber es ist wirklich nur der Klang, der mich überzeugt hat. Außerdem fühlt sich der Name wie eine Tabula Rasa an, die die Kreativität nicht einschränkt.

2. Wann hast du angefangen, Musik zu machen? Wie ist dein Weg bisher verlaufen?

Ich habe 2015 meinen ersten Song aufgenommen. Für einen ersten Song war er ehrlich gesagt gut, der Aufnahmeprozess war anstrengend, aber ich war von einer Menge Begeisterung angetrieben. Als Hip-Hop-Enthusiast hatte der bereits erwähnte Manzi damals gerade mit dem Rappen angefangen und ermutigte mich immer wieder, es auch zu versuchen.

Ich nahm eine kleine Auszeit und beschloss, eine Musikpause einzulegen, um meine Selbstzweifel zu überwinden. In der Zwischenzeit habe ich mich vom Musiker zum Schüler gewandelt und konsumiere und nehme bei jeder Gelegenheit Musik auf. So habe ich nicht nur mehr Wertschätzung für andere experimentelle Genres wie Soul, Jazz, Blues und Rock entwickelt, sondern auch aktiv mein Handwerk verfeinert.

Während des ersten Lockdowns traf ich mich wieder mit Manzi, der ebenfalls eine Pause vom Rappen genommen hatte, allerdings aus anderen Gründen. Er ist die einzige Person, die an meine Kunst geglaubt hat, auch wenn ich selbst nicht daran geglaubt habe. Ich schrieb Verse zu Beats und nahm sie mit meinem Handy auf. Ein paar Sessions später veröffentlichte ich meinen ersten Song „Ignis“ als Sema Sole mit meinem lieben Freund und einem meiner Lieblingsacts in der Hip-Hop-Szene von Kigali, Mazimpaka Prime, der überwältigend positiv aufgenommen wurde. Außerdem habe ich mich im letzten Sommer wieder mit meinem Freund Reddy getroffen, der Produzent ist. Manzi, Reddy und ich haben beschlossen, ein Kollektiv zu gründen, das wir „Mellow Couch“ nennen. Unsere Vision für Mellow Couch ist es, alles einzubeziehen, was wir uns in der aktuellen Musikszene wünschen. Das befindet sich alles noch in der Anfangsphase, aber ich freue mich, dass unsere Vision Gestalt annimmt.

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3. Du scheinst die Welt, die du um deine Musik herum aufbaust, sehr bewusst zu gestalten, vor allem was die Gestaltung des Covers und die Auswahl der Beats angeht. Kannst du uns an deinem kreativen Prozess teilhaben lassen?

Mein kreativer Prozess beginnt in der Regel mit der Suche nach dem richtigen Beat. Die Auswahl des Beats ist sehr wichtig, weil der Beat die Richtung vorgibt, in die ich mit dem lyrischen Inhalt gehen werde; der Gesangston, die Kadenz usw. Meine Kriterien sind einfach. Wenn mich ein Beat beim ersten Anhören nicht provoziert oder erregt, dann ist er nicht der richtige. Punkt. Das kommt nicht oft vor, deshalb bin ich bei Beats sehr wählerisch.

Die Intention ist mein Kompass. Obwohl ich mehr Englisch als Kinyarwanda spreche, habe ich mich bei der Arbeit an Kama selbst herausgefordert, den gesamten Song in Kinyarwanda zu komponieren. Nach der Veröffentlichung von Kama war die Resonanz so positiv, dass ich mich inspirieren ließ, die EP in Kinyarwanda zu singen. Damals wusste ich noch nicht, wohin mich dieses Konzept führen würde, aber die Absicht ist eine Reise und kein Ziel. Ich schloss mich schließlich mit Credo Hope zusammen, der Designerin, die mir einen Katalog von Kunstwerken zeigte, an denen sie gearbeitet hatte, und das Cover der EP sprach mich sofort an. Ich habe sie gebeten, dafür zu sorgen, dass Geld auf dem Rücken der Muse fliegt, was meiner Meinung nach das EP-Cover visuell stimmig macht.

4. Die EP enthält keine Features. War das auch beabsichtigt?

Ich habe mich bei der EP für ein Soloalbum entschieden, weil ich meine künstlerische Bandbreite voll ausschöpfen und einfach meinen Raum haben wollte. Ich habe das Gefühl, dass die EP auch ziemlich persönlich ist, sodass keine andere Stimme außer meiner notwendig war, um meine inneren Gefühle zu vermitteln.

5. Welche Künstler:innen haben am meisten Einfluss auf deinen Sound?

Die ersten Künstler, die mir in den Sinn kommen, sind Kendrick Lamar, Tyler, the creator, Kanye West, Andre 3000, Nirvana, The Beatles, Earl Sweatshirt und Billie Eilish. Mein Sound wurde auch stark von Kamaliza, Cecile Kayirebwa, Teta Diana, Nkurunziza Francois, Gatikabisi alias Don Nova, Bushali und B-Threy beeinflusst. Während ich mich ständig von lokalen Künstler:innen inspirieren lasse, war die Ausweitung meiner Einflüsse über meine Heimatkultur hinaus die notwendige Verbindung zwischen der Festigung meiner Wurzeln und der Entwicklung meines Sounds.

6. Können wir bald ein Video von dir erwarten?

Auf jeden Fall! Ich habe ein Video für Vutu gedreht. Ich hoffe, dass ich es bald veröffentlichen kann. Ich gebe zu, dass ich etwas nervös bin, weil ich nicht weiß, wie es ankommen wird. Es ist das erste Mal, dass ich mich mit visuellen Mitteln beschäftige, und der Prozess ist ein großer Sprung aus meiner Komfortzone. Das Wichtigste ist aber, dass die Leute genauso viel Spaß daran haben wie ich an dem Song.

7. Wie kam es zur Entstehung von Bururu?

„Bururu“ ist das Wort für die Farbe Blau in Kinyarwanda. Die EP fängt im Wesentlichen die wechselnde Stimmung eines Menschen ein, der die verschiedenen Phasen einer Depression durchläuft. Die Vergesslichkeit während eines vorübergehenden Hochs, die sich von „yota“ bis zum plötzlichen Ende der Musik in „bwije“ erstreckt, und die Ernüchterung, als es in „iBururu“ wieder in den Blues zurückgeht. Ich verwende die Metapher von Reichtum und Armut, um dies zu vermitteln. Der Mann beginnt in „Yota“ (was frei übersetzt so viel heißt wie „wenn sie in der Sonne baden“, was bekanntlich eine morgendliche Aktivität ist) damit, dass er davon spricht, wie er es selbst geschafft hat und wie schiere Willenskraft und Selbstbestimmung ihm den Reichtum gebracht haben, den er jetzt hat. Es klingt, als wäre er gerade erst aus der Armut herausgekommen (es ist morgens, kurz nach Einbruch der Dunkelheit), sodass in seiner Haltung immer noch Elemente der Akzeptanz dessen enthalten sind, wie schmerzhaft Armut sein kann, während die Erinnerung an die Nacht noch frisch ist. Er setzt diese Zurschaustellung in Kama fort, was das kinyarwanda Wort für „Melken“ ist. Kühe sind in der ruandischen Kultur ein Symbol für Reichtum. Seinem Tonfall nach klingt er jedoch bequemer und selbstbewusster in Bezug auf seinen Reichtum und sein Wohlergehen, und er ist davon überzeugt, dass sein Erfolg sein eigener Verdienst ist und dass er sich selbst aus seinem vergangenen Unglück befreit hat. In „Vutu“, dem Kinyarwanda-Wort für „Fresskoma“, kommt als Höhepunkt dieses Wohlbefindens die hohe Energie des Tracks und ein hohes Maß an Selbstvertrauen in der Darbietung und noch mehr Prahlerei im Text. Das Wohlbefinden und das Hochgefühl setzen sich im folgenden Stück kurz fort, bevor die Musik abrupt endet, nachdem uns die beiden Stimmen am Ende des Zwischenspiels verraten, dass es bereits Nacht ist. Sie klingen überrascht, wie schnell die Nacht hereingebrochen ist, das Wort „Bwije“ bedeutet übersetzt „es ist Nacht“. Dies führt zum letzten Stück „iBururu“, was übersetzt „beim Blues“ heißt… unser Protagonist findet sich nun arm und bettelnd wieder und beklagt sich darüber, dass er alles im Leben versucht hat, aber kein Glück hatte und das Leben bedeutungslos geworden ist. Damit steht er in scharfem Kontrast zu seiner Haltung in den früheren Stücken. Das Cover vermengt die Metapher mit dem Hauptthema der Depression, wie man an der Art und Weise erkennen kann, wie das Geld aus dem Rücken unseres Charakters fliegt, während er sich vor Schreck in diesem blauen Reich fast nackt wiederfindet.

Ich habe in der Vergangenheit mit Depressionen zu kämpfen gehabt, und in der EP fange ich die unterschiedlichen Haltungen ein, die ich in den verschiedenen Phasen meiner Depression hatte. In den vorübergehenden Hochs vergaß ich, wie schlimm die Tiefs waren, bis ich wieder in den Abgrund geworfen wurde. Es ist wirklich ein Aufruf, sich nicht von den Umständen beeinflussen zu lassen, wie man dem Leben gegenüber steht, auch wenn das leichter gesagt als getan ist.

8. Erzähl mir von der Entscheidung, ausschließlich in Kinyarwanda zu rappen. Du hast einmal erwähnt, dass du versucht hast, auf Englisch zu rappen, aber festgestellt hast, dass es für dich natürlicher ist, auf Kinyarwanda zu rappen.

Das Dilemma ist, dass ich Englisch viel besser beherrsche, aber es gefällt mir viel besser, wie ich auf Kinyarwanda klinge. Ich kann in ziemlich kurzer Zeit gute Verse auf Englisch schreiben, aber wenn ich sie dann singe, muss ich immer ganz viele Aufnahmen machen, weil ich es hasse, wie ich bestimmte Wörter ausspreche. Und normalerweise gebe ich mich nach einer Million Takes zufrieden, ohne wirklich zufrieden zu sein. Ich glaube, das liegt daran, dass sich mein Akzent sehr von dem der Rapper unterscheidet, mit denen ich aufgewachsen bin, sodass ich mir selbst zuhöre und dann immer denke, dass es bescheuert klingt. Bei Kinyarwanda nehme ich mir mehr Zeit, um eine Strophe zu schreiben, und wenn ich sie aufnehme, mache ich einen einzigen Take. Ich hätte nie gedacht, dass ich in der Lage sein würde, ausschließlich in Kinyarwanda zu rappen, bis ich es ausprobiert habe. Ich bin immer noch unsicher, ob ich die Sprache fließend beherrsche. Ich höre viele meiner Zeitgenossen in Kinyarwanda, die Wörter und Ausdrücke benutzen, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existieren. Es ist befriedigend zu sehen, wie sich Menschen, die die Sprache nicht kennen, mit meinen Liedern identifizieren. Ich dachte, ich würde ein Publikum verlieren, aber die Leute verstehen mich immer noch.

9. Wie ist es, in Ruanda Musik zu machen? Wie sieht die kreative Szene dort aus?

Es ist eine sehr aufregende Zeit, um hier in Ruanda Musik zu machen. Vor allem der Hip-Hop hat sich stark weiterentwickelt, weg vom sehr monotonen Old-School/Hardcore-Hip-Hop, der jahrelang vorherrschend war, hin zu einer größeren Vielfalt. Andere alternative Klänge sind aufgetaucht und haben sich durchgesetzt, und die Fangemeinde unserer Künstler:innen wächst auch in der Region. Es ist spannend zu sehen, was die nahe Zukunft bringt.

10. Was steht für dich als Nächstes an?

Ich arbeite weiter an meiner Musik. Das sehr positive Feedback auf diese EP hat mich dazu gebracht, noch mehr zu arbeiten. Ich werde weiterhin Musik über Singles und Kollaborationen mit Mellow Couch und anderen Künstler:innen veröffentlichen. Ich arbeite gerade an meinem Debütalbum. Ich versuche, mir damit Zeit zu lassen, da ich mich selbst noch mehr herausfordern möchte. Hoffentlich kann ich es noch vor Ende des nächsten Jahres veröffentlichen.
Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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