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Film Mode & Design

Kilón Shélé Gán Gán

Kilón Shélé Gán Gán
ein bizarr-psychedelischer Modefilm aus Lagos

Die Modedesignerin Mowalola Ogunlesi macht psychedelische und erotische Mode für den pan-afrikanischen Mann

Er ist zwar schon fast vier Jahre alt, aber manche Dinge entdeckt man besser spät als nie. Der Modekurzfilm, den Ogunlesi für ShowStudio gemacht hat, soll die Welt des „Mowalola-Mannes“ auf losgelöste und traumhafte Art zeigen und taucht dabei in den Trubel des farbenfrohen und geschäftigen Lagos ein.

„Psychedelic“, ihre Modekollektion für Männer, die sie als Abschlusskollektion auf dem Laufsteg der Modehochschule Central Saint Martins präsentierte, ist inspiriert von nigerianischer Rockmusik der 70er und 80er Jahre und als eine Feier des Schwarzen afrikanischen Mannes gedacht – seine Sexualität und Wünsche. Das übersetzt sich in sexy „Lagos Petrolheads“, die enge Lack- und Lederlooks tragen und mit Mercedes-Benz-Logos an Silberketten behangen sind, während aus ihren Hosenbündchen Spitzenunterwäsche ragt, die einen starken Kontrast zu ihren muskulösen, eingeölten Körpern bildet. Dieser Look wird in Ogunlesis Modefilm Kilón Shélé Gán Gán vorgeführt:

Die Jungs liebten die Kleidung! Es war total erfrischend, dass sie sich darin so mächtig und unantastbar fühlten. Ich habe das Gefühl, dass sie sich mit der Gesamtstimmung der Kollektion identifizieren konnten, und es ist gut zu sehen, wie sich die Vorstellung von Männlichkeit in Nigeria auf subtile Weise weiterentwickelt.

Ogunlesi schafft es mühelos, ihre Mode in städtischer Dekadenz auf den Straßen Lagos in Szene zu setzen. Ihr trippiger Retro-Futurismus vereint den kitschigen Exzess des Nigerias der 1980er Jahre mit dem anhaltenden Einfluss afrikanischer Psychedelik.

Still from Kilón Shélé Gán Gán - Dàfe Oboro and Mowalola Ogunlesi Fashion Film Submission, ©youtube

COMPLEX

Ogunlesi’s BA menswear collection, which she presented in 2017, was titled “Psychedelic,” and was influenced by Lagos petrolheads and the country’s psychedelic rock scene in the ‘70s. She described the line as “unapologetically black and pan-African.” Here we get a first glimpse of the designer’s gender fluid aesthetic and interest in treated leathers.

Webseite der Künstlerin. Instagram der Künstlerin. Bild im Header: Still aus Kilón Shélé Gán Gán, © youtube.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Film

Ein mitfühlender Blick auf einen unsichtbaren Kampf

Five Tiger: Ein mitfühlender Blick
auf einen unsichtbaren Kampf
von Youlendree Appasamy

Ein neuer Film der südafrikanischen Regisseurin Nomawonga Khumalo zeigt die Widersprüche und Nuancen des Seelenlebens schwarzer Frauen.

Zu Beginn von Five Tiger, einem Kurzfilm aus Südafrika, wird der Zuschauer mit einem eindrucksvollenen Bild konfrontiert: Eine Frau auf dem Beifahrersitz eines Autos nimmt von einem Mann auf dem Fahrersitz einen gefalteten 50-Rand-Schein (im Volksmund „Five Tiger genannt“, etwa 2,90 Euro) entgegen. Die Transaktion erfolgt fast wortlos, aber die Zuschauer:innen spüren die resignierten Bewegungen der Hauptdarstellerin, zärtlich gespielt von Ayanda Seoka.

Der wunderschön gedrehte Kurzfilm, das Debüt von Nomawonga Khumalo, wird auf dem diesjährigen Sundance Film Festival gezeigt werden. Er erzählt die Geschichte von Fiona, einer jungen Frau, die in den Außenbezirken von Johannesburg lebt, und davon, wie sie sich, ihre Tochter und ihren kranken Mann durchbringt.

Trotz der nur zehnminütigen Dauer des Film bekommen wir ein Gefühl für die Komplexität der Protagonistin – sie geht der Sexarbeit nach, um das Haushaltseinkommen aufzubessern, findet Freude an der Religion, weiß, wie man mit einer Panga umgeht und hat einen grünen Daumen. Sie ist eine Mutter, die ihrer Tochter zuhört und sich um sie kümmert, insbesondere um ihre Ausbildung. Diese Vignette von Fionas Leben wird mit Großmut und Sensibilität erzählt, was ein Beweis für den ernsten Versuch von Khumalo und ihrem Team ist, die Widersprüche und Nuancen des Innenlebens Schwarzer Frauen darzustellen.

In einem Interview mit dem Sundance Institute sagt Khumalo, dass „der Fetischismus der Gewalt, der dem schwarzen, weiblichen Körper angetan wird, eine Art von Mitleidsmüdigkeit erzeugt. Es war wichtig, dass Fionas Würde Vorrang vor ihren Widrigkeiten hatte, von denen Armut die dringlichste war.“

In Südafrika ist Sexarbeit in all ihren Formen illegal. Dennoch gibt es, wie der Film zeigt, selbst an den rechtschaffensten Orten sexuelle Transaktionsbeziehungen im Überfluss. Fionas Pastor, Fumani Shilubana, entpuppt sich später als der Mann, der die Fäden in der Hand hält.

Laut Khumalo verfolgt Five Tiger „einen intersektionalen Ansatz, um den Feminismus im religiösen Kontext auszupacken.“ Am Ende des Films gibt es eine Szene, in der Fiona und ihre Kirchengemeinde auf einem Feld sitzen, alle in Weiß gekleidet. Das Tablett für den Kirchenbeitrag kommt herum, und mit einem zufriedenen Lächeln nimmt Fiona einen gefalteten R50 aus ihrer Bibel und legt ihn auf das Tablett. Da sie dort die namensgebenden fünf Tiger vom Anfang des Films hingelegt hat, werden wir dazu gebracht, über die zyklische Natur des Patriarchats nachzudenken und darüber, wie Religion oft eine Rolle bei dessen Aufrechterhaltung spielt.

Nomawonga Khumalo © IMDb

Khumalo wurde 2018 zu diesem Kurzfilm inspiriert, nachdem sie Sexarbeiterinnen traf, die in der sengenden Hitze auf Freier warteten – meist LKW-Fahrer. Die Straße war nicht befahren, und in ihrer Auszeit „sammelten die Frauen Schilf, um Grasmatten und Feuerholz für den Verkauf herzustellen“, sagt Khumalo.

„Ein dünnes Stück Stoff zerriss, und die heruntergefallenen Stöcke boten mir die Gelegenheit, eine Frau anzusprechen, die ich in meiner Kultur und Religion lieber als unsichtbar behandeln würde. Ein schüchternes, zaghaftes Lächeln offenbarte hellrosa Zahnfleisch und ein paar verfärbte Zähne, während sie leise sprach – betend, einen Segen über meine Arbeit und meine Gesundheit sprechend. Sie erzählte mir […], wie Gott eines Tages wohlwollend auf sie schauen würde, weil sie den Kirchenbeitrag zahlte und ihren Glauben behielt. ‚Gott liebt uns alle‘ waren ihre Abschiedsworte, und das machte mich einfach wütend.“

Diese Geschichte bettet den Film in einer Realität ein, die viele lieber ignorieren würden, und verleiht der Art und Weise, wie Five Tiger Religion, Patriarchat und afrikanische Frauen, die im Schatten der Stadt leben, sichtbar macht, eine zusätzliche Dimension.

Dieser Artikel erschien im Original auf englisch bei Africa is a country unter dem Titel A compassionate take on an invisible struggle.
Youlendree Appasamy ist Teil der Eröffnungsklasse der Africa Is a Country Stipendiat:innen.

Blick Bassy

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Film

Auf den Spuren von Jeneba

Auf den Spuren von Jeneba
von Mariama Wurie

Mit dem Film "Retracing Jeneba" schafft Sierra Leones Dokumentarfilm den Übergang von reiner Advocacy zu Kunst.

Sierra Leones Filmgeschichte – besonders die Geschichte des Dokumentarfilms- ist nicht besonders üppig, dafür sehr tragisch. Sie ist vor allem durch Cry Freetown geprägt, den ersten und bekanntesten Dokumentarfilm des Landes geprägt. Cry Freetown kam zur Jahrtausendwende heraus und erzählt über 27 Minuten von den Gräueltaten, die im Bürgerkrieg Sierra Leones auf dem Höhepunkt des Konfliktes geschahen. Es folgte der von der Kritik gefeierte und mehrfach preisgekrönte Film One Goal, ein Film über eine Fußballmannschaft, die aus Kriegsamputierten besteht. Viele der Mitwirkenden von One Goal wurden in La Vita Non Perde Valore von 2012 – einem ebenfalls hochgelobten Film über die Arbeit eines italienischen Pastors, der durch Gott Kriegsopfern hilft – erneut interviewt. Und schließlich ist da noch Survivors – der Bericht über die Überlebenden der Ebola-Pandemie, die in Sierra Leone zwischen 2014 und 2017 wütete. In letzter Zeit sind außerdem einige Amateur-Dokumentarfilme über die allgegenwärtige Vergewaltigungskultur des Landes, Prostitution und Menschenhandel und die Auswirkungen des Coronavirus im ländlichen Raum erschienen. Die meisten dieser Filme wurden im Auftrag von Nachrichtensendern und für Advocacy-Zwecke produziert. Die Botschaft lautet: Die Menschen in Sierra Leone leiden, und niemand scheint sich darum zu kümmern, bitte schickt Hilfe. Sie hinterlassen bei Bürger:innen und Kulturschaffenden ein Gefühl der Hilflosigkeit und bei Regierungen und NGOs Gleichgültigkeit. Es scheint, dass ein Eingreifen nicht in ihren jährlichen Entwicklungsplan für das Land passt.
Vor diesem Hintergrund produzierte der Künstler Joseph Kaifala, der während des Krieges wegen seiner bloßen Existenz verhaftet wurde, eine immersive und handlungsorientierte Dokumentation über seine Erfahrungen. Retracing Jeneba ist Kaifalas persönliche Geschichte – die Geschichte darüber, wie er während des Bürgerkriegs zwischen Sierra Leone, Liberia und Guinea geboren und aufgewachsen ist. Wie er inhaftiert und wieder freigelassen wurde, um dann tagelang zu Fuß über die Grenzen zu marschieren. Wie er in einem Flüchtlingslager landet, seine Großmutter, seinen Vater, sein Zuhause und seine Würde verliert – aber nie die Hoffnung. Es ist die Geschichte, wie diese sehr tragische Erfahrung der Antrieb für all die Arbeit und Kunst ist, die er heute schafft – und all seinen heutigen Erfolg. In seinem eindringlichen Stil ist der Film ein Aufruf zum Handeln – er ermutigt Zivilist:innen, ihre Geschichten mit anderen zu teilen und so von den Narben des Krieges zu heilen. Diese Ermutigung ist so wirksam, dass die bekannte Sängerin und Rapperin Fantacee Wiz während der Fragerunde der Filmpremiere in Sierra Leones Hauptstadt Freetown das Mikrofon in die Hand nahm, um ihre Geschichte von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch während des Krieges zu erzählen – und über die Maßnahmen zu sprechen, die sie ergreifen will, um denjenigen zu helfen, die seit Jahren mit dem gleichen Trauma zu kämpfen haben.
Laut Kaifala ist seine Inspiration für einen derartigen Dokumentarfilm in Sierra Leones Tradition des Geschichtenerzählens verankert. Er sagt selber, Sierra Leone habe zwar kaum so etwas wie eine Filmgeschichte – was es aber gäbe, sei eine Geschichte des Theaters, der Live-Performance und des mündlichen Geschichtenerzählens. Das mündliche Geschichtenerzählen ist eine Tradition, die bei den 13 Stämmen als „djeli“ bekannt ist – das sind Männer und Frauen, die das Publikum bewegen, indem sie die Vergangenheit, die Zukunft und die Gegenwart durch Erzählgesänge bei Familienfesten zum Leben erwecken.
Kaifalas Retracing Jeneba ist nicht nur ein Dokumentarfilm aus Sierra Leone. Es ist die Geschichte davon, wie ein Trauma zum Handeln anspornen kann. Es ist die Geschichte davon, warum Sierra Leoner:innen weiterhin Geschichten erzählen sollten. Es ist eine eindringliche Erfahrung, die die Djeli-Sprache eines sierraleonischen Mende-Mannes hervorruft.
Kaifalas Film ist vielleicht auch ein Abbild dessen, wie er sein Leben lebt. Er ist Anwalt, Programm-Manager bei Sierra Leones führender feministischer Organisation Purposeful, Historiker, Autor von drei hochgelobten Werken (eines davon ist ein Buch mit Maximen), Aktivist, Obmann von Massengräbern und einer, der Spenden sammelt, um Schulen in Kleinstädten zu bauen, in denen es vorher keine gab.

Global Dispatches

Episode 185: Joseph Kaifala Joseph Kaifala was just a child when civil war broke out in Liberia and Sierra Leone. The war came to his town in 1989 and as a seven-year-old was imprisoned with his father. They were eventually released and Joseph and his family spent much of the next decade on the run from a brutal civil war that seemed to follow them everywhere.
Kaifala ist in der Tat ein Teil der Riege moderner sierraleonischer Filmemacher, die die Kunst des Dokumentarfilms nutzen, um Gespräche anzuregen und soziale Veränderungen anzustoßen. Bei der Premierenvorführung von Retracing Jeneba betont Kaifala, dass seine wichtigste Botschaft ist, dass die Nation aufhören muss, so zu tun, als hätte es den Krieg nie gegeben und sich einfach dem Versuch hinzugeben, alles zu vergessen. Vielmehr pocht er in einem Raum voller Politiker:innen, Geschäftsfrauen und -männer und gewöhnlicher Zivilist:innen darauf, niemals zu vergessen. Immer und immer wieder über die Wunden zu sprechen, bis sie geheilt sind, und damit sich das Grauen nicht wiederholt. Dies ist eine Erzählung, die im Film widerhallt, wenn Kaifala die Zelle, in der er als Kind in Liberia gefangen gehalten wurde, das Flüchtlingslager, in dem er in Guinea lebte, und das Grab seines Vaters noch einmal besucht. Er sagt, seine Mutter würde nie wollen, dass er diese Orte – vor allem das Grab seines Vaters – besucht, weil es zu sehr schmerzt. Aber für Kaifala ist es nicht nur kathartisch, es erinnert ihn auch an seine Bestimmung. Sein Vater war ein Pädagoge, und so bleibt Bildung sein Vermächtnis auf Erden, denn Kaifala baut Schulen im Namen seines Vaters.

Autorin: Mariama Wurie

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Blick Bassy

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Film

Atlantique

Atlantique
von Mati Diop

Von Geistern der Liebe in Dakar

Der Atlantik ist ein Sehnsuchtsort für Ada (Mame Bineta Sané) und Souleiman (Ibrahima Traoré). Die beiden sind jung, schön und zum ersten Mal verliebt. Und obwohl ihr ganzes Leben noch vor ihnen liegt, befinden sich beide bereits in einer Sackgasse. Souleiman, der aus einer Arbeiterfamilie kommt und auf dem Bau schuftet, hat seit vier Monaten seinen Lohn nicht erhalten und ist deshalb hoch verschuldet. Ada soll von ihren Eltern an Omar (Babacar Sylla) verheiratet werden und in der arrangierten Ehe mit einem reichen Mann glücklich werden. Bevor diese tragische Liebesgeschichte sich jedoch entfaltet, ist Souleiman plötzlich weg, mit seinen Kollegen und Freunden in ein Boot gestiegen – auf der Suche nach einem besseren Leben auf den weiten, wilden Atlantik herausgefahren. Er und die anderen Bauarbeiter wollten nicht länger an dem futuristischen Gebäude bauen, das eine Zukunft suggeriert, die niemand von ihnen je haben wird.

Atlantique wurde von Netflix co-produziert und ist in OmU Fassung auf Netflix Deutschland verfügbar.

Erste Frau of Colour in Cannes

Angesichts von Frankreichs kolonialer Vergangenheit ist es wirklich erstaunlich, dass Regisseurin Mati Diop 2019 die erste Frau of Colour war, die mit ihrem Film für die Goldene Palme bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes nominiert wurde. Denn Frankreich besetzte und veränderte auch den Senegal, Handlungsort von Atlantique, für immer. Die Franco-Senegalesin Diop wollte nach eigenen Aussagen einen Film über eine ganz bestimmte Zeitspanne zwischen 2002 und 2010 machen, in der junge Senegales:innen massenweise für eine bessere Zukunft Richtung Europa aufbrachen.

Die 1982 in Paris geborene Mati Diop stammt aus der berühmten senegalesischen Diop-Familie: Ihr Vater Wasis Diop ist Musiker und Songwriter, der für seine Mischung aus traditioneller senegalesischer Volksmusik mit moderner Popmusik und Jazz bekannt ist. Zudem ist sie die Nichte des Filmemachers und Schauspielers Djibril Diop Mambéty, der beim Kultfilm Touki Bouki Regie führte.

Mati Diop und der Cast von Atlantique in Cannes

Süddeutsche Zeitung

Verliebt in einen Geist – Umso enttäuschender ist es, dass der Streamingdienst Netflix, der den Film coproduziert hat, ihn in Deutschland ohne große Werbung in den Tiefen seiner Mediathek versenkt. Er hätte eine bessere Behandlung verdient. Nicht nur, weil er der Migrationsdebatte, von der die Europäer oft glauben…

Frauen als besessene Erzählerinnen

In Abwesenheit der Männer stehen in Atlantique die Frauen im Mittelpunkt, bis die Verschwundenen als Geister wieder auftauchen. Jeder kennt wahrscheinlich das Gefühl, buchstäblich krank zu sein vor Angst um einen geliebten Menschen. Diop zeigt, was passiert, wenn dieses Gefühl eine ganze Gesellschaft erfasst. Dass diese kollektive Erschütterung Symptom ist für globale Ungerechtigkeit, muss sie im Film nicht extra deutlich machen. Diop erzählt, wie Souleiman und die anderen verschwundenen Männer die zurückgeblieben Frauen als Geister heimsuchen. Die Besessenheit erlaubt ihnen nicht nur, Körper und Seelen zu tauschen, sondern setzt auch ungeahnte Kräfte in den Frauen frei, mit denen sie ihren Geliebten nachträglich zu Gerechtigkeit verhelfen. Sie sind besessen, aber es ist eine Besessenheit, die ihnen nicht nur erlaubt, Seelen und Körper zu tauschen und sich mit ihren abwesenden Geliebten zu vereinen. Sie setzt auch bei ihnen Kräfte frei, von denen sie nichts ahnten. Was auch immer den Männern geschehen ist: Ihr Versuch, das Leben in die eigene Hand zu nehmen, war nicht ganz vergebens.

Atlantique, Frankreich/Senegal/Belgien 2019 – Regie: Mati Diop. Buch: Olivier Demangel, Mati Dio. Kamera: Claire Mathon. Mit: Mama Sané, Ibrahima Traoré.

Blick Bassy

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Film

You will die at 20 und der Adichie Moment, der nicht kam

You will Die at Twenty und der Adichie Moment, der nicht kam
-
von Zeena Mubarak

Ich bin mehr als bereit für Geschichten, die dem verlorenen kleinen sudanesischen Mädchen in den USA, das ich einst war, eine Vorlage dafür geben können, sich selbst zu lieben.

Ich wuchs als sudanesisches Kind in den USA auf. Wenn wir dort Fantasiespiele spielten, waren die Charaktere, die ich mir ausdachte, immer weiß und ich hatte wenig Grund zu glauben, dass sie etwas anderes als weiß sein könnten. Ich sah nur selten Afrikaner:innen in den Medien, und wenn, dann nur in Wohltätigkeitsspots, in denen traurige Kinder ihre Hände ausstreckten und in denen im gleichen Ton wie über verletzte Welpen gesprochen wurde. Die weißen Charaktere aus meinen Büchern und aus den Filmen, die mein geistiges Auge prägten, konnten in die Welt hinausziehen und Abenteuer erleben. Aber das Mädchen, das ich im Spiegel sah, lebte ohne Ankerplatz und konnte nirgendwo hin.

Die Reisen meiner Familie in den Sudan jeden Sommer waren mein jährliches Highlight. Der Sudan war Freiheit; die Tage lang, an denen ich mit meinen Cousinen, die wie Schwestern für mich waren, der in den USA allgegenwärtigen Aufsicht Erwachsener entkommen konnte. Der Sudan war auch Stabilität; das Haus meines Großvaters stand dort, seit meine Mutter klein war, und unterschied sich so sehr von den vielen Wohnungen und Häusern, zwischen denen wir in Amerika hin- und herzogen. Aber in meinem übrigen Leben gab es keine Worte, um die großen Flachdachhäuser zu beschreiben, die mit wechselnder Besetzung von „nahen“ Verwandten gefüllt waren, deren Gesichter ich nicht immer erkannte, deren Liebe zu mir aber immer spürbar war.

Wenn wir in die USA zurückkehrten, schrumpfte der Sudan gezwungenermaßen auf die Größe unseres Hauses zusammen. Niemand da draußen hatte je von einem solchen Land gehört, wenn er nicht mit dem Darfur Konflikt vertraut war. In dem Afrika, das wir in den USA repräsentiert sahen, gab es keine Freude, sondern nur unendlich große, unstillbare Bedürftigkeit. Und natürlich führte kein Weg daran vorbei, dass ich als Teenager mit meiner dunklen Haut, mit dem unverständlichen Essen auf unserem Tisch und meiner unüberwindbaren Andersartigkeit weniger glücklich war.

Das begann sich zu ändern, als wir im Englischunterricht The Thing Around Your Neck von der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie durchnahmen. Es war umwerfend. Afrika im Englischunterricht! Afrika gerettet aus den traurigen Fußnoten im Sozialkundeunterricht! Dass die Worte von Adichie, einer Afrikanerin, im selben Klassenzimmer gelehrt wurden, in dem wir Shakespeare und Fitzgerald lernten, bedeutete mir alles. Ich erinnere mich, dass ich beim Durchblättern ihrer Kurzgeschichten dachte: „Ich kenne dieses Mädchen, ich kann dieses Haus sehen.“ Obwohl ihre Figuren auf der anderen Seite des Kontinents lebten, auf der anderen Seite des Landes, das ich kannte, erkannte ich mich und meine Familie auf den Seiten wieder. Mir wurde bewusst, wie abwesend wir von allem um mich herum gewesen waren.

Cover der deutschen Übersetzung von "The Thing around your neck"

Als ich im dunklen Kinosaal und darauf wartete, dass You Will Die at Twenty begann, den sudanesischen Film, der letzte Jahr rausgekommen war, war ich sicher, vor einem weiteren Adichie Moment zu stehen – nur noch besser, denn mein eigenes Land, nicht nur mein Kontinent, würde dargestellt werden. Stattdessen hat mich das, was folgte, am Boden zerstört.

You Will Die At Twenty erzählt die Geschichte von Muzamil, einem jungen Mann, der in einem ländlichen sudanesischen Dorf lebt. Bei seiner Geburt wird prophezeit, dass er im Alter von 20 Jahren sterben wird, eine Vorhersage, die seine Familie zerstört. Sein Vater flieht, um im Ausland nach Arbeit zu suchen, während seine Mutter ihre Zeit damit verbringt, die Tage bis zu seinem Tod zu zählen. Muzamils Schulkameraden meiden ihn und nennen ihn „Sohn des Todes“. Als junger Erwachsener steht er nur noch seiner Jugendliebe Naima nahe und hat sein Schicksal passiv akzeptiert.

Erst als Suleiman ins Spiel kommt, ändern sich die Dinge. Diese Figur, die nach langer Abwesenheit nach Hause zurückkehrt, steht für die Einführung westlicher Werte in das statische sudanesische Dorf. Suleiman stellt den Glauben Muzamils in Frage, indem er ihn in den Verkauf von geschmuggeltem Alkohol verwickelt. Er führt ihn durch die Vorführung sexuell provokanter Filme in die Außenwelt ein. Er setzt Muzamils Auflehnung gegen den Aberglauben in Gang.

Im Gegensatz zu Suleiman tun die anderen Dorfbewohner:innen nichts, um zu helfen. In einer Szene geht Muzamil nach Hause und trifft seine Mutter Sakina und andere Frauen an, die seine Beerdigung vorbereiten. Selbst diejenigen Dorfbewohner:innen, die Zweifel am Aberglauben der Mutter äußern, tun wenig, um sie aufzuhalten. Somit macht sich die gesamte Gemeinschaft an Muzamils Elend mitschuldig. Die einzige Ausnahme ist der verwestlichte Retter Suleiman.

An You Will die at Twenty stieß mir so vieles bitter auf – nicht zuletzt die Entscheidung des Dores, sich auf die Seite von Sakina zu stellen. Die sudanesischen Gemeinschaften in den USA und im Sudan, denen ich angehöre, kümmern sich umeinander. Wann immer ich etwas brauche, gibt es einen Cousin, einen Freund, einen Nachbarn, der bereit ist, mir eine Unterkunft, eine Fahrt zum Flughafen, ohne Fragen eine Schulter zum Ausweinen zur Verfügung zu stellen. Als mein Grossvater starb, fuhr mich ein Schulfreund meines Vaters mehrere Stunden nach Hause. Der Cousin meines Vaters flog letztes Jahr zu meiner Hochzeit im Sudan ein, obwohl Wochen zuvor in der Nachbarstadt Massaker stattgefunden hatten. Wo waren also Muzamils Cousins? Wo waren diejenigen, die ihn in jeder sudanesischen Gemeinde, die mir untergekommen ist, bis zum Tod verteidigt hätten, anstatt zuzusehen, wie seine Mutter ihn zugrunde richtet?

Es ist ganz eindeutig, dass der Film für ein westliches Publikum gemacht wurde. Das wird schon klar in der Botschaft, dass Afrika sich nicht ohne europäische Anleitung weiterentwickeln kann und auch in seinen visuellen Referenzen, wie etwa den ständigen Parallelen zwischen Sakina und christlichen Darstellungen der Jungfrau Maria. Meinem Mann, der im Sudan aufgewachsen ist, sind diese Anspielungen entgangen, denn sie waren nicht für ihn bestimmt.

Diese westliche Ausrichtung war vielleicht nicht überraschend, da der Film teilweise von französischen und deutschen Produktionsfirmen finanziert wurde. Aber wenn er sich an ein westliches Publikum richtet, hat er eine noch größere Verantwortung, schädliche Stereotypen in Frage zu stellen. Wir leben in einer Welt, in der der britische Premierminister geschrieben hat, dass das Problem Afrikas darin besteht, „dass wir [Europäer:innen] nicht mehr das Sagen haben“. Wir haben einen US-Präsidenten, der die afrikanischen Nationen für „shithole countries“ hält. Beide Männer glauben, dass Afrikaner:innen der Welt nichts zu bieten haben und vor sich selbst gerettet werden müssen.

Fiktion kann solche falschen Narrative aufbrechen. Stattdessen hat You will die at Twenty alles daran gesetzt, sie zu verstärken. Es gab jedoch keinen Grund, das zu tun: Muzamil hätte in seiner Liebe zu Naima, in der Rückkehr seines Vaters oder in der Koranschule, die seine erste Zuflucht vor seiner Mutter war, Empowerment finden können. Er hätte auch von Suleiman etwas lernen können, aber nur in einem Pozess, in dem dieser auch etwas von ihm lernt.

Africa is a country

Dieser Artikel von Zeena Mubarak erschien im Original bei Africa is a country unter dem Titel „You will Die at Twenty and the Adichie moment that never came“.

Obwohl ich den Großteil meines Lebens in den USA verbracht habe, habe ich festgestellt, dass meine wahre Stärke in den Werten liegt, die meine Mutter an mich weitergegeben hat – mein Glaube, meine Loyalität, meine Wertschätzung von Gemeinschaft. Diese Werte sind vielleicht weniger traditionell westlich, aber es gibt nichts, was mit der westlichen Gesellschaft unvereinbar ist. Tatsächlich sind sie es, die meinem täglichen Leben hier in den USA einen Sinn geben.

Mein jugendliches Ich konnte nicht anders, als die mediale Botschaft zu schlucken, dass alles Afrikanische schwach sei, und war unendlich unglücklich. Ich verbrachte ganze Nächte auf dem Boden meines Kinderzimmers, fühlte mich eingesperrt in meinem Körper.

Erst später am College – als ich begann, alleine in den Sudan zu reisen, mich in eine muslimische Gemeinschaft in den USA zu integrieren und mich nicht mehr durch mein afrikanisches Erbe zurückgeworfen fühlte – wurde ich glücklich. Mir wurde klar, dass ich meinem Sudanesischsein nicht entkommen kann, sondern dass es etwas ist, dass ich ganz und gar bejahen und annehmen will.

Als mein Mann und ich nach You Will Die at Twenty das Kino verließen, überkam uns die Empörung. Es fühlt sich an, als wären wir zurückversetzt worden in meine Kindheit, als das einzige Narrativ, das wir von Afrika sahen, das von Afrika als Problem, auf das nur der Westen eine Antwort sei, war. Ich bin mehr als bereit für Geschichten, die frei von westlich geprägten Retterinnen und Rettern sind. Geschichten, die nicht nur über Afrikaner:innen, sondern für Afrikaner:innen gemacht sind. Geschichten, die dem verlorenen kleinen Mädchen, das ich einst war, eine Vorlage für die Liebe zu sich selbst geben könnten.

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Film Verschiedenes

Der Entzauberung ins Auge blicken

Der Entzauberung ins Auge blicken
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von Haythem Guesmi

Die Geschichte Afrikas beinhaltet das ständige Navigieren zwischen utopischer Vision und brutaler Realität, wie die jüngsten Arbeiten des ägyptischen Filmemachers Tamer el-Said und zuvor auch die des Schriftstellers Ayi Kwei Armah zeigen.

Ein permanenter Daseinszustand

Entzauberung hat irgendwie etwas an sich, das sie zu etwas besonders Afrikanischem macht. Afrikaner und Afrikanerinnen haben in einer long durée gelebt, die so alt ist wie das Leben selbst. Das bedeutet, dass sie unendlich oft mit ansehen mussten, wie ihre Hoffnungen und Träume erfüllt, dann zerschlagen, erprobt und verworfen wurden. Entzauberung wird zu einem permanenten Daseinszustand, den Afrikaner:innen gut kennen und dem sie direkt ins Gesicht sehen können.

Jedes Mal, wenn ein Projekt des aufrichtigen sozialen Wandels scheitert, wird dieser enttäuschende Zustand der Entzauberung sichtbar. Nach den afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen und dem Arabischen Frühling verwandelte sich die Euphorie, wieder frei zu sein und von den unendlichen Möglichkeiten zu träumen, die die Zukunft bietet, schließlich langsam und stetig in eine trostlose Realität von Korruption, Elend und Tod. Doch die Erinnerung an diese euphorischen Erlebnisse ist nach wie vor so intensiv, dass ein starkes Gefühl der Sehnsucht wie ein utopischer Puls auf dem Kontinent nachschlägt.

Der janusartige bildliche Ausdruck von Entzauberung und Hoffnung definiert und prägt noch immer die afrikanische Kunst. Im Abstand von fast 50 Jahren bieten Tamer el-Saids Film In the Last Days of the City (2016) und Ayi Kwei Armahs Roman The Beautyful Ones are not yet born (1968) fast identische Dramatisierungen dieses afrikanischen Zustands – und lösen damit aktiv die afrikanische Moderne aus dem lähmenden Diskurs des Afropessimismus.
In the last days of the city begleitet den männlichen Protagonisten Khaled (Schauspieler Khalid Abdalla), der desillusioniert ist über das trostlose Schauspiel eines Kairos, das am Rande des völligen Zusammenbruchs steht. El-Saids Debütfilm, der schon 2009 gedreht wurde, verwebt fiktionale und nicht-fiktionale Elemente, um im Rückblick einen düsteren Blick auf die letzten Tage von Hosni Mubaraks autoritärem Regime zu werfen, das durch die Revolution von 2011 gestürzt wurde. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die sich verschlechternde Situation unter der gegenwärtigen brutalen Herrschaft von Mubaraks Nachfolger Abdel Fattah el-Sisi zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Films im Jahr 2016.

In the last days of the city zeigt Khaleds Alltag und seine Suche nach einer neuen Wohnung in der Innenstadt von Kairo, seine häufigen Besuche bei seiner sterbenden Mutter, die Trennung von seiner Liebe Laila, seine Unfähigkeit, über die künstlerische Leitung seines Dokumentarfilmprojekts zu entscheiden, und seine entfernte Freundschaft mit anderen arabischen Filmemachern aus Beirut, Bagdad und Berlin. Er fühlt sich von sich selbst, seinem Volk und seiner Stadt zutiefst entfremdet. Das zeitgenössische Kairo ist eine monströse Stadt, die ihre Bewohner:innen aussaugt: Versagen, Krankheit und Tod werden zu der Ästhetik, um die herum das Leben von Khaled und allen in seiner Nähe gestaltet wird.

Die Schönen sind noch nicht geboren worden

Fast 50 Jahre zuvor machte Ayi Kwei Armahs Enttäuschung über Kwame Nkrumahs Ghana The Beautyful Ones Are Not Yet Born zu einem perfekten Beispiel für das, was Joe E. Obi Jr. den Desillusionierungsroman nannte. Armahs Debütroman erschien 1968, zwei Jahre nach dem Staatsstreich, der Nkrumahs Regierung stürzte, und elf Jahre, nachdem Ghana als erstes subsaharisches Land unabhängig wurde. Er schildert rückblickend die ernüchternde Realität von Nkrumahs Autoritarismus und seine schrecklichen Auswirkungen auf Accra und dessen Bevölkerung.

The Beautyful Ones spielt in den letzten Tagen von Nkrumahs Herrschaft und schildert den unerträglichen Alltag eines namenlosen Protagonisten, der sich weigert, sich am System der zügellosen Bestechung und Gewalt zu beteiligen. Er ist entfremdet von seinem sinnlosen Job, seiner schmutzigen Umgebung und sogar von seiner Familie, als er sich zunächst weigert, sich an einer korrupten Transaktion zum Kauf eines Fischerbootes zu beteiligen, die seiner Frau Oyo, seiner Schwiegermutter und Koomsoon, einem alten Freund, der zum korrupten Minister in Nkrumahs Regierung wurde, zugute käme. Der Unbekannte ist ein blasser Erzähler-Protagonist, der verzehrt wird von einem lähmenden Bewusstsein über die Aussichtslosigkeit einer Suche nach Schönheit, Moral und Wahrheit unter solch dystopischen Bedingungen.

Das Cover der Erstausgabe von The Beautyful Ones...

Sowohl The Last Days als auch The Beautyful Ones handeln von passiven Protagonisten, die sich nicht mit der zerfallenden Gesellschaft, in der sie leben, und der Unmöglichkeit, in  ihrem persönlichen Leben und der korrupten Welt um sie herum Veränderungen herbeizuführen, versöhnen können. Sowohl Khaled als auch der namenlose Protagonist sind hinsichtlich ihrer Wünsche und Erwartungen ambivalent, ständig von ihrer Unfähigkeit überwältigt und schließlich unfähig, eine kohärente Vision davon zu entwickeln, wie Emanzipation aussehen könnte. Sowohl Khaled als auch der namenlose Mann treiben in einem desinteressierten Halbschlaf und auf zielloser Reise durch ihre Städte. Ein tiefes Gefühl der Entfremdung und Frustration stellt die Möglichkeit in Frage, ihre Wanderung als bloße flânerie zu betrachten.
Ihre Unfähigkeit, mit der Welt um sie herum zu resonieren, wird kontrastiert durch die Überfrachtung mit Eindrücken, Gefühlen und Klangbildern, die durch die wiederkehrende Metapher des alles durchdringenden Auges unter narrative Kontrolle gebracht werden. Während sie in ihren Städten umherwandern, fesselt jeder Anblick von dem, was ihnen ungewohnt geworden ist, die Protagonisten in einem hoffnungslosen Versuch zu begreifen, was mit ihren Ländern und Mitmenschen geschehen ist.

Africa is a Country

Dieser Artikel von Haythem Guesmi erschien im Original bei Africa is a Country unter dem Titel „Looking disenchantment in the face“ .

Eine fremde, aufgezwungene Metapher

Für el-Said und Armah trägt die Entzauberung in sich die Besessenheit, das Skandalöse und das Niederträchtige durch einen langsamen, fragenden Blick zu betrachten. The Last days präsentiert Kairo als einen negativen Raum des Verfalls und des Verlusts durch lange Aufnahmen von mittellosen, zahnlosen Bettler:innen und mehrere Szenen, in denen der Schwerpunkt auf dem Auseinanderfallen von Häusern und baufälligen Gebäuden liegt. The Beautyful Ones ist voller lebhafter Beschreibungen von menschlichem Abfall und Kot. Der namenlose Protagonist bewegt sich von der Darstellung des Überlaufens von Exkrementen über „rundherum verfaulende Dinge drängen nach innen und vermischen alle Körpersäfte mit dem Geschmack der Fäulnis“ bis schließlich zum ersehnten Tod von Koomson, dessen „Mund den reichhaltigen Gestank von verfaultem Menstruationsblut hatte“.

Diese Besessenheit damit, Entzauberung mit Demut zu betrachten, hat wie erwartet heftige Kritik auf sich gezogen. The Last Days wurde zwar nach Veröffentlichung in Ägypten verboten, wurde aber weltweit auf mehr als 120 Filmfestivals gezeigt und erhielt mehr als 12 internationale Preise. Das liegt zum Teil daran, dass el-Saids Film den westlichen Blick anspricht, der Afrika als Ödland sieht: Die wüstengelbe und sepiafarbene Ästhetik, durch die Kairo dargestellt wird, und das Spektakel der urbanen Zerstörung können als Ruinenporno gesehen werden, was das immerwährende Bild Ägyptens und Afrikas im Allgemeinen als trostloser Raum des Verfalls und des Todes verstärkt. Ähnliche Bedenken lassen sich auf Armahs Roman übertragen: Chinua Achebe nannte Armah bekannterweise „einen entfremdeten Schriftsteller mit allen Symptomen“ und ging sogar so weit, The Beautiful Ones als „ein krankes Buch“ zu bezeichnen, das „der Krankheit Ghanas so viele fremde Metaphern auferlegt, dass sie nicht mehr wahr ist“.

Das Aufzwingen einer fremden Metapher geht in beiden Werken tiefer. Das zentrale Wechselspiel zwischen Fiktion und Realität in The Last Days und The Beautyful Ones wird kontraproduktiv und kann das Publikum nicht von seinen Vorzügen überzeugen. In el-Saids Film lässt die Meta-Ästhetik der Bildschirmintervention des Regisseurs in Schnitt und Tempo der 250 Stunden Filmmaterial verschiedene Erzählbögen und die Entwicklung der Charaktere sinnlos und unvollständig. Auch armahs Roman schlüpft abrupt in den Essay-Modus, um langatmige und direkte ideologische und politische Aussagen aufzunehmen. Beide Werke brechen immer wieder aus ihrer fiktionalen Erzählung aus, um sich an einer expliziten und bisweilen irritierenden Kontrolle durch den Autor zu versuchen.

Was Derek Wright in seiner Analyse von Armahs Roman als „eine monolithische Vision“ bezeichnet hat, trifft auf beide Werke zu: Die Verschmelzung der Position des Autors, des Erzählers und des Protagonisten als ein und dieselbe subsumiert die unterschiedlichen Perspektiven, die in den Kunstwerken im Spiel sind, zu der vereinheitlichenden negativen politischen Vision der männlichen Schriftsteller. Dies führt zu einem Scheitern der Vorstellung einer alternativen und generativen Vision der afrikanischen Zukunft.
Die problematischste Dimension in The Last Days und The Beautyful Ones ist jedoch die passive Rolle der Frauen. Wie John Berger in Ways of Seeing schreibt: „Männer handeln und Frauen erscheinen“. Laila und Oyo sind da, um betrachtet zu werden. Sie sprechen kaum und bleiben eindimensional. Im Gegensatz zu den Männern wird nie anerkannt, dass sie die Dinge aktiv selbst in die Hand nehmen, obwohl Laila Ägypten verlässt, um eine bessere Zukunft zu suchen, und Oyo versucht, den Deal mit Koomsoon-Abkommen zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen abzuschließen.

Stattdessen sind beide Frauen auf die Rolle beschränkt, den männlichen Protagonisten zu helfen, sich mit sich selbst zu versöhnen. Lailas Besuch in Khaleds Wohnung und ihre durch einen letzten Kuss wiedererwachte Liebe retten den männlichen Protagonisten vor sich selbst und vor der Verzweiflung. In der letzten Szene der Endzeitszene bleibt der starke Eindruck zurück, dass Khaled einen Selbstmordversuch am Fenster wagte, sich aber wegen seiner erneuerten Hoffnung diesem Todestrieb widersetzte. In The Beautyful Ones verliebt sich der Mann nach einer geschlechtslosen Ehe und einer Abstoßung gegenüber Oyos Narbe aus ihrem Kaiserschnitt wieder in seine Frau, nur wegen ihres neu entdeckten Respekts für seine moralische Ehrlichkeit, nachdem er sich weigert, mit Koomsoon zu fliehen, was den männlichen Protagonisten dazu bringt, sich eine bessere Zukunft vorzustellen. Diese beiden Ereignisse ermöglichen schließlich den Abschluss beider Werke, wobei die Beiträge der Frauen im Wesentlichen darauf abzielen, die Ängste der Männer zu lindern.

Die revolutionäre Kraft

Entzauberung unterscheidet sich jedoch von Verzweiflung, und noch mehr von Apathie. In fast jeder Einstellung in The Last days wird an die revolutionären Kräfte erinnert, die später die Diktatur Mubaraks stürzen sollten. Heute wissen wir im Rückblick, dass diese Kräfte besiegt wurden und ein neues brutales Regime herrscht, aber diese Energien werden wieder aufleben und sich in eine weitere Revolution verwandeln, weil Cairos Bewohner:innen bleibende Erinnerungen an bessere, revolutionäre Tage haben. Armahs Roman drückt eine ähnlich hartnäckige Hoffnung auf Freiheit von neokolonialer Unterdrückung aus, wenn am Ende des Romans die neue Regierung verkündet wird und der Mann über ein bezauberndes Kunstwerk nachdenkt: „Die grüne Farbe wurde mit einer sorgfältigen Inschrift aufgehellt, die eine ovale Form bildete: Die Schönen sind noch nicht geboren. In der Mitte des Ovals befand sich eine einzelne Blume, einsam, unerklärlich und sehr schön.“

In diesen und anderen Fällen verkörpert die Entzauberung den ahistorischen und ortlosen Impuls eines utopischen Alltags in Afrika. Entzauberung ist nicht das Ende der Träume; sie ist das Feuer fürs nächste Mal.

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5 Filme über afrikanische Protestbewegungen

5 Filme über afrikanische Protestbewegungen
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#ENDPOLICEBRUTALITY

Seit mehr als zwei Wochen schon finden in Nigeria Proteste vor allem junger Leute gegen die Polizei-Eliteeinheit Special Anti-Robbery Squad (SARS), Polizeigewalt im Allgemeinen und Korruption statt. Die Lage eskalierte, als Polizeikräfte vergangenen Dienstag das Feuer auf Protestierende an einer Mautstelle in Lagos eröffneten. Über 50 Zivilist:innen haben seit Beginn der Demonstrationen ihr Leben verloren. International verbreiteten sich die Proteste unter dem Hashtag #EndSARS und führten auch im Ausland zu Protestkundgebungen.

Afrikanische Gesellschaften können auf eine lange Geschichte von Protesten und Demonstrationen gegen unterdrückerische Kräfte zurückblicken. Wir wollen euch heute fünf Dokumentarfilme aus der jüngeren Vergangenheit vorstellen, die sich mit solchen Protesten beschäftigen.

Bukinabé Rising - die Kunst des Widerstandes

Burkina Faso, ein kleines Binnenland in Westafrika, beheimatet eine lebhafte Gemeinschaft von Künstler:innen, Musiker:innen und engagierten Bürger:innen, die im Geist von Sankara ihr Land politisch gestalten. Zur Erinnerung: Sankara, der anti-patriarchale, sozialistische und panafrikanistische fünfte Präsident des damaligen Obervoltas, wurde in einem Staatsstreich unter Führung seines besten Freundes und Beraters Blaise Compaoré getötet, der das Land dann 27 Jahre lang als Autokrat regierte, bis ein massiver Volksaufstand zu seiner Absetzung führte. Heute ist der Geist des Widerstands und des politischen Wandels mächtiger denn je und durchdringt jeden Aspekt des burkinischen Lebens. Dieser Geist ist nicht nur für Afrika eine Inspiration, sondern auch für den Rest der Welt.

Softie - über den Aktivisten Boniface Mwangi

Sam Soko’s Dokumentarfilm Softie begleitet den kühnen politischen Aktivisten und Photojournalisten Boniface Mwangi (genannt Softie), der sich nach mehreren Jahren des Kampfes gegen Missstände in seinem Land Kenia dazu entschließt, für ein politisches Amt zu kandidieren. Mit Idealismus als einzige Waffe eine saubere Kampagne gegen höchst korrupte Gegner:innen zu kämpfen, erweist sich jedoch bald als schwierig und höchst gefährlich. Schnell, frenetisch und doch weich in seinem Kern, zeigt Softie mit klarem Fokus, wie der Einzelne selbst dann noch einen Unterschied machen kann, wenn er gegen den Strom schwimmt. Soko erfasst geschickt die Realität des politischen Aktivismus in Kenia und die Mobilisierung der Gemeinden vor Ort.

Downstream to Kinshasa

Der neueste Dokumentafilm unter Regie des berühmten kongolesischen Filmemachers Dieudo Hamadi begleitet eine Gruppe von Opfern des Sechstagekrieges im Kongo, die von der Regierung Wiedergutmachung fordert. Im Juni 2000 war die Stadt Kisangani am Kongofluss zum Schlachtfeld beim Aufeinandertreffen von ruandischen und ugandischen Streitkräften im Zweiten Kongokrieg, dem sogenannten Afrikanischen Weltkrieg, geworden. Die Überlebenden kämpfen auch 20 Jahre später noch um Entschädigung und Anerkennung der Gräueltaten, die sie bei dieser Belagerung erlebt haben.
Hamadis Film konzentriert sich jedoch nicht auf die geopolitische Vergangenheit, sondern auf die Gegenwart einer Gruppe von Kisanganer:innen, die durch die schweren Granaten und Schüsse verstümmelt wurden. Durch das Musiktheater haben manchee ihre Stimmen zurückgefunden, da sie aber nie eine finanzielle Entschädigung für ihren Schmerz erhalten haben, beschliessen sie, den Kongofluss hinunter in die Hauptstadt zu reisen, um endlich ihren Geschichten Gehör zu verschaffen.

The Art of Fallism - Intersektionalität im Protest

The Art of Fallism gewährt einen Einblick in die südafrikanische #Rhodesmustfall Bewegung und die Notwendigkeit von Intersektionalität, ohne die eine solche Revolution der Erinnerungskultur und gesellschaftlichen Strukturen zum Scheitern verurteilt wäre. Ein massiver Studentenprotest an der Universität von Kapstadt entwickelt sich zu einer nationalen Debatte für freie Bildung und das Ende aller Formen der Repression. The Art of Fallism dokumentiert diese Kämpfe, zeigt aber vor allem, wie Frauen und Trans-Aktivist:innen innerhalb dieser Gruppen dafür kämpften, dass die Bewegung integrativ wurde und sich für eine Vielfalt von Stimmen einsetzte.

The Square

The Square ist eine fesselnde, zutiefst menschliche Chronik der ägyptischen Protestbewegung vom Sturz des Militärführers Hosni Mubaraks im Jahr 2011 bis zur Amtsenthebung von Mohammed Morsi im Jahr 2013. Der Film folgt Magdy, einem Mitglied der muslimischen Bruderschaft, Khalid Abdalla, einem ägyptischen Schauspieler, der die Hauptrolle in „The Kite Runner“ spielte, und dem charismatischen Ahmed, jeweils junge Aktivisten, die seit zwei Jahren versuchen, ein besseres Ägypten aufzubauen. Bewaffnet mit nicht mehr als Kameras, sozialen Medien, tiefem Bewusstsein und einem entschlossenen Engagement für Veränderungen fängt der Film die Unmittelbarkeit und Intensität der Proteste auf dem Tahrir-Platz ein.

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Systéme K

Système K
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Performancekunst abseits der Weltöffentlichkeit

In Kinshasa erobert heute die Kunst die Straßen. Nichts und niemand kann diese Bewegung aufhalten…

Kinshasa ist die Stadt der Performances... Es gibt keine freie Presse in Kinshasa. Unsere Rolle ist es zu informieren... Manche von uns sammeln und recyceln die Abfälle einer Konsumgesellschaft, zu der wir keinen Zugang haben... Es gibt keine Redefreiheit, aber permanenten Ausdruck. Ob sie wollen oder nicht, wir drücken uns aus. Das ist das System K.

Système K ist ein wunderbarer Dokumentarfilm über die Straßenkunstszene Kinshasas und eine Gruppe von Menschen, die ihre politischen Botschaften voller Leidenschaft auf die Straße bringen – mit Hilfe von Patronenhülsen, Rauch, Blut, Wachs, Plastikmüll, Musik und ihren eigenen Körpern.

Der „Satan des Lichts“ zum Beispiel treibt auf den Dächern der Markthallen aus Wellblech auf staubigen Marktplätzen sein Unwesen. Mit zwei Hörnern auf dem Kopf und einer andauernden fiesen Grimasse erschrickt er Kinder auf der Straße. Der im Kongo lebende französische Dokumentarfilmer Renaud Barret begegnet in Systéme K einer Gruppe faszinierender Künstler:innen, die Kunst auf der Straße und für die Straße machen. Sie heißen zum Beispiel Freddy, Béni, Kongo Astronaute, Strombo, Majesktik, Kokoko! und Geraldine und intervenieren mit Skulpturen, Bildern und Performances im öffentlichen Raum, abseits der Weltöffentlichkeit und abseits des Kunstmarkts. Ihre Kunst ist spektaktakulär und politisch, denn sie bezieht sich auf Ausbeutung, die Privatisierung von Wasser, persönliche und nationale Traumata und die Geschichte des Kongo. Système K zeigt Kinshasas leidenschaftliche und vitale Subkultur, die die Stadt als ihre Bühne begreift.

Hier ein paar Filmausschnitte:

The Hollywood Reporter

If you think you know street art because you’ve seen a few works by Banksy or Shepard Fairey, then you should take a look at the immersive documentary System K (Systeme K), which follows several Kinshasa artists who bring the medium to a whole new level.

Ein Film von Renaud Barret
Frankreich
2019, 94 Minuten

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Kinshasa Symphony

Kinshasa Symphony
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Eine Ode an ein passioniertes Orchester im Kongo

Wenn wir an der Musik arbeiten, gibt es keine Grenzen. Es ist wie eine Treppe: Man geht hinauf und hinauf.

Dieser Dokumentarfilm über ein Symphonierorchester aus Kinshasa ist zwar schon zehn Jahre alt, aber immer noch ein absoluter Hochgenuss! Er nimmt uns mit in den Alltag der Mitglieder des höchst außergewöhnlichen „Orchestre Symphonique Kimbanguiste“ in der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo.

Der Dirigent Armand Diangienda gründete das Orchester 1994, nachdem er seinen Job als Flugzeugpilot verloren hatte. Er hat nie eine Ausbildung an einem Konservatorium absolviert, sondern bezeichnet sich selbst im Film einfach als von Natur aus neugierig. Das Ensemble benannte er nach seinem Großvater Simon Kimbangu, einer politischen Ikone der kongolesischen Geschichte.

Als Diangienda zum ersten Mal zwölf junge Menschen versammelte, die Geige spielen lernen wollten, hatte er beispielweise nur fünf Instrumente: „Einer spielte immer 20 Minuten lang und gab dann die Geige an den Nächsten weiter“. Als die Geigensaiten rissen, ersetzten sie sie durch Bremszüge von alten Fahrrädern. Wenn sie eine C-Trompete brauchten, zerschnitten sie ein anderes Instrument. Und als sie einen Schallbecher für eine andere Trompete brauchten, bauten sie den Radkranz aus einem alten Kleinbus um.

Da die Demokratische Republik Kongo schon lange von Krieg, Ausbeutung, Armut und Korruption heimgesucht wird, haben die Musiker:innen des Orchesters ständig logistische Probleme wie Stromausfall oder Mangel an Instrumenten, aber gegen alle Widerstände proben sie anspruchsvolle Werke wie Beethovens Neunte Symphonie und Orffs Carmina Burana. Aus purer Liebe zu der Musik überwinden die sie ein Hindernis nach dem nächsten und geben schließlich zum Unabhängigkeitstag des Kongos ein großes Freiluftkonzert in Kinshasa.

Der Film begleitet einige Mitglieder des Orchesters auf deren Weg zum Konzert und zeigt diese bei den Proben als auch im Alltag bei deren Arbeit und zuhause. Er endet mit Ausschnitten des Auftritts.

Das ist ein bisschen verborgen, aber es gibt afrikanische Rhythmen bei Beethoven

Kinshasa Symphony wurde von den deutschen Regisseuren Claus Wischmann und Matin Baer realisiert. Er gewann zahlreiche Preise, zum Beispiel den Publikumspreis beim Festival des Deutschen Films 2010, beim Bolzano Cinema 2011 und beim Frestival de Cine Aleman Buenos Aires, sowie den Preis für den besten Dokumentarfilm beim CJM Film Festival 2010.

Hier geht es zur offiziellen Website des Film.

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Film

Wanuri Kahiu

Wanuri Kahiu
Afrobubblegum: Kunst, die das Leben feiert

Sicher habt ihr schon von dem Film Rafiki der kenianischen Filmemacherin Wanuri Kahiu gehört, einem kenianischen Liebesfilm über eine queere Beziehung. Dieser war der erste seiner Art und hat für ganz schön Trubel gesorgt, denn er wurde in Kenia selbst verboten. Rafiki hat eine ganz eigene, farbenfrohe und helle Ästhetik und transportiert zu einem großen Teil fröhliche und positive Inhalte.

Wahiu erklärt in einem Interview, dass sie das Genre des Filmes als Afrobubblegum bezeichnet:

„Wir – das heißt, ein Kollektiv von Musikern und Zeichnern und Filmemachern – nennen unser Genre ‚Afrokaugummi‘ (Afro-Bubblegum): Kunst, die das Leben feiert, die freudig und frech und frivol ist. Wir kreieren Afrobubblegum-Inhalte, und das bedeutet, gegen die schrecklichen Afrika-Bilder anzugehen. Wir sind modern und optimistisch und kosmopolitisch, und so möchten wir auch gesehen werden.“

Und weiter…

Die meiste Förderung für afrikanische Kunst bezieht sich auf Konflikte: „Seien Sie stark für etwas oder stark gegen etwas, oder machen Sie ein Gender-Statement“, bekommt man gesagt, „thematisieren Sie deprimierende Zustände.“ Aber so ist unser Film nicht. Er handelt von zwei Mädchen, die sich ineinander verlieben. Das ist nicht, was die Geldgeber von Afrika erwarten. Es gibt keine Tradition von positiven, Hoffnung machenden Filmen. Aber dieses Narrativ der Verzweiflung wollen wir verändern.“ „Rafiki“ ist in Swahili gedreht. Genauer: in Sheng, einem Slang aus Nairobi, sodass außerhalb viele Gesten und Ausdrücke gar nicht verstanden werden dürften. Diesen Film sollen Kenianer, sollen Afrikaner sehen, damit sie sich anders zu sehen lernen, als sie in den meisten Medien dargestellt werden.

Ein weiterer sehr starker Film von Kahiu ist „From a whisper“, ein Drama über die terroristischen Bombenanschläge auf die US-amerikanische Botschaft in Nairobi 1998.

Mit sehr viel Feingefühl für Trauer, Freundschaft und familiäre Beziehungen erzählt der Film anhand von zwei Betroffenen, welche Risse im Leben ein solches Ereignis hinterlässt. From a whisper gewann eine Auszeichnung in der Kategorie beste Erzählung auf dem Pan African Film & Arts Festival.

Für alle Science Fiction Fans sollte jedoch „Pumzi“ von Kahiu der heißeste Tipp sein, ein futuristischer Kurzfilm über die Auswirkungen des Klimawandels. Der Film, der 2009 erstmals gezeigt wurde, spielt 35 Jahre nach dem Dritten Weltkrieg, dem sogenannten Wasserkrieg, in einer autoritär organisierten Gemeinschaft, die wegen der lebensbedrohlichen Hitze auf dem Planeten in einer überirdischen Kapsel lebt. Wasser ist eine knappe Ressource und wird unter strengsten Kontrollen rationiert ausgegeben. Die zentrale Figur ist eine Schwarze Naturwissenschaftlerin, die es schafft, einen Baum in der Postapokalypse zu pflanzen und somit Leben zu erschaffen. Wirklich toll anzusehen ist es, wie geschickt Kahiu Technologieaffinität und Naturverbundenheit in Einklang bringt.

Kahiu verortet ihren Film als afrikanischen Futurismus (nicht Afrofuturismus), eine Fiktion, die SciFi, Fantasy, Mythik und Legenden umfasst, die vom afrikanischen Kontinent stammen:

Es gibt viele Möglichkeiten, über unsere Erfahrungen als Afrikaner zu sprechen, und wenn wir uns auf unsere Traditionen und Überzeugungen als Afrikaner stützen, wird dies eine Möglichkeit sein, neue Geschichten über uns selbst zu erzählen"

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