Kategorien
Musik

TRAPSTATION von Sabi Wu & Korb$

Auf 'TRAPSTATION' fangen Sabi Wu & Korb$ die Essenz der 2. Shrap-Generation ein
von Mesh Mwandishi

Das neue gemeinsame Projekt TRAPSTATION von Sabi Wu und Korb$ ist ein Album, das unbestreitbar Spaß macht. Für die einen ist es die Geschichte ein paar stigmatisierter Jugendlicher. Für andere ist es ein klassisches Beispiel für das Szenario „Geist versus Körper“. Aber der explosive Inhalt ist kein guter Ausgangspunkt für diese Diskussion.

Hip-Hop-Fans haben gemeinsame Mixtapes schon immer geliebt, ob es Jay Z & Kanye West auf OTIS oder Future & Young Thug auf Super Slimy sind. Die Vorstellung, dass zwei MCs, für ein ganzes Projekt zusammenkommen, macht die Fans einfach verrückt. In der Ära des melodischen Trap-Raps sind diese gemeinsamen Mixtapes jedoch immer häufiger zu hören. Auf internationaler Ebene haben wir gesehen, wie Future ganze Projekte mit Lil Uzi Vert und Juice WRLD (RIP) gemacht hat. Hier in Kenia hat Jovie Jovv diese Kunst perfektioniert und scheint in dieser Hinsicht die Shrap-Bewegung anzuführen.

Die Geburt der 2. Shrap-Generation

Wie die meisten Dinge im Jahr 2020 hat auch die kenianische Musikszene gelitten. Aber es gelang ihr auch, neue Stars hervorzubringen. Eine zweite Generation von kenianischen Rappern wurde aus der Langeweile der Abriegelung geboren. Kahu$h, Chiefgeng, Sabi Wu, Korb$ und Lil Maina kamen alle ungefähr zur gleichen Zeit hervor. Ihre Geschichten ähneln sich. Man stelle sich einen jungen Mann vor, dessen Studium auf unbestimmte Zeit unterbrochen wurde und der nun viel Zeit hat. Er hat schon mal Musik gemacht, aber nicht sehr “ intensiv „, um es mal so zu sagen. Also geht er ins Aufnahmestudio! Alle der Genannten begannen, ihre Liebhaberprojekte zu veröffentlichen. Mit ihrem Elan und dem Drive hinter ihren Songs haben sie nun die Herzen der Hip-Hop-Fans in Nairobi erobert.

Um auf dem ostafrikanischen Markt einen Hit zu landen, ist ein Musikvideo wesentlicher Bestandteil des Projektes. Songs mit Bildmaterial werden im Fernsehen gespielt, die aus dem Fernsehen wiederum im Radio und von beliebten DJs. Lange Zeit war es wirklich schwer, einen Hit zu landen, der nicht von einem Video begleitet wurde. Da die Mittelschicht wächst und die Technologie immer zugänglicher wird, erfreut sich die kenianische Musik immer größerer Beliebtheit – ein guter Zeitpunkt eigentlich, um in das Game einzusteigen.

Aber genau deshalb sind diese Rapper so herausragend. Sie haben Hits gemacht, die immer wieder gestreamt wurden, ohne dass sie für einige ihrer größten Hits auch nur eine Sekunde Bildmaterial brauchten. Songs wie „Iwake“, „Fanya Like This“ und jetzt „Rass Life“ und „Wacha Nirest“ von diesem Album, über das wir hier sprechen, erzielen phänomenale Zahlen auf Streaming-Plattformen. Diese jungen Leute haben einen Umschwung eingeleitet, bei dem die Fans anfangen, auch einmal kenianische Projekte wertzuschätzen und zu konsumieren. Sie machen es sich so einfach, indem sie der Musikwelt die Stirn bieten. Unglaublich und fantastisch.

Tangaza Magazine

Dieser Artikel erschien im Original bei auf Englisch bei Tangaza Magazine, einem Online-Musikmagazin für Ostafrika.

Sabi Wu &Korb$ bringen unterschiedliche Dinge in dieses Album ein. Korb$ steht mehr auf melodischen Rap als jeder seiner oben genannten Kollegen. Paradoxerweise liefert er auch mit der tiefsten Stimme und Intonation. Sabi Wu hingegen ist ein Takt-für-Takt-Rapper, der selten Melodien verwendet. Allerdings hat er ein ausgeprägtes Rhythmusgefühl, daher seine eingängigen Hooks und ein Flow, der musikalisch anregend ist. 

Sie beginnen das Projekt mit dem Track „Movin Different“, der ein starkes Bekenntnis zu ihrem Wunsch ist, sich in der Branche abzuheben. Danach widmen sie sich jugendlichen Themen wie dem Partyleben, Drogen und Drogenkonsum, Liebe, Sex und Romantik. Doch wie bereits erwähnt, kann und wird die Auseinandersetzung mit diesen Themen unterschiedlich interpretiert. Dieser Unterschied in der Interpretation ist vielleicht nicht ausschließlich die Schuld der Fanbase. Die Rapper greifen dieselben Themen auf, aber aus unterschiedlichen Blickwinkeln. In den Liedern „Hatari“ und „Size Yako“ übernehmen die beiden Rapper Rollen, die den Hype-Party-Lifestyle preisen, während sie in „Gone Clear“ und „Pesa Huisha“, den letzten beiden Tracks, einen gemäßigteren Ansatz vertreten. Diese paradoxe Sichtweise der Künstler verleiht dem Projekt mehr Tiefe, etwas, das Kritiker:innen dieser Art von Rap nicht ohne Weiteres zutrauen würden. Die internationale Hip-Hop-Gemeinde hat in der Debatte um „reinen Hip-Hop“ oder „Trap“ eine parteiische Position eingenommen, und das gilt auch für die Fans in der Heimat. Einige Rapper wurden als „coole Kids“ abgestempelt und in eine Schublade gesteckt. Es wird oft behauptet, dass diese Art von Rappern Geschichten erzählen, die nichts mit dem „normalen“ Leben zu tun haben. Oder dass ihre Musik zu amerikanisch sei. Mit diesen Vorwürfen sind die Kritiker:innen kaum in der Lage, sich intensiv mit den Themen zu befassen, sondern konzentrieren sich auf die Art der Präsentation und die gewählte Sprache. Die zweite Shrap-Generation ist bereits auf diese Weise verteufelt worden.

Aber ein Buch sollte nicht nach seinem Cover beurteilt werden! Das Album hat eine Vielzahl von Sounds, die mit den Trap-Beats vermischt sind. „Size Yako“ zum Beispiel wird auf einem Gengetone-Beat vorgetragen, und „Wacha Nirest“ ist im Wesentlichen ein kenianischer Trap-Beat mit subtilem Drumming und Modifikationen, die ihn zu einem Drill-Tune machen. „Size Yako“ ist ein Liebeslied, das Frauen mit Übergröße feiert und ihre Schönheit unterstreicht. Diese Botschaft ist wichtig, besonders wenn sie von Männern kommt. „Summer Girl“ und „My Lover“ sind R & B-Tracks mit vielen Suaheli-Texten. Sie behandeln die Themen Liebe und Beziehungen. In dem Song „Summer Girl“ übernimmt Korb$ die Rolle eines reumütigen Liebhabers, der sich für einen Streit entschuldigt. Der Grund für den Streit ist eindeutig ein Alkoholproblem. Auf „Rass Life“, in dem Kahu$h mitwirkt, diskutieren sie das Thema Dreadlocks. „Rass“ ist ein gängiges Sheng (Slang) Wort für eine Person mit Dreadlocks. Es ist eine Abkürzung von Rastafarian. Mit einer komischen Herangehensweise (gängig unter den jungen Shrappern) sprechen sie darüber, wie ihre Gesellschaft Menschen mit Dreadlocks behandelt. Sie machen sich über die Mythen und Missverständnisse über Menschen mit Dreadlocks lustig – wie sie bestenfalls als Gesetzesbrecher und schlimmstenfalls als Terroristen angesehen werden. Der Song ist auch eine Hommage an die Jugend und das Leben im Moment ohne Hemmungen. Ein Vers der Hook lautet: „We spend that money ‚fore we make it, It’s the rass life!”

Gegen Ende des Albums wird die Stimmung etwas ernster. Die letzten drei Songs werden von nachdenklichen Themen getragen. Selbst die Beats, die für diesen letzten Abschnitt ausgewählt wurden, sind nachdenklich. In „Yummy Freestyle“ mit den beiden Chiefgeng-Mitgliedern und Sambo geht es um tiefgründige Themen wie Ruhm, echte Freundschaft, musikalisches Wachstum und andere Dinge, die von allen Rappern auf dem Album angesprochen werden. „Gone Clear“ und „Famous vol. 2“ sind Reflexionen über den Ruhm und wie er das Leben der Künstler, die das Album gemacht haben, verändert hat. „Pesa Huisha“ schließt das Projekt mit einer süßen, verträumten Melodie ab. Es stellt eine der ältesten Fragen, die sich Künstler stellen: Würden ihre Liebhaber:innen ohne den Ruhm oder das Geld noch genauso für sie empfinden?

Alles in allem ist dies ein großartiges Album. Die zweite Shrap-Generation hat von einigen Leuten einen schlechten Ruf weg bekommen, aber sie lassen sich nicht einfach hängen. Mit kleinsten Budgets und ohne Plattenvertrag, ja sogar ohne Visuals, schaffen sie es, immer mehr Nummern zu machen. Sie sind die Zukunft des kenianischen Hip-Hop, und wer sie abschreibt, tut dies auf eigene Gefahr.

Mesh Mwandishi, ein junger Hiphop-Enthusiast. Ich liebe ostafrikanischen Hiphop, der so viele Subgenres und Geschmacksrichtungen hat. Ostafrikanischer Rap muss erst noch entdeckt und auf der Weltbühne anerkannt werden, aber wenn es soweit ist, werde ich da sein und allen sagen: Ich habe es euch gesagt!

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

Weiterlesen »
Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

contribute

Du hast Fragen, Kritik oder Themenvorschläge für akono? Dann schreib uns gerne.
Kategorien
Literatur

Der Ort, an dem die Reise endet

Der Ort, an dem die Reise endet
-
Ein mutiger, brutaler und schöner Roman über eine versehrte Familie

Wenn wir uns nicht gemeinsam den Geistern unserer unbewältigten Vergangenheit, unseren von der Politik genährten Gewaltnarrativen und dem vorsätzlichen Schweigen stellten, waren wir als Volk und als Land in existenzieller Gefahr.

Immer wieder hören wir, dass Menschen den Debütroman von Yvonne Adhiambo Owuor noch nicht gelesen haben, deswegen müssen wir ihn hier einfach noch einmal vorstellen!
So viel verrät uns der Klappentext:

Kenia, 2007. Odidi Oganda, ein hochtalentierter Student, wird in den Straßen Nairobis erschossen. Seine Schwester Ajany kehrt aus Brasilien zurück, um mit ihrem Vater seinen Leichnam nach Hause zu überführen. Doch die Heimkehr auf die verfallene Farm im Norden des Landes hält keinen Trost für sie bereit. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen, die der Mord heraufbeschworen hat und die Familie im Griff halten: an die koloniale Gewaltherrschaft und die blutigen Auseinandersetzungen nach der Unabhängigkeit. Ajanys Mutter flieht von Wut und Trauer erfüllt in die Wildnis. Und ihr Vater muss sich einer brutalen Wahrheit stellen. Doch im Moment größter Verzweiflung entsteht auch etwas Neues: Eine Liebe – oder zumindest eine Verbindung – nimmt ihren Anfang. ›Der Ort, an dem die Reise endet‹ ist ein großer Roman über eine versehrte Familie und ein zerrissenes Land. Mit einer Sprache, die einem den Atem raubt, voller Kraft und Intensität, erzählt Yvonne Adhiambo Owuor eine Geschichte von universeller Dringlichkeit – eine Geschichte von Macht und Täuschung, von unerwiderter Liebe und dem bedingungslosen Willen zum Überleben.

Buch Cover

Wie Razak Gurnah im Guardian feststellt, steht im Mittelpunkt des Romanes die Frage danach, was es braucht, um vergangenes Unrecht zu verzeihen. Dabei verfällt Owuor aber nicht in Pathos oder oberflächlichen Emotionalismus, sondern schreibt in einfühlsamer, manchmal auch karger und spröder Sprache (wie die Wüste, in dem ein Großteil der Handlung spielt) einen moralischen Kompass für ihre Landsleute, die in einem von Kolonialismus und einer gewaltvollen jüngeren Geschichte zerrissen Kenia leben. Der Ort an dem die Reise endet, ist ein feiner, mitfühlender Roman, der die Komplexität menschlicher Beziehungen ergründet.
Hier eine kleine Leseprobe:


Später, an der Universität, stieß er auf Fela Kutis Lieder - ihren kompakten Zorn: Aye, aye, aye ... I no go agree make my brother hungry, make I no talk...
Er ernannte sich selbst zum Erben Thomas Sankaras und trug eine unnötige Brille, die an Patrice Lumumbas erinnerte.
Drei Semester später fuhr Odidi heim nach Wuoth Ogik. An seinem dritten Abend in der Familie holte Odidi Oganda die Kalaschnikow, die sein Vater ihm fünf Jahre zuvor geschenkt hatte, nahm sie auseinander, warf Nyipir die Teile vor die Füße und sang: Aye, aye, aye... I no go agree make my brother hungry, make I no talk...
Schweigen.
Nyipir beugte sich über die Teile.
Schweigen.
Später, zwischen den Hieben der Nilpferdlederpeitsche, die an Odidis Körper leckte, beschwor ihn Nyipir: "Der einzige... Krieg, den du kämpfst... ist der für das, was dir gehört. Du kannst nicht die Lieder von Menschen leben, die deinen Namen nicht kennen."
Odidi versuchte, seinen Körper zu schützen, wartete auf eine Gelegenheit, Baba seitlich zu tackeln, und vergaß dabei, dass der ein erfahrener Soldat war. Sie wälzten sich über den Boden. Knack. Odidis linker Arm, sein Wurf-Arm, brach. In Odidis ersticktem Schmerz, der Tod der hochfliegenden Rugby Träume, die er, wie ihm erst jetzt klar wurde, gehegt hatte. Er erinnert sich, wie Ajanyi mit den Armen wedelte und in dem vergeblichen Bemühen, "Stopp!" zu schreien, wieder und wieder Sttttttttttttt stammelte. Akai-ma fluchte auf Turkana und flehte Gott und sämtliche katholische Heilige an, diesen Wahnsinn zu bezeugen. Sie erbot sich, ihnen ihr nacktes Hinterteil zu zeigen. Ein Fluch. Doch dann schlug Galgalu mit dem langen, dicken Hirtenstab zwischen Vater und Sohn. Zack!
Danach war Ruhe.
Viel, viel später.
Ein Vater flehte flüsternd seinen fliehenden Sohn an: Bleib. Bitte, bleib.
Der Sohn ging.
Ohne eine Antwort und einen Blick zurück.

Anfang Oktober fiel Yvonne Owuor durch eine ehrliche, wütende und für Europäer:innen sehr unbequeme Rede zur Eröffnung der Konferenz „Colonialism as Shared History. Past, Present, Future„, die vom Auswärtigen AMt mitorganisiert wurde, auf:

Yvonne Owuor

Ein vergessener Scherbenhaufen: die Streifzüge kolonialer Phantome

Das ging ordentlich nach hinten los: In ihrer Eröffnungsrede für die internationale Konferenz „Colonialism as Shared History. Past, Present, Future“ wehrt sich Yvonne A. Owuor heftig gegen die Idee einer gemeinsamen Vergangenheitsbewältigung. Mit den Geistern der eigenen kolonialen Schuld müsse Europa selbst einmal fertig werden, und seine Schuldigkeit durch Reparationen und eine gerechtere Wirtschaftsweise begleichen.

contribute

Du hast Fragen, Kritik oder Themenvorschläge für akono? Dann schreib uns gerne.