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Der Ort, an dem die Reise endet
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Ein mutiger, brutaler und schöner Roman über eine versehrte Familie

Wenn wir uns nicht gemeinsam den Geistern unserer unbewältigten Vergangenheit, unseren von der Politik genährten Gewaltnarrativen und dem vorsätzlichen Schweigen stellten, waren wir als Volk und als Land in existenzieller Gefahr.

Immer wieder hören wir, dass Menschen den Debütroman von Yvonne Adhiambo Owuor noch nicht gelesen haben, deswegen müssen wir ihn hier einfach noch einmal vorstellen!
So viel verrät uns der Klappentext:

Kenia, 2007. Odidi Oganda, ein hochtalentierter Student, wird in den Straßen Nairobis erschossen. Seine Schwester Ajany kehrt aus Brasilien zurück, um mit ihrem Vater seinen Leichnam nach Hause zu überführen. Doch die Heimkehr auf die verfallene Farm im Norden des Landes hält keinen Trost für sie bereit. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen, die der Mord heraufbeschworen hat und die Familie im Griff halten: an die koloniale Gewaltherrschaft und die blutigen Auseinandersetzungen nach der Unabhängigkeit. Ajanys Mutter flieht von Wut und Trauer erfüllt in die Wildnis. Und ihr Vater muss sich einer brutalen Wahrheit stellen. Doch im Moment größter Verzweiflung entsteht auch etwas Neues: Eine Liebe – oder zumindest eine Verbindung – nimmt ihren Anfang. ›Der Ort, an dem die Reise endet‹ ist ein großer Roman über eine versehrte Familie und ein zerrissenes Land. Mit einer Sprache, die einem den Atem raubt, voller Kraft und Intensität, erzählt Yvonne Adhiambo Owuor eine Geschichte von universeller Dringlichkeit – eine Geschichte von Macht und Täuschung, von unerwiderter Liebe und dem bedingungslosen Willen zum Überleben.

Buch Cover

Wie Razak Gurnah im Guardian feststellt, steht im Mittelpunkt des Romanes die Frage danach, was es braucht, um vergangenes Unrecht zu verzeihen. Dabei verfällt Owuor aber nicht in Pathos oder oberflächlichen Emotionalismus, sondern schreibt in einfühlsamer, manchmal auch karger und spröder Sprache (wie die Wüste, in dem ein Großteil der Handlung spielt) einen moralischen Kompass für ihre Landsleute, die in einem von Kolonialismus und einer gewaltvollen jüngeren Geschichte zerrissen Kenia leben. Der Ort an dem die Reise endet, ist ein feiner, mitfühlender Roman, der die Komplexität menschlicher Beziehungen ergründet.
Hier eine kleine Leseprobe:


Später, an der Universität, stieß er auf Fela Kutis Lieder - ihren kompakten Zorn: Aye, aye, aye ... I no go agree make my brother hungry, make I no talk...
Er ernannte sich selbst zum Erben Thomas Sankaras und trug eine unnötige Brille, die an Patrice Lumumbas erinnerte.
Drei Semester später fuhr Odidi heim nach Wuoth Ogik. An seinem dritten Abend in der Familie holte Odidi Oganda die Kalaschnikow, die sein Vater ihm fünf Jahre zuvor geschenkt hatte, nahm sie auseinander, warf Nyipir die Teile vor die Füße und sang: Aye, aye, aye... I no go agree make my brother hungry, make I no talk...
Schweigen.
Nyipir beugte sich über die Teile.
Schweigen.
Später, zwischen den Hieben der Nilpferdlederpeitsche, die an Odidis Körper leckte, beschwor ihn Nyipir: "Der einzige... Krieg, den du kämpfst... ist der für das, was dir gehört. Du kannst nicht die Lieder von Menschen leben, die deinen Namen nicht kennen."
Odidi versuchte, seinen Körper zu schützen, wartete auf eine Gelegenheit, Baba seitlich zu tackeln, und vergaß dabei, dass der ein erfahrener Soldat war. Sie wälzten sich über den Boden. Knack. Odidis linker Arm, sein Wurf-Arm, brach. In Odidis ersticktem Schmerz, der Tod der hochfliegenden Rugby Träume, die er, wie ihm erst jetzt klar wurde, gehegt hatte. Er erinnert sich, wie Ajanyi mit den Armen wedelte und in dem vergeblichen Bemühen, "Stopp!" zu schreien, wieder und wieder Sttttttttttttt stammelte. Akai-ma fluchte auf Turkana und flehte Gott und sämtliche katholische Heilige an, diesen Wahnsinn zu bezeugen. Sie erbot sich, ihnen ihr nacktes Hinterteil zu zeigen. Ein Fluch. Doch dann schlug Galgalu mit dem langen, dicken Hirtenstab zwischen Vater und Sohn. Zack!
Danach war Ruhe.
Viel, viel später.
Ein Vater flehte flüsternd seinen fliehenden Sohn an: Bleib. Bitte, bleib.
Der Sohn ging.
Ohne eine Antwort und einen Blick zurück.

Anfang Oktober fiel Yvonne Owuor durch eine ehrliche, wütende und für Europäer:innen sehr unbequeme Rede zur Eröffnung der Konferenz „Colonialism as Shared History. Past, Present, Future„, die vom Auswärtigen AMt mitorganisiert wurde, auf:

Yvonne Owuor

Ein vergessener Scherbenhaufen: die Streifzüge kolonialer Phantome

Das ging ordentlich nach hinten los: In ihrer Eröffnungsrede für die internationale Konferenz „Colonialism as Shared History. Past, Present, Future“ wehrt sich Yvonne A. Owuor heftig gegen die Idee einer gemeinsamen Vergangenheitsbewältigung. Mit den Geistern der eigenen kolonialen Schuld müsse Europa selbst einmal fertig werden, und seine Schuldigkeit durch Reparationen und eine gerechtere Wirtschaftsweise begleichen.

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