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Fotografie

Zakaria Mtilk

Vagabond with roots
by Zakaria Mtilk

There are places where the harmony with people, the elements and the passing of time is so deeply rooted in us that it creates identity. Every being, every corner, every alley, every change of light, every time of day is then revealed in a random interplay, a grace that strikes the eye and the heart.

I was born and raised in Essaouira, where I trained myself to be a photographer, both culturally and photographically. My excursions through the city and its surroundings, always with my camera in hand, are one big homage to this city. But not only that. It is also its inhabitants who, with their depth, joy, openness and distance, create a fertile field of observation in which time no longer plays a role. This rich heritage is constitutive for me as a photographer.

Day after day, incessantly, I undertake a journey into my inner being to try to extract the essence: capturing a moment that makes visible the multifaceted identity of this place where life shows itself so uniquely. Each photo I choose is a return to Morocco, a vibrant gratitude towards this land so favourable to my visual, affective and emotional unfolding.

Zakaria Mtilk is a Moroccan photographer living in Essaouira. We meet him in a hair salon. Although it is already past 8 pm, it is still light in Essaouira and the salon offers a pleasant shelter from the rough wind blowing through the streets. While the shaving machine hums and the hair falls to the floor, Zakaria enthusiastically tells us about life in Essaouira and his work as a street photographer.

What do you like about your city?

I love Essaouira because it gives me everything I could wish for: Security, stability, the good taste, lifestyle, cultural and spiritual enrichment. And Morocco in general inspires me, but Essaouira even more because it is a city of all colours and religions and nationalities. I love Essaouira very much.

How do you work? Do you deliberately go on photo tours or do you always have your camera with you in everyday life?

To be honest, photography is part of my everyday life. Even when my mother just sends me out shopping, I take my camera with me so that I don’t miss a scene. A friend of mine who is a photographer in Paris once said to me, „Zack, when you leave the house, you always have your keys with you.“ And he told me that it should be the same with the camera. „Keys open doors, your camera will open worlds for you.“

What kind of images or impressions arouse your interest? Which motifs interest you?

The images that the world presents to me. It is the life of the people on the street, how they move, how they work, and also the attitude of the people towards the world.

Is there an intention behind your compositions? Why do you photograph in black and white?

It’s a pure feeling. The composition comes automatically. I don’t look for it too much. I like the bio-geometry of life. I don’t strive for the photos to be perfect, I take things as they come. Life is the true artist in my eyes.

I use black and white photography to guide the viewer to certain emotions or themes, and not to be distracted by the colours. And I also think it is timeless. And because I am inspired by Cartier-Bresson, Rebert Douano, Elliott Erwitt, Sabine Weiß.

What do you document in your pictures? How is Essaouira changing?

Everything changes all the time: the clothes, the habits, the culture, the people who will one day be gone … everything interests me. I walk in my city, Essaouira, and I see many tourists with their cameras, but they only take holiday photos. So I took the initiative and the responsibility to make a photo archive for the history of the people of Essaouira. And I like to do it. Essaouira will become like a brand, like a clothing store with cars, and we have to be careful not to fall into the same mistakes as Marrakech. Let’s keep the city wild and with its soul!

How would you describe the light in Essaouira?

Aaaaah, the light. For me, it’s the secret of a successful photo. Experienced photographers say that Essaouira is a photographer’s paradise, in the early morning and in the afternoon from 5:30pm onwards it is magical here, especially with the white houses even brighter.

How does Russian literature, which you love, influence your work?

Yes, Russian literature opened my eyes to many things. Gogol and Dostoyevsky and especially Michael Bulgakov – The Master and Margarita. Life is beautiful, but it can also be cruel and hard. I have had experiences in the books that I could never have imagined. When you read, you have pictures in your head. And when you see pictures, words come with them. Injustice, misery, joy, jealousy, shame, but also harmony and serenity.

Zakaria Mtilk is a Moroccan photographer with an obsession for observing human nature. For cooperation requests, please write to akono or to Zakaria directly.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Fotografie

Zakaria Mtilk

Vagabund mit Wurzeln
von Zakaria Mtilk

Es gibt Orte, in denen die Harmonie mit den Menschen, den Elementen und den Zeitabläufen so tief in unseren Wurzeln verankert ist, dass sie identitätsstiftend wirkt. Jedes Wesen, jede Ecke, jede Gasse, jede Veränderung des Lichts, jede Tageszeit zeigt sich dann in einem zufälligen Rendezvous, einer Anmut, die das Auge und das Herz trifft.

Ich bin in Essaouira geboren und aufgewachsen, wo ich mich sowohl kulturell als auch fotografisch fast vollständig autodidaktisch in Fotografie gebildet habe. Meine Ausflüge durch die Stadt und ihre Umgebung, immer mit der Kamera in der Hand, sind eine einzige Hommage an diese Stadt. Aber nicht nur das. Es sind auch ihre Einwohner, die mit ihrer Tiefe, Freude, Offenheit und Distanz ein fruchtbares Beobachtungsfeld schaffen, in dem die Zeit keine Rolle mehr spielt. Dieses reiche Erbe ist konstitutiv für mich als Fotografen.

Tag für Tag, ununterbrochen, unternehme ich eine Reise in mein inneres Wesen, um zu versuchen, die Essenz zu extrahieren: das Festhalten eines Augenblicks, der die vielfältige Identität dieses Ortes, an dem sich das Leben so einzigartig zeigt, sichtbar macht. Jedes Foto, das ich auswähle, ist eine Rückkehr nach Marokko, eine vibrierende Dankbarkeit gegenüber diesem Land, das so günstig für die visuelle, affektive und emotionale Entfaltung ist.

Zakaria Mtiilk ist ein marokkanischer Fotograf, der in Essaouira lebt. Wir treffen ihn in einem Friseursalon. Obwohl schon nach 20 Uhr, ist es immer noch hell in Essaouira, und der Salon bietet einen angenehmen Schutz vor dem rauen Wind, der durch die Straßen weht. Während die Rasiermaschine brummt und die Haare auf den Boden fallen, erzählt uns Zakaria voller Begeisterung vom Leben in Essaouira und von seiner Arbeit als Straßenfotograf.

Was gefällt dir an deiner Stadt?

Ich liebe Essaouira, weil es mir alles gibt, was ich mir wünschen kann: Sicherheit, Stabilität, den guten Geschmack, Lebensart, kulturelle und spirituelle Bereicherung. Und Marokko im Allgemeinen inspiriert mich, aber Essaouira noch mehr, weil es eine Stadt aller Farben und Religionen und Nationalitäten ist. Ich liebe Essaouira sehr.

Wie arbeitest du? Gehst du bewusst auf Fototour oder hast du deine Kamera auch im Alltag immer dabei?

Ehrlich gesagt ist das Fotografieren Teil meines Alltags. Selbst, wenn meine Mutter mich bloß auf die Straße zum Einkaufen schickt, nehme ich meine Kamera mit, damit mir keine Szene entgeht. Ein Freund von mir, der Fotograf in Paris ist, sagte einmal zu mir: „Zack, wenn du das Haus verlässt, hast du doch immer die Schlüssel bei dir.“ Und er sagte mir, dass es mit der Kamera genau so sein sollte. „Schlüssel öffnen Türen, deine Kamera wird dir Welten eröffnen.“

Welche Art von Bildern oder Eindrücken wecken dein Interesse? Welche Motive interessieren dich?

Die Bilder, die mir die Welt vor Augen führt. Es ist das Leben der Menschen auf der Straße, wie sie sich bewegen, wie sie arbeiten, und auch die Einstellung der Menschen zur Welt.

Steckt eine Absicht hinter deinen Bildkompositionen? Warum fotografierst du in Schwarz-Weiß?

Das ist ein reines Gefühl. Die Komposition kommt automatisch. Ich suche sie nicht zu sehr. Ich mag die Bio-Geometrie des Lebens. Ich strebe nicht an, dass die Fotos perfekt sind, ich nehme die Dinge so, wie sie kommen. Das Leben ist der wahre Künstler in meinen Augen.

Schwarz-Weiß-Fotografie nutze ich, um den Betrachter zu bestimmten Emotionen oder Themen zu leiten, und sich nicht von den Farben ablenken zu lassen. Und ich finde auch, dass sie zeitlos ist. Und weil ich von Cartier-Bresson, Rebert Douano, Elliott Erwitt, Sabine Weiß beeinflusst bin.

Was dokumentierst du auf deinen Bildern? Wie verändert sich Essaouira?

Alles ändert sich ständig: die Kleidung, die Gewohnheiten, die Kultur, die Menschen, die eines Tages verschwunden sein werden … alles interessiert mich. Ich gehe in meiner Stadt Essaouira spazieren und sehe viele Touristen mit den Kameras, die aber nur Urlaubsfotos machen. Also habe ich die Initiative und die Verantwortung übernommen, ein Fotoarchiv für die Geschichte der Menschen von Essaouira zu machen. Und ich mache das gerne. Essaouira wird wie eine Marke werden, wie eine Kleiderkammer mit Autos, und man muss aufpassen, dass man nicht in die gleichen Fehler wie Marrakesch verfällt. Bewahren wir uns die Stadt wild und mit ihrer Seele!

Wie würdest du das Licht in Essaouira beschreiben?

Aaaaah, das Licht. Für mich ist es das Geheimnis eines gelungenen Fotos. Erfahrene Fotografen sagen, dass Essaouira ein Paradies für Fotografen ist, am frühen Morgen und am Nachmittag ab 17:30 Uhr ist es hier magisch, besonders mit den weißen Häusern, die noch heller sind.

Hat die russische Literatur, die du magst, einen Einfluss auf deine Arbeit?

Ja, die russische Literatur hat mir die Augen für viele Dinge geöffnet. Gogol und Dostojevski und vor allem Michael Bulgakov – Der Meister und Margarita. Das Leben ist schön, aber es kann auch grausam und hart sein. Ich habe in den Büchern Erfahrungen gemacht, die ich mir nie hätte vorstellen können. Wenn man liest, hat man Bilder im Kopf. Und wenn man Bilder sieht, kommen auch Wörter dazu. Ungerechtigkeit, Elend, Freude, Eifersucht, Scham, aber auch Harmonie und Gelassenheit.

Zakaria Mtilk ist ein marokkanischer Fotograf mit einer Obsession dafür, die menschliche Natur zu beobachten. Für Kooperationsanfragen schreiben Sie bitte an akono.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Fotografie Verschiedenes

Im Gespräch mit Williams Chechet. Historisch bedeutsame Pop-Art aus Nigeria

Im Gespräch mit Williams Chechet. Historisch bedeutsame Pop-Art aus Nigeria
von Tony Ola

Williams Chechet ist ein Künstler aus Lagos, der für seine lebhaften animierten Porträts von politisch und gesellschaftlich wichtigen Persönlichkeiten Nigerias und von kulturellen Ikonen bekannt ist. In seinen Werken schwingen Bezüge zur Pop Art von Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat mit. Im Dezember 2020 eröffnete er seine umfangreichste Ausstellung „Hyperflux“, die bis März 2021 in der Galerie Retro Africa zu sehen war. Als digitaler Künstler zeigt Chechet mit seinen futuristischen Werken neue Wege auf, um trotz infrastruktureller und wirtschaftlicher Hindernisse Geschichte und Politik in Afrika zu hinterfragen. Er lädt das Publikum dazu ein, darüber nachzudenken, wie digitale Medien es marginalisierten Menschen ermöglichen, sich mit ihrer Regierung auf eine Art und Weise auseinanderzusetzen, die sich auf die Politikgestaltung auswirkt und wesentlich zur kulturellen Globalisierung beiträgt.
Im Gespräch mit Williams Chechet gibt der Künstler Einblicke in seine Praxis und seine Inspirationen. Bei meiner Arbeit als Kurator in Lagos achte ich besonders auf aufstrebende und etablierte Künstler, die Technologie nutzen, um neue Denkweisen zu fördern. Das erste Mal begegnete ich Chechets Werk 2017 bei seiner ersten Einzelausstellung. Sein Erfolgstrend ist offensichtlich, denn ich spreche mit ihm zu einem Zeitpunkt, an dem er sich die Macht der Technologie und der Kunst eindeutig zunutze gemacht hat.

Williams Chechet, “Big Man”, 2019. Giclee Print on Archival Paper. Courtesy of Artist and Retro Africa.

Was hat Sie motiviert und auf Ihren künstlerischen Stil gebracht?

Mein Stil basiert auf der Geschichte und Entwicklung Nigerias. Als Kind faszinierten mich die Geschichtsbücher und Landkarten meines Vaters, und ich hörte gerne Geschichten über Nigeria aus der Zeit vor der Unabhängigkeit, darüber, wie der berühmte „Riese von Afrika“ entstand. Diese frühen Erfahrungen führten dazu, dass ich die Geschichte als meine visuelle Sprache annahm und mein Ziel verfolgte, die Menschen über die Geschichte Nigerias aufzuklären, indem ich kulturelle Ikonografie und Archivbilder einsetzte und gleichzeitig Elemente der Pop-Art und Pop-Kultur einfließen ließ.

Gibt es einen nigerianischen politischen Führer, der Sie stark beeinflusst hat?

Vielleicht Tafawa Balewa, der erste Premierminister von Nigeria. Als einer der wenigen gebildeten Nigerianer seiner Zeit war er ein lautstarker Verfechter der Rechte der nördlichen Region Nigerias. Tafawa Balewa spielte eine wichtige Rolle bei der Einigung der Nation auf dem Weg zur Unabhängigkeit im Jahr 1960.

Wie reagieren Sammler:innen auf Ihre Arbeiten, die hauptsächlich mit digitalen Medien arbeiten und futuristische Werke schaffen?

Die Sammler:innen reagieren positiv auf meine Arbeiten und sind immer von der Geschichte und der Richtung fasziniert. Manche Sammler:innen sind jedoch zögerlich und skeptisch, wenn es darum geht, meine Werke zu kaufen, weil es sich um Drucke handelt. Ich glaube, dass der Markt für digitale Kunst in Nigeria noch im Wachstum begriffen ist und mehr Unterstützung braucht. Ich habe mehr internationale als einheimische Sammler:innen, die meine Arbeit auch finanziell wertschätzen.

Wie wählen Sie die Archivbilder aus, die Sie in Ihre Arbeit einbeziehen?

Das Aufwachsen in Kaduna hat meine Verwendung von Archivbildern stark beeinflusst, da ich mich von Natur aus zu Porträts hingezogen fühle, die die Kultur feiern und traditionelle Insignien zeigen. Die Bilder in meiner Arbeit sind Verweise auf mein nördliches Erbe, insbesondere auf das Durbar-Fest, das das Ende des Ramadan markiert.

Was hat Sie dazu gebracht, Werke wie "Girls Like You" und "Hype Beast" zu schaffen?

Der Einfluss von Frauen wird in den nigerianischen Geschichtsbüchern übersehen und ist unterrepräsentiert. Wir leben leider in einer von Männern dominierten Gesellschaft, in der Frauen als minderwertig angesehen und behandelt werden. Ich glaube fest an die Gleichberechtigung der Geschlechter und lehne die Wahrnehmung von Einfluss und Kontrolle einer Gruppe über eine andere ab. „Girls Like You“ würdigt den Beitrag und den Einfluss von Frauen in der Gesellschaft und ermutigt junge Frauen von heute, zu träumen und zu wissen, dass sie Großes erreichen können. „Hyper Beast“ beleuchtet die stilvollen traditionellen afrikanischen Frauen und ihre Bestrebungen, Luxusmode zu tragen.

Was war in Ihrer künstlerischen Laufbahn, die sich über zwei Jahrzehnte erstreckt, Ihr größter Höhepunkt?

Es war eine bahnbrechende Erfahrung und jeder Schritt auf meiner Reise war ein Highlight. Mein Motto ist, immer weiter zu lernen und neue Wege zu finden, mich auszudrücken. Angefangen beim Zeichnen mit Buntstiften als Kind, über das Malen in meinen frühen künstlerischen Jahren, bis hin zur Verwendung von Computersoftware, um futuristische Werke zu schaffen. Wenn ich zurückblicke, ist es interessant, die Entwicklung meiner Arbeit und das positive Feedback zu sehen, das ich von den unterschiedlichsten Zuschauer:innen erhalten habe.

Tony Ola ist Kunstkurator und Gründer von Art Bridge Project, einer Plattform, die sich der Förderung und Betreuung von Künstler:innen von morgen widmet. Er nutzt die Kunst, um die kulturelle und persönliche Identität sowie das Wachstum und innovatives Denken in Afrika und der Diaspora zu fördern.

Instagram:
@tonyola_007
@artbridgeproject

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Leben mit Behinderung

Leben mit Behinderung
von Nader Adem

Meine Fotoserie Life as a Disabled Person ist eine Sammlung, die die Herausforderungen und die Entschlossenheit der Behindertengemeinschaft in Addis Abeba zeigt. Die Schwarz-Weiß-Bilder spiegeln einen Teil der Gesellschaft wider, der oft übersehen wird, und erzählen die Geschichte einer Gemeinschaft, die sich bemüht, ihre körperlichen Einschränkungen zu überwinden und die allgemeine Wahrnehmung ihrer Fähigkeiten zu hinterfragen. Diese Fotografien bieten einen Einblick in das Leben der stimmlosen Bewohner von Addis Abeba vor dem Hintergrund des städtischen Chaos.

Tsehaynesh © Nader Adem, courtesy of the artist
The painter © Nader Adem, courtesy of the artist
Hope © Nader Adem, courtesy of the artist
I have a Dream © Nader Adem, courtesy of the artist
My Team © Nader Adem, courtesy of the artist

Nader Adem ist ein Fotograf aus Addis Abeba. Er fotografiert seit 2012 Portraits und Reportagen, arbeitet aber auch als Werbefotograf.
Nader Adem auf Instagram
www.naderadem.com

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Blick Bassy

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Anajina

Anajina
von Nader Adem

Dies ist die Geschichte einer historischen Stätte und einer einzigartigen kulturellen Tradition, die seit Jahrhunderten im Süden Äthiopiens existiert.

Meine erste Begegnung mit Anajina liegt über 20 Jahre zurück, als ich zum ersten Mal ein Foto in einer Zeitschrift sah, die mein Vater von seiner Reise nach Äthiopien mitgebracht hatte. Ich war beeindruckt von der Schönheit der Stätte, ihrer weißen Farbe und ihrer einzigartigen Architektur, ohne eine Ahnung von ihrer kulturellen oder religiösen Bedeutung zu haben.

From the series Anajina ©Nader Adem. Courtesy of the artist

Die Erinnerung an diese erste Begegnung kam im Juli 2016 zurück, als ich auf dem Flughafen Bale auf meinen Flug nach Frankreich wartete. Ich sah in einer Sammlung von Fotos touristischer Attraktionen Äthiopiens wieder diese faszinierende Stätte. Diesmal beschloss ich, eine Reise zu unternehmen und diesen Ort zu erkunden, nicht nur, um neue Gegenden in meinem Land kennenzulernen, sondern auch als Fotograf, der auf der Suche nach einer neuen, noch nicht erzählten Geschichte ist. Motiviert wurde ich auch durch die Tatsache, dass ich der erste äthiopische Fotograf sein würde, der visuell die Geschichte dieser Stätte erzählt. Schon viele ausländische Fotograf:innen hatten sich diesem Sujet gewidmet, doch es gab keine Arbeiten von lokalen Fotograf:innen. Nach vier Monaten Recherche und einer zweitägigen Reise von Addis Abeba aus erreichte ich den Ort.

From the series Anajina ©Nader Adem. Courtesy of the artist

Eine Pilgerstätte für Tausende

Tausende von Menschen aus vielen Teilen Äthiopiens strömen zweimal im Jahr nach Anajina, um zu Gott zu beten und an religiösen Ritualen teilzunehmen, um Segen und geistige Erneuerung zu erhalten. Dire Sheikh Hussein oder (Anajina), wie es in der Oromo-Sprache heißt, ist eine heilige Stätte in Bale, im südlichen Teil Äthiopiens. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist nach einem hoch verehrten und geachteten muslimischen Gelehrten namens Sheikh Nur Hussein benannt, der für seine religiösen Lehren, seine große Hingabe und seine bemerkenswerten Wundertaten bekannt war. Es wird geglaubt, dass Gott denjenigen, die die lange und tückische Reise durch Berge und Wüsten auf sich genommen haben, seit Jahren immer wieder beisteht.

From the series Anajina ©Nader Adem. Courtesy of the artist

Anajina ist jedoch einer großen Bedrohung durch diejenigen ausgesetzt, die eine puritanischere Version des Islams befürworten, während der Einfluss des Wahhabismus in der Region zunimmt.

Zur Zeit meiner Ankunft trafen viele Pilger:innen ein, um sich auf das Fest Eid Arafah vorzubereiten, eines der beiden jährlichen Feste in der Region.
Die Pilger kommen gewöhnlich am Nachmittag des ersten Tages in Anajina an, um die Feierlichkeiten am Abend und in der Nacht zu genießen. Sie rezitieren Gedichte, die Gott und Scheich Nur Hussein preisen, schmücken ihr Gesicht mit der weißen Kreide des Ortes als religiöse Pflicht zur Einhaltung der rituellen Praktiken und beten durch ihn zu Gott, in der Hoffnung, dass ihre Wünsche nach spiritueller Erneuerung bald erfüllt werden.

From the series Anajina ©Nader Adem. Courtesy of the artist

Anajina ist ein Ort der Wallfahrt, des Sufismus und der ästhetischen, architektonischen und sozialen Werte, die für die kulturelle Vielfalt in Äthiopien stehen.

From the series Anajina ©Nader Adem. Courtesy of the artist
Nader Adem ist ein Fotograf aus Addis Ababa. fotografiert seit 2012 Portraits und Reportagen, arbeitet aber auch als Werbefotograf.
Nader Adem auf Instagram
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Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Die Intensität der Identität eines diasporischen Künstlers

Die Intensität der Identität eines diasporischen Künstlers
von Will Furtado
Nuno Silas ist ein in Mosambik geborener deutscher Maler, Bildhauer und Fotograf, der in seinen Performances und Installationen die physischen, psycho-geografischen und politischen Komponenten seines nomadischen Lebensstils erforscht. Im Interview spricht er über seine Arbeit.

WF: Du hast in verschiedenen Ländern und Kontinenten gelebt. Wie hat das deine Praxis in Bezug auf die Medien, die du erforschst, geprägt?

Nuno Silas: Ich bin in den 1990er Jahren in Maputo aufgewachsen, einer postkolonialen, kosmopolitischen, modernen Stadt mit einer lebendigen Kulturszene. Von klein auf habe ich mich für das Reisen interessiert. Als ich erwachsen wurde, beschloss ich, mir den Wunsch nach unterschiedlichen Erfahrungen und Kulturen zu erfüllen. Der Aufenthalt an verschiedenen Orten und in verschiedenen Kulturen hat Auswirkungen darauf, wie wir die Welt verstehen. Manchmal schlage ich mir selbst vor, doch mal mit diesem vorläufigen Verständnis der Orte, an denen ich mich aufhalte, gemischt mit meinem kulturellen Hintergrund künstlerisch zu arbeiten. Ich interessiere mich vor allem für Übungen des psychischen Automatismus und für die Fotografie, die eine fiktive Vorstellung von etwas oder einem Gefühl vermittelt. Folglich bietet sie eine Reihe von Möglichkeiten, einen neuen Diskurs und eine neue Bedeutung zu schaffen. Manchmal versuche ich jedoch, ein Überdenken zu vermeiden, da ich mit inneren Impulsen arbeite: Ich fotografiere mein Porträt, überlagere es mit einem weiteren, verpixle es und schichte es anschließend und mache visuelle Darstellungen, die mit einem Gefühl des Begehrens, erstickten Körpern, Gewalt und manchmal mit spirituellen Kräften, die im Körper wirken, verbunden sind.

Du hast eine experimentelle Einstellung zur Fotografie. Welche Entwicklung hast du dabei gemacht?

NS: Experimentierfreude ist für meine konzeptionellen Ideen von grundlegender Bedeutung. Der Prozess des Ausprobierens bietet mir vielfältige Möglichkeiten, verschiedene Techniken zu erforschen. Andererseits ermöglicht er mir, eine neue Definition von Kunst und einzigartige zeitgenössische Darstellungen der Welt rund um Migration, Identität und Macht vorzuschlagen. Wenn Sie meine Arbeit betrachten, können Sie Ideen der Wiederholung des „Selbst“ erkennen. Ich nehme die Blicke, die mir als Schwarzer afrikanischer Einwanderer in Europa zugeworfen werden, sensibel wahr. Diese Praxis untersucht die Konstruktion meiner Schwarzen Identität, indem sie die Darstellung des Schwarzen Körpers in der Kunst auf vielfältige Weise zeigt. Dies ist die Entwicklung meiner künstlerischen Praxis. Wenn ich über visuelle Improvisation und Wiederholung nachdenke, geht es darum, Gefühle zu simulieren und zu fragen: Wer bin ich? Die Beantwortung dieser Frage ist eine besondere politische Übung der Selbstdarstellung.

Nuno Silas, aus der Serie The Intensity of Identity, 2019-2020. Courtesy the artist.

Du stellst in deiner Arbeit oft dein eigenes Bild nach, aber es repräsentiert nicht immer dich selbst. Könntest du mir mehr über deine Darstellung des Schwarzen Körpers erzählen und wie du dich entscheidest, ihn in Bezug auf dein Publikum zu erforschen?

NS: In der postkolonialen Welt ist der Schwarze Körper zu einem Forschungsthema in verschiedenen Bereichen geworden, insbesondere in der Diaspora und in der künstlerischen Darstellung Afrikas, die eine kritische Betrachtung von Kolonialismus und Rassismus nach sich zieht. Diese kritische Betrachtung zielt darauf ab, unser Verständnis und Bewusstsein für Schwarze Geschichte und visuelle Kunst zu erneuern, eine Assoziation von Symbolen zu schaffen, einen zeitgenössischen Diskurs vorzuschlagen und eine dekoloniale Erzählung zu entwickeln.

In Critique of Black Reason (Kritik der Schwarzen Vernunft) argumentiert Achille Mbembe, dass der Schwarze Körper mit einer spezifischen Geografie und physischen Elementen verbunden ist, die mit der rassischen Bedingung – Fremdheit, Minderwertigkeit und „Primitivismus“ – assoziiert werden. Diese wiederum stehen in Beziehung zu Konzepten von Macht, Klasse und Geschlecht. In meinen Arbeiten reflektiere ich also über den Prozess des Widerstands und der Verhandlung von Raum, nicht als Aktivist, sondern als Künstler, und stelle die Frage, warum die Phänomenologie Schwarzer Menschen oft mit dem Kampf für etwas verbunden ist, umgeben von einer unsicheren Atmosphäre. Und manchmal beschäftigen sich meine Arbeiten mit imaginären, repräsentativen Gefühlen.

Nuno Silas, aus der Serie The Intensity of Identity, 2019-2020. Courtesy the artist.

In meiner Arbeit geht es darum, einen Weg zu finden, Schwarzsein zu verstärken – die Schwarze Erfahrung darzustellen, indem ich eine Reflexion über die physischen, psycho-geografischen und politischen Bestandteile meines Zustands vorschlage. Ich habe darüber nachgedacht, Schwarze Identitäten auszudrücken, ohne andere Menschen zu fotografieren oder zu imitieren. In Intensity of Identity verwende ich zum Beispiel mich selbst als künstlerisches Objekt. Ich untersuche verschiedene Probleme der menschlichen Existenz, indem ich Identität in verschiedenen Formen abbilde, nachstelle und behandle, um verschiedene Bedeutungen auszulösen. Ich habe Werke geschaffen, die ein Imaginäres widerspiegeln können, eine symbolische Art und Weise, Ideen von Erstickung, Trauma und Macht vorzuschlagen, nicht als Unfall, sondern als eine ästhetische Wahl für einen ästhetischen Effekt. Ich glaube, dass diese Porträts mehrere Bedeutungen haben. Sie verändern sich je nach dem Interpretationskontext, in den sie gestellt werden. Ich glaube, dass die Kunst die Macht hat, eine neue Art und Weise zu entwickeln, die Welt zu lesen. Meine visuellen metaphorischen Darstellungen legen Schmerz und Trauer frei.

Nuno Silas, aus der Serie The Intensity of Identity, 2019-2020. Courtesy the artist.
Nuno Silas besucht derzeit den Masterstudiengang African Verbal and Visual Arts and Curatorial Studies an der Universität Bayreuth, wo er ein Stipendium der Calouste Gulbenkian Foundation, Portugal, erhält. In seinen Performances und Installationen erforscht er die physischen, psycho-geografischen und politischen Komponenten seines nomadischen Zustands. Instagram Facebook

Contemporary &

Dieses Interview erschien im Original auf englisch bei Contemporary &.

Blick Bassy

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Fotografie

Osun Osogbo

Ọ̀sun Òṣogbo
von Adetolani Davies

Fotograf Adetolani Davies berichtet für akono mit Wort und Bild vom traditionellen Yoruba-Festival Ọ̀sun Òṣogbo, das jedes Jahr im August von tausenden Menschen gefeiert wird.

Das Ọ̀sun Òṣogbo ist ein jährliches Fest, das in der westnigerianischen Stadt Òṣogbo vom Yoruba-Volk des Staates Ọ̀sun veranstaltet wird. Es ist als das größte traditionelle Yoruba-Festival bekannt und zieht jedes Jahr im August weltweit Tausende von Zuschauer:innen und Gläubigen an. Es wird zu Ehren der Ọ̀sun gefeiert, einer Göttin der Weiblichkeit, Fruchtbarkeit, Spiritualität, der Emotionen, Sinnlichkeit, Fürsorge und Liebe. Ọ̀sun Òṣogbo ist ein zweiwöchiges Programm. Es beginnt mit der traditionellen Reinigung der Stadt namens „Iwopopo“, auf die nach drei Tagen das Anzünden der 500 Jahre alten Sechzehnspitzenlampe namens „Ina Olojumerindinlogun“ folgt. Dann folgt die „Iboriade“, eine Zusammenstellung der Kronen der früheren Herrscher und Ataojas von Òṣogbo, um die Gottheit um Segen zu bitten.

©Karma the Great / Adetolani Davies

Das Fest wurde vor etwa 600 Jahren von den Einheimischen der Gemeinde Òṣogbo ins Leben gerufen. Eine Begebenheit, die der Entstehung des Festes vorausging, besagt, dass einige Menschen in die Region Òṣogbo zogen und die Umgebung für die Besiedlung säuberten. Sobald sie damit begannen, wurden sie von einem Geist des Flussgottes Ọ̀sun vertrieben, woraufhin sich der Ort in eine heilige Kultstätte für die Anhänger verwandelte, und seither ist das Fest eine wichtige Tradition und Notwendigkeit im Yoruba-Land Òṣogbo.

©Karma the Great / Adetolani Davies

Für die Einheimischen bedeutet das Fest mehr als nur Feiern; es bedeutet Erneuerung des Glaubens, Schutz und Zuversicht, während einige andere es als Touristenattraktion betrachten. Das Fest wird von den traditionellen Gläubigen als ein Ort der spirituellen Wahrsagung und Lösung angesehen; die meisten Besucher sind Menschen, die eine Lösung für ihre jeweilige Notlage suchen, da die Göttin Ọ̀sun als mütterlich und barmherzig angesehen wird. Die Menschen erreichen den königlichen Palast mit Hoffnungen und Gebeten im Herzen, während ein ernannter Ausschuss von Priesterinnen die Menge auf einen ereignisreichen Marsch zur heiligen Grove vorbereitet – eine spirituelle Prozession, die ein energiegeladenes Spiel, Tanzen, Trommeln und traditionelle Lobreden umfasst, die sich über Stunden hinziehen können. Dieses Ritual wird von einer jungen königlichen Jungfrau namens ARUGBA angeführt – einem Teenager, der aus dem Geschlecht des Königs ausgewählt wurde. Sie ist dafür verantwortlich, ein Opfer auf dem Kopf zu tragen, das der Gottheit als Sühne dargebracht wird. Die ATAOJA von Òṣogbo und Yeye Òsun und ein Komitee von Priesterinnen weisen den Weg zum heiligen Hain, wobei sie alle von den Peitschenmännern namens OLORE geleitet werden. Sie gehen vom königlichen Palast zum heiligen Hain von Òsun, während die Menge ihnen folgt und ihre Probleme und Sorgen in die Kalebasse wirft, die von der königlichen Jungfrau getragen wird, denn sie hat die Rolle einer Vermittlerin zwischen der Gottheit und dem Volk übernommen.

©Karma the Great / Adetolani Davies

Sobald sie an der heiligen Rinne angekommen sind, gehen DER ARUGBA, YEYE ÒSUN und das Komitee der Priesterinnen hinein, um die notwendigen Rituale und Beschwichtigungen durchzuführen, und sobald die Rituale abgeschlossen und akzeptiert sind, grüßen alle die Flussgöttin und beglückwünschen sich selbst für den Erfolg und beten, dass sie alle das nächste Mal überleben; dann wird den Menschen erlaubt, das Flussufer zu betreten, um zu trinken, zu baden und das Wasser der Ọ̀sun mit nach Hause zu nehmen, und sie grüßen alle die Flussgöttin

Ore yé-yé o, Ore yé-yé Òsun!!!

Das bedeutet: „Die Güte der Mutter, die Güte der Òsun“
©Karma the Great / Adetolani Davies

Adetolani Davies ist Fotograf und lebt in Lagos. In seiner Arbeit sucht er nach Schönheit und Natürlichkeit und fängt dabei Menschen und Momente ungefiltert ein.
Karma the Great auf Instagram

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Fotografie Literatur

Konfrontation mit der Waffe Fotografie

Konfrontation mit der Waffe Fotografie
Interview mit Maaza Mengiste - von Zachary Rosen

Vom imperialen Erbe der Kamera und der erzählerischen Kraft von Wort und Bild.

Mit der Etablierung der Fotografie in den 1830er Jahren übernahmen diejenigen, die diese dunkle Bilderzeugungsmaschine – die Kamera – und ihre Fotos kontrollierten, den imperialen Anspruch auf das Monopol auf Wahrheit und Geschichte. Doch wie die Fotografietheoretikerin Ariella Azoulay darlegt, umfasst das Anfertigen einer Fotografie mehr als nur den Fotografen und die Kamera; vielmehr sind auch die Fotografierten und später die Betrachtenden der Bilder Teil der sozialen Bedeutungen, die durch das Urteil des Auslösers geschmiedet werden.
Diese umfassendere Konzeptualisierung fotografischer Bilder und der Geschichten, in die sie eingebettet sind, entrückt den dominanten Blick der Fotografierenden und schafft Raum für alternative Geschichten, Erinnerungen und Erzählungen.

In diesem Sinne der Verunsicherung der europäischen Konfliktgeschichtsschreibung setzt sich Maaza Mengistes gefeierter zweiter Roman Der Schattenkönig mit dem Zweiten Italo-Äthiopischen Krieg der späten 1930er Jahre auseinander. Anstatt sich nur auf die wichtigsten Ereignisse und Darstellungen des Krieges zu konzentrieren, verlässt Mengiste den traditionellen historischen Rahmen des Schlachtfelds, und entführt die Leser:innen in die persönlichen, ja intimen Lebensbereiche ihrer Figuren, von denen jede einen anderen Blickwinkel auf die Invasion hat. Bei der Entfaltung der Geschichte schöpft sie aus den Schatten der alltäglichen und außergewöhnlichen Kämpfe, die an den Fronten von Klasse, Religion, Geschlecht und Körper im Lichte der Fotografie ausgetragen werden.

Um das Gespenst der Fotografie in Der Schattenkönig zu beleuchten, das sich auf vielfältige Weise mit diesen anderen Themen überschneidet, sprach Mengiste mit Africa is a Country über das imperiale Erbe der Kamera, über Formen des Widerstands gegen den kolonialen Blick, über die Unterschiede in der erzählerischen Kraft von Worten und Bildern und über ihre neue bildorientierte Archivinitiative – Projekt 3541.

ZR: Die Fotografie ist einer der Fäden, die sich durch die Erzählung von "Der Schattenkönig" ziehen. Es gibt eine Figur, die eine Kamera benutzt, aber Anspielungen auf die Geschichte und Philosophie der Fotografie sind in der Geschichte zahlreich und weitreichend. Hatten Sie die Fotografie als ein Schlüsselelement geplant, als Sie mit dem Schreiben begannen, oder hat sich das erst im Laufe der Geschichte ergeben?

MM: Darüber muss ich nachdenken. Diese endgültige Version des veröffentlichten Buches war nicht der Entwurf, den ich ursprünglich geschrieben hatte; den habe ich verworfen. Und in diesem Entwurf war wirklich nichts über Fotografien und Fotografie zu finden. Als ich anfing, über den Italo-Äthiopischen Krieg von 1935-41 und die Beziehungen nachzudenken, die sich im Laufe dieser etwa fünf Jahre in Äthiopien entwickelten, begann ich über den Einsatz der Fotografie als Kriegswaffe durch die Italiener und die meisten Kolonialmächte und imperialistischen Regime zu reflektieren. Ich hatte bereits über Fotografie geschrieben. Fast ein Jahrzehnt lang hatte ich Fotos gesammelt, die Italiener in Äthiopien aufgenommen hatten. Ganz am Anfang wusste ich nicht, was ich da tat. Das war noch bevor ich überhaupt irgendetwas geschrieben habe; ich war keine Schriftstellerin, ich habe mich einfach dafür interessiert. Ich sammelte diese Fotos unbewusst, ich sah sie mir einfach an und dachte: „Oh, die sind schön. Das ist schön, oh, das ist nicht so schön.“

Irgendwann, als ich in Rom recherchierte, interessierte ich mich sehr für die Fotogeschichte dieses Krieges und fing an, fleißiger Fotos zu sammeln, wobei mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, was ich mit ihnen machen wollte. Das half mir, die Geschichte durch andere Augen zu betrachten. Ich betrachtete die persönlichen und intimen Aspekte des Krieges, nicht die großen Schlachten, sondern versuchte, durch diese Fotografien die intimen Verbindungen zu verstehen, die der Krieg Gruppen von Menschen aufzwang. Beim ersten Entwurf besaß ich also schon diese Fotos, und ich habe sie betrachtet, um die Erzählung neu zu schreiben, aber nicht als Geschichte. Aber als ich dann diesen ersten Entwurf loswurde und anfing zu denken: „Ich kann alles machen, was ich möchte“, kehrte ich zu diesen Bildern zurück und begann, sie als ihre eigenen Versionen von Geschichte zu betrachten. Sie sind bewahrte Erinnerungen, aber was genau bewahrten sie und was wollten sie uns zwingen zu übersehen oder zu vergessen? Zusammen mit den Chorstimmen im Buch wurde die Verwendung von Fotografien für mich zu einer weiteren Möglichkeit, unsere Vorstellungen von Geschichte auf den Kopf zu stellen, und das war nicht nur unterhaltsam, sondern auch sehr aufschlussreich. Es hat mir geholfen, Details von Momenten und Personen herauszuarbeiten, die in einer reinen Erzählung nicht möglich gewesen wären.

ZR: Sie haben darüber gesprochen, wie Geschichtsbücher aus bestimmten Perspektiven erzählt werden. Der fotografische Rahmen hat Grenzen, was drin ist, was nicht drin ist, wer die Kamera hält und welche Absichten er verfolgt. Die Narration des Schreibens wird dann zu einem Weg, über den Rahmen hinauszugehen. Können Sie mehr zu diesem Prozess des Hinausgehens sagen?

Ich denke, die Fotos waren wirklich eine Möglichkeit, den Rahmen zu verlassen. Sie zwangen mich auch zu einigen Fragen über die Identität des Fotografen. Und wenn wir uns vorstellen, dass die Fotos, die gemacht werden – die Kameras sind nicht mehr diese großen, sperrigen Dinger, sie werden mit der Hand gehalten -, nicht von Fotojournalisten oder Profis gemacht werden, sondern von Soldaten, die Italien zum ersten Mal verlassen … Für einige von ihnen ist es ja das erste Mal, dass sie ihre kleine Stadt verlassen! Diese Soldaten waren auf der Suche nach einem Abenteuer in Afrika. Man versprach ihnen einen schnellen, leichten Krieg. Man versprach ihnen Frauen als Trophäen. „Du bekommst das Land, aber du kannst auch die Frauen bekommen.“ Und sie bringen diese Kamera mit. Ich begann darüber nachzudenken, wie sie die Erinnerungen, die sie mitbrachten, gestalten wollten, denn die Fotografien, so offen sie auch waren, waren sehr kalkuliert in Bezug darauf, wer was zu sehen bekam – „wenn ich das nach Hause bringe, zeige ich diese Serie meinen Freunden, diese Serie zeige ich meiner Familie“ – diese Erinnerungen wurden kuratiert. Ich habe angefangen, die Fotografien so zu betrachten. Als Werkzeuge für die Erinnerung, aber auch als Werkzeuge für die Amnesie, für die Auslöschung.

Über diese Leute im Roman zu schreiben hat es mir wirklich ermöglicht, sie auf neue Weise zu betrachten. Ich bin mir bewusst, dass ich eine Figur Ettore habe, und er hat eine Kamera, und ich betrachte die Fotos als Teil eines Gesprächs, das dieser Fotograf mit sich selbst führt. Etwas, das über den Boden hinausgeht, auf dem er steht, und das auch nach Hause zurückreicht. Es ist der Teil von ihm, den er mit nach Hause nehmen will – das, was mit dem Exotischen, dem Erotischen in Verbindung steht. Zurück in der Heimat nimmt der Fotograf etwas von der Exotik der Fotos an. Er wird als etwas angesehen, das sich von den anderen in seiner Stadt unterscheidet, als heroisch und in gewisser Weise genauso unbekannt wie die Menschen, die er auf Film gebannt hat. Diese Fotografien reflektieren wirklich auf den Fotografen zurück, und ich fand, dass dieses Denken bei der Entwicklung der Geschichte hilfreich war. Es half mir, all diese Bilder, die wir für selbstverständlich halten, besser zu verstehen – und ich hielt sie für selbstverständlich, selbst als ich sie sammelte. Wenn man sich aber ein Bild eines stolzen Kriegers mit Schild und Speer anschaut, der einen würdevollen Eindruck macht, dann sieht es überhaupt nicht wie ein negatives oder stereotypes Foto aus. Bis man merkt, dass der Fotograf und der Mann eigentlich Feinde sein müssten. Dann sagt die Tatsache, dass der Fotograf noch am Leben ist, etwas über seine Macht aus und nicht über die Person, die fotografiert wird. Es ist ein Foto der Herrschaft.

ZR: Ihr Buch zeigt, dass ein zentrales Erbe der Kamera eine Technologie des Imperialismus ist. In der Geschichte beschreiben Sie, wie die italienischen Streitkräfte ihre Arbeit als Beweis für die Besatzung und als Rechtfertigung für die Kolonisierung dokumentieren; wie ein Fotograf Momente aufnimmt, festhält und stiehlt, Menschen für ihre Unterwerfung in den Fokus rückt, wie Typografien aus fotografischen Abzügen imaginiert werden. Hat Sie der Prozess des Schreibens dieses Buches angesichts eines solch belastenden Erbes dazu gebracht, darüber nachzudenken, ob Fotografie unersetzlich ist oder ob sie als kreative Form wertvoll sein kann?

Ich glaube, dass es in der Welt der Fotografie, des Fotojournalismus, einen deutlichen Mangel an Fotograf:innen gibt, die aus den Orten stammen, über die berichtet wird. Wir sehen das ständig, die meisten Fotograf:innen sind weiß, sie sind männlich, junge Fotojournalisten, die sich an Journalistenschulen einschreiben und sich dieses Abenteuer vorstellen; sie sind begeistert von der Gefahr, Fotojournalist zu sein und in ein vom Krieg zerrissenes Land zu gehen. Diese Denkweise ist eine Form des imperialistischen Ehrgeizes. Sie ist kriegsähnlich in ihrem Wunsch zu „erobern“, um das, was fern, unbekannt, exotisch erscheint, bekannt zu machen. Man sieht es auch heute noch.

Kürzlich warb ein bekannter Fotojournalist für einen Fotoworkshop, der in den nächsten Tagen online gehen sollte, aber das Bild, das er verwendete, zeigte eine junge Frau in Indien, die als Sexarbeiterin tätig war. Auf dem Foto liegt ein Mann auf ihr, es ist mitten im Sex, man sieht ihr Gesicht – es ist leer – sie ist ganz woanders und verstört. Und die Kamera blickt auf diese Frau hinunter. Ihr Gesicht ist nicht verdeckt. In diesem Bild ist jeder voyeuristische Aspekt im Spiel. Das ist etwas, das zur Werbung für einen Workshop verwendet wird. Und ich frage mich: Was wird hier beworben? Was geschieht hier? Ich habe dem Fotografen diese Fragen gestellt, und das Bild ist inzwischen entfernt worden. Auf Twitter schrieb jemand namens Ritesh Uttamchandani – ein Fotograf aus Indien -: „Ich bin auch in die Bordelle gegangen, um zu fotografieren, und das hier ist dabei herausgekommen“. Und es war brillant. Er hat vom Bett aus die Decke fotografiert. Man sieht also den Raum, man sieht, wohin das Mädchen schaut, und er sagte, dass er von diesem Standpunkt aus Babyfotos, eine Familie, eine ganze Welt sehen konnte, die sich ihm eröffnete. Man versetzt sich in die Lage der Person, die dort ist. Das bringt mich zum Nachdenken über die Art und Weise, wie heute fotografiert wird, und wie es immer schon war. Die Machtverhältnisse sind verzerrt, und wenn wir nicht in der Lage sind, uns selbst in der Person zu sehen, auf die wir die Kamera richten, wenn wir nicht einen Teil von uns in den Bildern, die wir machen, erkennen oder zu erkennen versuchen, dann projizieren wir die Erfahrungen der Menschen als Faszinationen oder Kuriositäten oder Metaphern oder Lektionen im Leben aufs Bild. Und wir sind immer noch außerhalb.

Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, keine Fotos in das Buch aufzunehmen. Es gibt zwei, die Buchstützen. Das Schreiben des Wort-Bild-Innen-Buches war meine Art, darüber nachzudenken, wie man über das „Zeugnisgeben“ hinauskommt – wobei der Zeuge immer draußen ist und die Last des Zeugnisgebens trägt – und der Akt des Hinsehens eine schwerfällige Verantwortung ist, die der Person auferlegt wird, und es ist keine natürliche Sache, es ist eine Last. Ich frage mich seit langem, wie man das beseitigen kann. Das Foto ist eine Waffe, ein Zeichen von Macht, und es wird immer noch gegen Menschen eingesetzt. Diejenigen, die hinschauen, sind nicht diejenigen, die eine Last tragen. Es sind die Abgebildeten, die das Gleichgewicht der Last halten. Wie können wir das respektvoll anerkennen und uns selbst in jedem Bild, das wir machen, sehen?

Hat Ihre Auseinandersetzung mit der Art und Weise, wie die Fotografie den Menschen verändert, Ihre Art zu fotografieren beeinflusst, insbesondere die von Menschen?

Ich nehme Filme auf und fotografiere auch und ich habe drei oder vier Jahre lang Filmrollen angehäuft. Irgendwann weiß ich nicht mehr, was auf ihnen drauf ist, ich vergesse es. Ich schieße weiter, und von Zeit zu Zeit bekomme ich einen ganzen Haufen Filme und schicke sie zu meinem Entwickler, und dann kommen sie zurück, und es ist immer interessant, weil ich nicht weiß, wo oder wann einige der Filme aufgenommen wurden. Wenn Fotografien eine Form der Auslöschung sind, dann versuche ich vielleicht auch zu verstehen, was dort erhalten bleibt, wenn bestimmte Markierungen nicht mehr existieren. Wenn ich sie betrachte, versuche ich, mein Auge zu verstehen: Was sehe ich da? Was habe ich bei der Aufnahme gesehen? Auf Instagram lade ich hauptsächlich Portäts hoch, denn das ist das, was mich am meisten anzieht. Ich interessiere mich für das Gesicht, und ich interessiere mich dafür, was das Gesicht offenbart. Die Fotografie ist etwas, das mich vom Schreiben ablenkt, von diesem Ort, an dem ich ständig nach Worten suche und noch mehr Worte brauche. Es ist ein guter Weg, um nicht an das Schreiben zu denken, aber ich habe gemerkt, dass ich immer an die Erzählung denke, wenn ich in die Kamera schaue. Es passiert etwas sehr Interessantes, wenn man das Auge hinter dem Sucher hat und fokussiert – es gibt eine andere Welt, die darin zu existieren beginnt, und in dieser Hinsicht ist es dem Schreiben sehr ähnlich. Ich versuche, mein Auge zu entwickeln, denn das ist das gleiche Auge, das ich als Schriftstellerin benutze. Und die Kamera ist mein Werkzeug.

Sie haben davon gesprochen, dass einige der Hauptfiguren aus Archivfotos entstanden sind, auf die Sie bei Ihren Recherchen gestoßen sind. Wie haben sich Ihre Interaktionen mit diesen Archivbildern in Figuren der Geschichte niedergeschlagen? Haben die Fotos zu Ihnen gesprochen?

Ich hatte diese Fotos schon, bevor ich das Buch schrieb, und einige von ihnen hatte ich gerahmt. Während des Schreibens merkte ich, dass sie mir halfen, mir einige meiner Figuren vorzustellen. Irgendwann kramte ich dann in den Fotos italienischer Babys aus den frühen 1900er Jahren, die ich gesammelt hatte. Ich wusste nicht, warum ich vor Jahren nach ihnen gesucht hatte, und ich weiß auch nicht, wer die Babys waren, aber ich hatte Schwierigkeiten, den italienischen Oberst in der Geschichte, Carlo Fucelli, zu entwickeln. Ich beschloss, ihn als Baby zu betrachten. Also hängte ich „sein“ Babyfoto an meinen Schreibtisch und nutzte es, um seine Entwicklung zu dem Mann zu verstehen, der er wurde. Ich beschreibe ein Foto, das Ettore von seinen Eltern am Tag ihrer Hochzeit hat. Ich habe dieses Foto, ich habe ein Foto von einem Paar. Ich habe versucht, einen Weg zu finden, die Figur Hirut in meinem Kopf zu beschreiben, und ich habe angefangen, meine Fotos durchzusehen, und als ich zu einem bestimmten Foto kam, wusste ich, dass ich es hatte. Ich sagte: Das ist sie. Das Kleid mit dem V-Ausschnitt, das ich beschrieben hatte, die Narbe, die das Kleid verdecken kann, das war auf dem Foto zu sehen, und das ist die Person, die sie ist. Ich habe ein Foto, das Aster sein könnte, ich stellte mir diese Frau in einem Umhang vor, und ich hatte das Foto in meiner Sammlung. Ich hatte die Beschreibung gemacht – wer weiß, ob ich mir diese Fotos nicht schon viel früher angesehen hatte und sie mir im Gedächtnis geblieben waren, aber sie haben mir auf jeden Fall geholfen, mir eine Haltung vorzustellen, nicht ein Aussehen, sondern eine Haltung. Als ich meine italienischen Charaktere schrieb, konnte ich mir diese Soldaten nicht als kleine Jungen vorstellen, sonst wäre es wirklich schwierig gewesen, sie als komplexe menschliche Wesen mit Grausamkeiten und Schwächen zu entwickeln.

Das Buch enthält verschiedene Arten von Zwischenspielen, darunter eine Form namens "Foto", in der "Wortbilder" Bilder beschreiben, ohne dass sie visuell dargestellt werden. Wie haben Sie sich die Funktion dieser fragmentierten Texte vorgestellt? Einige der Passagen sind fast wie kleine fotografische Abzüge geformt und aneinandergereiht.

Die übergreifende Erzählung besteht darin, dass dies angeblich die Fotografien sind, die Hirut sich ansieht, als sie die Kiste in der Geschichte öffnet, und sie ist chronologisch geordnet, sodass jedes Foto, dem man begegnet, zu einem anderen Teil des Krieges und der Geschichte führt. Ich wollte, dass in diesen Bildern Bewegung stattfindet; ich wollte versuchen, mir die Momente davor und danach vorzustellen, was ein Foto für uns oft eliminiert. Es vereinfacht einen Moment. Ich habe mich von einem meiner Lieblingsgemälde inspirieren lassen – Rembrandts „Anatomiestunde“. In diesem Gemälde stehen Medizinstudenten um eine Leiche herum, und in der Mitte steht ein Arzt; alle schauen in verschiedene Richtungen, aber der Arzt zeigt auf etwas und hebt die Hand. Ich habe so lange darauf gestarrt und bin von den Blicken der Studenten zur Leiche, zum Arzt und zu seiner Hand gegangen. Irgendwann wurde mir klar, dass er auf den Muskel der Leiche zeigt, den seine Hand illustriert, und dass er die Bewegung dieses Muskels nachahmt und auf ihn zeigt. Das Gemälde ist also mitten im Geschehen; die Hand des Arztes ist nur ein Zucken des Muskels und eine Bewegung, die vom Maler festgehalten wird. Das ist in Wirklichkeit eine Unterrichtsstunde zum Thema Bewegung Bewegung, und es geht nicht um die Leiche, es geht um das Leben, es geht um die Hand, die sich bewegt. Die Anatomie des Lebendigen. Diese Art zu schauen, über das Offensichtliche hinauszugehen und sich auf die aufschlussreichen Details in einem Rahmen zu konzentrieren … das hat mich nicht mehr losgelassen, seit ich dieses Bild gesehen habe.

John Berger schreibt über dieses Gemälde, und er schreibt über seine Verbindung zu Che Guevaras Ermordungsfoto und die unheimlich zufällige Pose der beiden – wie auch auf Che’s Ermordungsfoto all diese Soldaten um seinen Leichnam herum stehen und in verschiedene Richtungen schauen, während ein Vorgesetzter auf den Leichnam zeigt. Und auch hier geht es nicht um den Tod, sondern um das Leben, das nach diesem Bild weitergehen wird. Über den Tod von Che hinaus. Über eine Revolution hinaus, die sie nun für gescheitert halten. Ich finde es wirklich faszinierend, diese beiden Bilder – das Gemälde und das Foto – als eine Möglichkeit zu betrachten, die Formbarkeit von Geschichte oder Erinnerung zu verstehen.

In diesen beiden Bildern geht es einerseits um den Tod, aber auch darum, wer schaut, wer zeigt, wer sich bewegt und wer sich nicht bewegen kann. Das war die Idee, die ich in den Wortbildern des Buches umsetzen wollte. Wer bewegt sich und wer kann sich nicht bewegen? Man denkt, es geht um das Sterben, aber in Wirklichkeit geht es um die Person, die noch lebt und die Macht hat. Es gibt verschiedene Ebenen und Schichten der Betrachtung. Wenn man dieses Wort-Bild hat, gibt es den Leser und dann gibt es auch die Geschichte, die wir durchlesen müssen, um zum Kern dessen zu gelangen, was auf diesem Foto wirklich gemacht oder aufgenommen wurde.

In "Der Schattenkönig" gibt es einige unglaubliche Momente des Widerstands gegen die Fotografie, in denen sich Blicke der Kamera entziehen oder sie anklagen, Beziehungen und Sinne den fotografischen Rahmen überschreiten oder bebende Körper die Möglichkeiten der Kameraaufnahme sprengen. Können Sie erläutern, warum Sie diese Störungen der Bilderzeugung beschrieben haben?

Es begann damit, dass ich mir diese Fotos anschaute und darauf achtete, was die Menschen tatsächlich tun, selbst wenn sie gerade stehen und in die Kamera schauen. Wenn wir davon ausgehen, dass es wirklich keine stimmlosen Menschen gibt, sondern nur Menschen, die wir nicht hören können, dann besteht meine Aufgabe darin, zu beobachten, was sie mir sagen, was ich auf den ersten Blick nicht sehen konnte. Und was mir dabei auffiel, konnten Dinge sein wie eine Handbewegung, eine geballte Faust, nach innen gerollte Zehen, obwohl das nicht unbedingt eine natürliche Haltung ist, diese verschwommene Bewegung, der Blick weg, diese schnellen Gesten, die passieren, die Weigerung zu lächeln – all das waren kleine Akte des Trotzes. Sie sind gedämpft, aber sie waren da, wenn ich nur wüsste, wie man hinschaut, und das war ein Teil dessen, woran ich wirklich gearbeitet habe: Wie man sie genauer betrachtet, wie man ihnen zuhört. Es gibt immer, immer verräterische Hinweise in diesen Fotos. Ich wollte sie zum Leben erwecken, den Menschen den ihnen gebührenden Respekt für ihre Taten, ihre Tapferkeit, zurückgeben.

Wer sind die Bildgestalter:innen, die am meisten geprägt haben, wie Sie über Fotografie denken und wie Sie sie in Ihren Texten behandeln?

Diana Matar, zum Beispiel. Sie hat ein Buch mit dem Titel Evidence (Beweise) herausgebracht und ein weiteres in Vorbereitung, in dem sie sich mit dem unsichtbaren, aber präsenten Nachhall von Orten befasst, an denen staatlich sanktionierte Gewalt stattfand. Sie besucht diese Orte im Nachhinein und fotografiert sie. Dabei geht es ihr um die Frage: Was bleibt? Sie befasst sich mit der Auslöschung, aber auch mit den Erinnerungen, die an diesen Orten noch lebendig sind, an die verlorenen Leben nach einem Verschwinden oder nach einer Gräueltat. In Evidence reist sie nach Libyen und sucht die Orte auf, an denen Ghadaffi Menschen hinrichtete und die Menschen verschwanden. Anschließend fotografiert sie sie. Diese Bilder sind ein stummes Zeugnis für das, was jetzt fehlt, aber auch eine Bestätigung dafür, dass durch das Betrachten etwas ersetzt, bestätigt wird. Ich war in Brüssel, bevor diese ganze Sache mit dem Virus losging, und sie hatte eine Ausstellung in Verbindung mit einem neuen Buch, My America. Darin reiste sie quer durch die Vereinigten Staaten und fotografierte Orte polizeilicher Gewalt gegen Randgruppen der Gesellschaft. Die Wände der Galerie waren mit diesen Fotos gefüllt, mit den Namen der Toten, ihrem Alter, dem Todesdatum, den Orten… Das sind erstaunliche Mahnmale und Akte des Gedenkens. Ich betrachte ihre Arbeit als eine weitere Möglichkeit, über die Macht der Fotografie nachzudenken, aber auch über die Notwendigkeit des Erinnerns, selbst wenn es keine sichtbaren Spuren von dem gibt, was einmal da war.

In diesem Sinne bin ich der Arbeit eines argentinischen Fotografen namens Gustavo Germano verpflichtet. Als ich seine Fotos zum ersten Mal sah, blieben sie mir im Gedächtnis haften. Er arbeitet mit Kindheitsfotos von Menschen, die während der Kriege in Argentinien verschwunden waren. Auf einem Foto rennen zum Beispiel zwei Brüder einen Hügel hinunter, sie sind jung, vielleicht 10 Jahre alt. Einer von ihnen wurde schließlich, Jahre später, von den Militärs „verschwunden“. Germano fotografiert den überlebenden Bruder auf demselben Hügel und nimmt denselben Lauf auf und fügt diese Fotos dann zusammen. Man sieht sehr deutlich die Abwesenheit des anderen Geschwisters, die Abwesenheit so vieler Erinnerungen, die ein Leben ausmachen.

Confronting the weapon of photography

Dieser Artikel erschien im Original auf englisch bei Africa is a Country.

Und à propos Verschwinden: Es gibt einen wunderbaren chinesischen Fotografen namens Zhang Dali, der ein Fotobuch mit dem Titel A Second History veröffentlicht hat. Er befasst sich mit den Propagandafotos, die während der Mao-Tse-Tung-Ära in den Nachrichten abgedruckt wurden. Er untersucht die Manipulation von Fotos als eine Möglichkeit, die Geschichte und das kollektive Gedächtnis zu revidieren. Er zeigt, was in einer Zeitung gedruckt wurde und was tatsächlich das echte Foto war. Es ist faszinierend, wie Menschen, die bei Mao Tse Tung in Ungnade gefallen waren, aus den Bildern gelöscht wurden, und wie bei Menschenmengen, die zu klein waren und kein positives Licht auf ihn warfen, welche hinzugefügt wurden. Die Leute wurden umplatziert, umgestellt oder einfach ausradiert. Wenn man das sieht, wird man daran erinnert, wie flexibel die Wahrheit ist, wie zerbrechlich Geschichte, Erinnerung, kollektives Gedächtnis und Fakten sind. Wenn man sie nicht sehen kann, woher weiß man dann, dass sie tatsächlich existieren? Das ist eine Frage, über die ich in meinem Buch nachgedacht habe.

Und natürlich die Arbeit jener Fotograf:innen aus Afrika, die die postkoloniale Ära fotografiert haben, als verschiedene Teile Afrikas den westlichen Mächten im Grunde die Stirn boten! Malick Sidibé ist der bekannteste von ihnen, aber es gibt auch Jean Depara und so viele andere. Das Leben, das auf diesen Fotos zu sehen ist, finde ich wirklich spannend und inspirierend. Aida Muluneh, Nader Adem, Malin Fezehai, Martha Tadesse – Fotograf:innen aus Äthiopien und Eritrea – leisten unglaubliche, innovative und sensible Arbeit, aber es gibt noch so viele andere, die im Kommen sind. Sie haben die Kameras in der Hand, sie brauchen nur noch die Aufträge. Sie müssen vertreten werden und die Agenturen dazu bringen, sie anzurufen und zu sagen: „Ihr seid schon da, könnt ihr die Arbeit machen?“ Mulugeta Ayene, ein Äthiopier, hat gerade den World Press Photo-Wettbewerb 2020 gewonnen. Seine Fotos von dem Boeing-Absturz in Äthiopien sind sowohl episch als auch intim. Es ist ein Beweis dafür, was passiert, wenn der Fotograf die Kultur kennt, weiß, wie er sehen muss, und sich selbst in jedem Bild sieht. Es ist schön zu sehen, dass einige dieser Fotograf:innen Anerkennung finden, aber es muss noch mehr passieren.

Seit einiger Zeit haben Sie auf Instagram Archivfotos gepostet, die mit Ihren Recherchen für "Der Schattenkönig" in Verbindung stehen. Diese Sammlung bildet nun die Grundlage für ein digitales Fotoarchiv namens Projekt 3541, das als "Akt der Rückgewinnung" beschrieben wird, da es eine intime Zusammenstellung von Bildern im Zusammenhang mit der italienischen Invasion in Äthiopien von 1935-41 enthält. Wie stellen Sie sich die Auswirkungen und das Wachstum dieses Projekts vor?

Dieses Projekt ist ein gemeinschaftlicher Versuch, über einen Moment der Weltgeschichte zu sprechen und ihn zu verstehen. Diese Geschichte ist nicht nur äthiopisch, sie ist nicht nur ostafrikanisch. Es geht um Italiener:innen, um Brit:innen, um Menschen, die Teil der britischen Kolonialmacht waren, aus Indien und anderen Ländern, die sich an ihre Familienmitglieder erinnern, die nach Äthiopien gingen. Ich bin auf der Suche nach einigen dieser Fotos. Ich möchte, dass die Website eine Drehscheibe für diese Geschichte ist – für Geschichten. Ich bin mir bewusst, dass die meisten Ostafrikaner:innen keinen Zugang zu Kameras hatten und dass die Fotos, die sie vielleicht aus dieser Zeit hatten, von einem Italiener gemacht worden sein könnten. Ich habe auch eine Seite mit dem Titel „Erinnerungen ohne Gesichter“ eingerichtet, auf der ich die Leute auffordere, ihre Erinnerungen beizusteuern. Die Inspiration für diese Seite kam von jemandem, der zu mir sagte: „Mein Großonkel wurde in dieses Gefängnis gebracht, und er wurde zuletzt hier gesehen. Es gibt kein Foto, aber wie kann ich mehr herausfinden?“ Ein Italiener sagte: „Ich weiß, dass mein Großvater ein Kind von einer äthiopischen Frau hatte, vielleicht können Sie mir helfen, diese Person zu finden.“ Und ich weiß, dass es Geschichten gibt, bei denen es nicht um die Suche geht, sondern um die Anerkennung, die Rückforderung, und das kann auch ohne ein Foto geschehen. Ich freue mich sehr auf dieses Projekt, denn dieses Buch, Der Schattenkönig, hat mein Leben auf eine Weise verändert, wie es das erste Buch nicht getan hat. Dieses Buch hat mich in eine andere Kultur, eine andere Sprache, aber auch in verschiedene Aspekte meiner eigenen Geschichte eingeführt. Ich glaube nicht, dass es schon vorbei ist, das Buch ist fertig, aber die Sache ist noch nicht abgeschlossen, und ich denke, die Fotografien sind das Mittel, um Dinge voranzubringen.

Zachary Rosen ist Mitglied des Redaktionsausschusses von Africa is a Country.

Bild im Header: Ceilings, © Ritesh Uttamchandani

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Fotografie Musik

Women in African Music

Women in African Music
eine virtuelle Fotoausstellung

Die virtuelle Fotoausstellung würdigt Frauen in der afrikanischen Musikbranche und kann noch bis zum 30. Juni besucht werden

Michael Tubes, ein britisch-nigerianischer Fotograf, hat über zehn Jahre lang Bilder von afrikanischen Musikerinnen gemacht.
Diese Bilder und andere Objekte sind nun Teil der virtuellen Ausstellung „Women in African Music„, die die Künstlerinnen und die Menschen hinter den Kulissen feiert.
Die diesjährige Ausstellung, die von Sounds Of Africa organisiert wird, ist auch drei Tänzerinnen gewidmet, die im Jahr 2020 verstorben sind: Kodak aus Nigeria, Nicole aus Ghana und Drey aus Kamerun.

© Michael Tube

Das Projekt hat zum Ziel, weibliche Künstlerinnen und diejenigen hinter den Kulissen zu feiern, die sonst oft im Hintergrund stehen. Frauen, so Tubes, würden häufig fünfmal so hart arbeiten wie Männer, aber viel seltener die Lorbeeren ernten. Außerdem möchte Tubes, der insgesamt zehn Jahre an dem Projekt arbeitete, auf Herausforederungen, zum Beispiel Hasskommentare im Netz, aufmerksam machen, denen die Musikerinnen häufig ausgesetzt sind.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Fotografie

Karma the Great

Karma the Great
von Adetolani Davies

In seinem Fotoprojekt will der in Lagos lebende Fotograf Karma the Great natürliche afrikanische Schönheit jenseits des eurozentrischen Blickes zeigen.

Cognoscenti of Africanism

Entlang des Weges von Umweltkonflikten und Kapriolen, die durch gesellschaftliche Bilder von Orthodoxie und Andersartigkeit ausgelöst werden, können wir uns leicht mit den Schwierigkeiten identifizieren, denen wir als Afrikaner:innen gegenüberstehen, dem Druck und der Angst, zu einem sentimentalen Individuum heranzuwachsen. Gleichzeitig wollen wir im Gleichgewicht bleiben zwischen Modernisierung und dem Leben selbst.

Indem er verschiedene Traditionen und Bräuche verkörpert, hat der Afrikanismus den Afrikaner:innen in der Tat die Werte, den Reichtum und die Originalität ihrer Kultur vermittelt, die von Afrikas Geschichte bis zu seiner Natur, der Schönheit und der Philosophie seiner Zierde zu der Wahrheit reichen, die wir als Afrikaner:innen so vernachlässigen, da die empirische Bewertung unserer Kultur jetzt in harmonischem Konsens mit scheinbarer Objektivität existiert.

© Karma the Great

Basierend auf den neu gefundenen Bedeutungen von Schönheit durch die Zivilisation, die Moderne, sind wir Afrikaner:innen von unserer ursprünglichen Identität zu einer banalen entgleist und tragen ein neues Gesicht, dem es an Wahrhaftigkeit mangelt, während wir uns weiterhin bemühen – während wir uns einer gemeinsamen Herausforderung stellen, gesehen und gehört zu werden. Wenn man die Geschichten vor und nach der Befreiung durchblättert, findet man unsterbliche Helden, die die Standards ihrer Tradition, die überwiegend durch die Modernisierung neu definiert wurde, leidenschaftlich verinnerlicht haben.
Das vorherrschende eurozentrische Konzept von Schönheit hat unterschiedliche Auswirkungen auf unsere Kultur, das Festhalten an diesem Konzept treibt uns fort von unserer Persönlichkeit als Afrikaner:innen.

© Karma the Great

Wenn es einem Afrikaner oder einer Afrikanerin nicht gelingt, an dem Grund für sein / ihr Schwarzsein teilzuhaben, ist diese Person eine Schande für Afrika.

Auf diesen Bildern sehen wir eine junge westafrikanische Frau, die definitiv aus einem Umfeld mit heiligen Glaubensvorstellungen und Normen stammt.
Sie zeigt die Schönheit in ihrer einfachen und natürlichen Form mit einem unverfälschten und kühnen Ausdruck, den sie in ihrem ungeschminkten Gesicht trägt.
Die Subjektivität ihres Schmucks offenbart uns, wie stolz sie als Afrikanerin ist, die Art und Weise, wie sie die Farbe ihrer Haut inmitten des völligen Wahnsinns der Zivilisation, der Eurozentrik und der Neudefinition von Schönheit, die der Hauptstressfaktor ist, umarmt.

Unabhängig von seiner Geschichte ist Afrika tief verwurzelt, deshalb verdient es nicht nur eine oberflächliche Betrachtung, sondern es verdient verstanden, bewohnt und gelebt zu werden.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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