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Omar Jatta

Omar Jatta mischt die
deutsche Afroszene auf

Der afrodeutsche Musiker mit Wurzeln in Gambia und Senegal verbindet Afrobeats, Amapiano und Afro-Drill mit conscious Lyrics auf Deutsch und Mandinka. In seinen Songs geht es um Herkunft, Haltung und das Leben in der Diaspora – kritisch, empowernd und tanzbar zugleich.

Mit seiner Debüt-EP »Sprachlos« (2024) und Auftritten beim Summerjam, auf dem Splash und bei Reggae Festivals hat sich Omar Jatta schon als feste Größe etabliert. Sein Song »Woher ich komm« ist für viele zur Hymne geworden. Mit seinem zuletzt erschienenen Track »Schwarzer Mann« wirft er einen sozialkritischen Blick auf das Kinderspiel Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? und macht deutlich, wie scheinbar harmlose Rituale rassistische Denkmuster festigen können. Omar liefert Musik und Shows mit Moves, Vibes und Tiefgang. akono hat sich mit ihm zum Interview verabredet.

Du hast früher eher Popmusik mit englischen Texten gemacht. Wie kam der Wechsel hin zu Afrobeats und Amapiano mit deutschen Texten zustande?  

Ich habe mit meinem Kollegen Atché Nivain zusammen damals Musik gemacht, wir hatten auch Audio-Sessions im Studio und wir haben viel Afrobeats auf Englisch gehört. Irgendwie haben wir dann gesagt: Hey, das müssen wir auf Deutsch auch machen. Zusammen haben wir ein paar Demos gemacht, dann »Vibrations« herausgebracht. Das war, bevor ich groß aufgetreten bin, damals hatte ich eher so random Partyauftritte.

Das heißt, du machst Afrobeats und Amapiano einfach, weil du Bock drauf hast und das gute Musik ist? Oder hat das bei dir auch etwas mit Rückbesinnung auf kulturelle Wurzeln zu tun? Amapiano kommt ja eher aus Südafrika.

Der Zugang zu dieser Art von Musik war für mich einfacher als zu der Musik, die hier bei uns in Deutschland läuft. Ich kannte damals kaum Künstler, die diesen Sound gemacht haben, aber ich fand es geil, fand es schnell und fand auch, dass ich meine Message auf einem mir bekannten Rhythmus besser verbreiten kann. Es war aber am Anfang total schwer, darauf deutsche Texte zu singen. Meine Einflüsse kamen vor allem aus England, zum Beispiel von NSG. Die haben mich geknackt.

Wer sind noch musikalische Vorbilder für dich?

Wizkid, Asake, Pa Salieu, J Hus, mein Onkel Jalimadi Kanuteh und mein Opa Alhaji Banna Kanuteh aus Gambia. Ich habe zwar nicht viel Bezug zu meinem Opa als Person, aber zu der Musik, die er gemacht hat. Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. Ich glaube, das war für mich auch so vorherbestimmt. Und warum ich Afro machen wollte? Ich bin in einem Afroshop aufgewachsen. Zwischen deutschen Menschen und afrikanischen und afrodeutschen. Ich nenne die Leute afrodeutsch, das sind so Leute wie ich eigentlich. Ich bin ein Afrikaner, aber ich spreche deutsch. Real Shit. Ich werde niemals 100% so sein können wie die Brüder und Schwestern in Gambia, die sind einfach anders als wir. Die haben nicht die gleiche Art, aufzuwachsen. Wir fangen mit zwölf an, zu kiffen. Das ist doch ein ganz anderes Leben.

Aber ich dachte mir, wenn ich das alles so verpacke, helfe ich auch anderen Menschen, die Deutsch lernen, die Sprache besser zu verstehen, weil ich auch teilweise Worte benutze, die die aus ihrem DuoLinguo kennen. Die Worte, die ich nutze, sind Schlagworte, weil man sehr viel mit Alltagsdingen zu kämpfen hat. Ich habe schon viele Menschen zu Ämtern begleitet, Formulare ausfüllen, Interviews für Papierkram und so weiter. Das sind Dinge, die mich dazu beeinflusst haben afrodeutsche Musik zu machen. Mittlerweile gibt es zwar mehr afrodeutsche Musiker*innen, aber ich habe noch nicht dieses eine Album, bei dem ich sagen würde: Okay, what does it mean to be Afro-German? Und ich zeige in meiner Musik weder mit dem Finger auf jemanden noch habe ich nur Happy-Vibes, sondern ich erkläre den Leuten, was ein Scheiß-Afroshop ist. Genau das.

Omar Jatta © Michelle Mebune

Das heißt, dein Zielpublikum sind vor allem afrodeutsche Communities?

Das verstehe ich nicht. Wir sind alle Afrodeutsche in einem Land, deswegen sollte es eine Community sein. Im Endeffekt gibt es eine deutsche Community und dann gibt es verschiedene Parteien. Die Deutschen halten zusammen, wenn es um irgendetwas geht. Hart auf hart, sie halten zusammen. Und da fehlt bei uns etwas, woran wir uns festhalten können. Es geht nicht darum, einen riesigen Aufstand anzuzetteln oder so, nein. Aber wenn mehr Leute da sind, die sprechen, kann auch mehr Leuten zugehört werden. Wir sind über 80 Millionen Menschen in Deutschland.

Musik hat ja auch einen großen Identifikationsfaktor. Wenn du in Kiel als junger Schwarzer Mann aufwächst und gar keinen Bezug zu einer musikalischen Community hast, die mit Afrobeats zu tun hat, dann kannst du dich natürlich in der Musik von Omar Jatta auch finden, Zugehörigkeit finden, Widerstandsgeist gegenüber dem ganzen Alltagsscheiß auf Ämtern und so.

Und andere Themen ansprechen. Was ich viel von Afro-German Musicians mitbekomme ist: Wir sind immer so in diesem Bild von Trap Life, Hip Hop, harter Dre, aber ich frage mich, warum das Bild so ist, wenn am Ende des Tages doch eigentlich alle zu nem Fela Kuti Konzert gehen wollen? Bevor Festivals Millionen von Euros für ausländische Artists ausgeben, könnten sie doch auch die Artists buchen, die es hier gibt. Es gibt zu wenig Jungs und Mädels, diverse, anything aus meinen Reihen. Wenn wir afrikanische Musik hören, denken wir an unsere Geschichte. Nicht nur an Traumatisierung und so etwas. Sondern viele Leute vergessen, woher sie kommen und was sie interessant macht. Du bist hier und sprichst deutsch, aber irgendwie bist du nicht deutsch. Und da kommen die Fragen: Wo kommst du her? Das muss ja nicht immer schlecht sein. Wenn wir einen Grund haben, neugierig zu sein, dann sollten wir das doch genießen können.

Es wäre ja auch schön, wenn der Deutsch-Begriff irgendwann mal so aufgeweicht wird, dass all diese verschiedenen Geschichten deutsch sein können.

Ich bin bei Gott nicht ein Deutscher wie ein anderer Deutscher, der nicht hierhergekommen ist. Das will ich auch nicht sein. Ich bin Omar Jatta, der hier lebt.

Zuletzt hast du »Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?« herausgebracht, ein sehr geiler Track. Wie kam das zustande? Die politische Message da drin ist ja sehr stark, das ist kein hedonistisches Lied, sondern behandelt gesellschaftliche Fragen.

Genau. Wir kennen ja alle das Kinderspiel. Die Frage war bei mir: Okay, wir haben dieses Spiel gespielt und die meisten wussten, worum es geht. Es wurde oft eine Art racist Situation daraus gemacht, weil zum Beispiel die einzige Schwarze Person den Schwarzen Mann spielen musste. Es ist vielleicht ursprünglich nicht rassistisch gewesen, aber genau das macht es dazu. Ich weiß, dass viel in der Welt passiert, aber wenn ich mich jetzt beschreibe als Senegalese, Gambier, beschreibe ich einfach, was ich mache, mein Leben und frage euch dann: Sagt mal, wer hat denn eigentlich wirklich Angst vorm Schwarzen Mann?

Na klar gibt es auch Schwarze Männer, die sich wie ein Vollidiot verhalten. Und dann gibt es auch welche, die komplett durchdrehen und Junkies werden. Das muss ich zugeben. Aber fragt sich mal einer, warum? Ich zum Beispiel kenne die Sicht von Leuten, die an Ämtern verzweifeln und dann in der Psychiatrie landen. Und aus denen werden dann die Leute, die da draußen herumgeistern.

Aber ich dachte mir einfach: Hey, ich feiere, wer ich bin und was ich mache. Wer hat da bitte Angst? Oft habe ich in meinem Leben gemerkt, dass irgendwas off ist. Aber keiner hat mir ins Gesicht gesagt: Das und das geht ab. Wenn du mir nicht mal ins Gesicht sagen kannst, was Sache ist, solltest du gar nicht erst diese Gedanken haben. Ich hasse es, wenn es so leise passiert. Wenn man in eine Bahn kommt und dann starren einen alle an. Ich spüre diese Blicke, ich spüre, wie mich Menschen ansehen. Das ist schon crazy. Deswegen hab ich einfach gedacht, ich stelle meine Kultur vor und frage euch ganz direkt: Wer hat Angst vor mir, dem Schwarzen Mann und meiner Kultur? Weil die süßen Kids, die ich kenne, sind auf jeden Fall sweet.

Und wie waren bisher die Reaktionen auf den Track?

Das Ding ist auf TikTok auf 200.000 Klicks gegangen auf einmal. Das hat natürlich eine riesengroße Debatte ausgelöst. Das ist auch immer sweet, dass es Leute gibt, die sich direkt so hart angegriffen fühlen. Ich habe ja nie gesagt, dass das Spiel rassistisch ist. Ich habe nur diese Floskel aufgegriffen und daraus einen Song gemacht. Aber wenn ich als Schwarzer Mann so einen Song mache, heißt es auf einmal, ich will die Rassismuskarte ziehen. Nee. Aber ich habe euch getriggert, genau wie ich immer wieder getriggert werde. Was ich aber gut fand ist, dass viele positive Kommentare gab. Viele waren verwirrt, was ich auch verstehe. Viele haben in den Kommentaren erklärt, worum es in dem Spiel eigentlich geht. Da habe ich mir gedacht: Gut, wenn das der Nutzen ist und nun Leuten erklärt wird, was der Hintergrund des Spieles ist – bitte. Werdet aufgeklärt. Aber versucht mich nicht in den Dreck zu ziehen. Ich mache da eh nicht mit. Und jetzt fangen Leute online na, den Song für ihren Content zu nutzen.

Was kommt als Nächstes von dir?

Am 17. Oktober kommt der Song »Stopp« raus. Boah, der ist geil. Der ist richtig geil. Der geht in die Richtung Amapiano, Afro-House, 3-step Amapiano. Was den Beat angeht, hat mich j-jdacosta aus Köln inspiriert, das ist ein anderer Künstler, der aber auch produziert. Für mich einer der krassesten Produzenten, die es hier gibt! Der ist super. Der Song ist nach dem Summerjam entstanden, nachdem ich das erste Mal dort war und von der Bühne heruntergegangen bin. Die Zeit davor und danach war echt hart und ich war so in einem Modus von: Mir sind persönlich ziemlich viele Menschen auf die Nerven gegangen, mir ist viel auf die Nerven gegangen, mir ist als Schwarzer Mensch viel auf die Nerven gegangen. Ich war so: Ja okay, ich bin in dieser Musikszene, die mainly von so weißen Cis-Hetero Männern geruled wird. Man muss auch einfach einen krassen Unterschied dazwischen machen, wie sich Männer einem gegenüber verhalten und wie sich Frauen einem gegenüber verhalten. Manche sind halt einfach Old People und haben kein Verständnis, keine Offenheit für etwas neues. Hier in der Musikszene gibt es so viele, die einfach nur den safen Weg gehen wollen. Dabei sind gleichzeitig so viele unabhängige Künstler*innen hier draußen, unabhängig von der Ethnie, die so viel mehr können als die Label Artists und keine Möglichkeit kriegen, irgendwo zu spielen, weil sie die ganze Zeit gegen diese Konsumfresser ankommen müssen. Ich will niemandem seine Arbeit schlecht reden, aber viele upcoming Artists haben es verdient, auch auf diesen Bühnen zu sein, unabhängig davon, wer sie sind und wo sie stehen, einfach, weil sie eine kranke Show abliefern.

Das heißt das Booking ist noch etwas exklusiv?

Das ist einfach noch so ein Community Ding. Black Music wird nur bis zu einem gewissen Grad gepusht. Ich mache ja auch afrikanische Musik, das ist was ganz anderes als dieser Hip Hop, der da herrscht.

Wie würdest du das »Afrikanische« an deiner Musik beschreiben? Ist das was Sprachliches oder was Instrumentales?

Sprachlich und inhaltlich einfach. Weil ich von dem Leben erzähle, von Menschen, die ihr zuhause verlassen und nach Europa kommen. Ich spreche von Afrodeutschen. Ich spreche von uns. Von uns, die wir hier sind.

Was wünschst du dir für deine Karriere und deine Art von Musik im deutschsprachigen Raum?

Dass sich noch mehr Leute trauen, solche Musik zu machen, egal, wo sie herkommen, und einfach über sich selbst und ihre Community reden. Was ich mir für meine eigene Karriere wünsche? Ich habe Bühnen, ich bin mega happy und so. Ich will einfach nur nice Features machen. Ich habe Bock, mit den Menschen, die es schon in der afrodeutschen Musik gibt, Musik zu machen und deren Scheiß mal zu verändern. Denn ich habe mich von denen beeinflussen lassen und jetzt wird es Zeit, dass die sich von uns beeinflussen lassen. Ich habe schon viel erlebt und viel mitnehmen können. Ich bin dankbar. Aber das ganze jetzt noch einmal in einer anderen Dimension, mit einem festen Team und dass wir mehr Geld verdienen können. Ich wünsche mir mehr Förderung für unabhängige Artists.

Omar Jatta

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Bild im Header: Omar Jatta © Vanessa Hübner

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Amapiano Boom

Amapiano Boom
von Marcel Sturm

Was ist Amapiano?

Amapiano ist eine Stilrichtung der House-Musik und stammt aus Südafrika, genauer gesagt aus den prekären Stadtvierteln (Townships) in der Metropole und größten Stadt Johannesburg, auch „Joburg“ genannt. In Südafrika konnte sich anhand des chicagoer House, speziell dem „Deep House“ und des davon inspirierten afrikanischen Genres „Kwaito“, eine rege Dance-Szene entwickeln. Diese Dance-Szene und die Verhältnisse in den Townships boten einen Nährboden für die Entstehung des Amapiano Mitte der 2010er Jahre. Auf isiZulu, der meistverbreiteten Sprache in Südafrika, bedeutet Amapiano einfach „das Piano“.

Typisch für den leichtfüßigen und geradlinigen Amapiano-Sound ist die Log-Drum. Dabei wird für die Tracks in aller Regel ein Soundeffekt der Software Fruity Loops verwendet, der auf der traditionellen Schlitztrommel aus Westafrika beruht. Die Log-Drum fungiert in den Tracks als Bass-Sound, bedient tiefere Register in der Soundästhetik und spielt eigene Melodien. Zum im Vergleich zu anderen Dance-Genres langsameren Tempo, meist vorgegeben durch wilde, rhythmische Percussions oder auch Pfeifensounds, gesellen sich teils jazzige Synth- oder Klaviermelodien oder tragende Synthesizerflächen, die Mollakkorde spielen – ein ungewöhnlicher Kontrast zum sonst eher hektischen Überbau.

Politische und gesellschaftliche Komponente

Amapiano-Musik enthält oft politische und anti-rassistische Botschaften. Schon zu Zeiten der Apartheid war Dance-Musik zum Soundtrack und Symbol für Freiheit und Freiheitsbewegungen geworden. Amapiano bietet Künstler:innen Hoffnung, aus der eigenen Misere und der Armut zu entkommen. Ebenso hilft diese Musik jedoch auch den Hörer:innen, wenigstens kurzzeitig ihren Problemen zu entfliehen, zum Beispiel den oft schwierigen sozialen und politischen Realitäten in den Townships.

„Amapiano ist ein Lifestyle“ – diese von Amapaino-Künstler:innen und Szenemitgliedern häufig zitierte Phrase ist inzwischen schon beinahe zum Klischee verkommen, denn jeder möchte Amapiano machen und diesen Lifestyle leben, der so viel verspricht. So prägt Amapiano das Leben einer ganzen Generation – ihren Style, Musikgeschmack und ihren Tanz. Dabei möchte Amapiano als Bindeglied auftreten und forciert mit der Dance-Party als Treffpunkt Zusammenhalt, Inklusivität und natürlich Freiheit. Ballroompartys mit Amapiano-Künstler:innen bieten Zuflucht aufgrund einer starken Homophobie in der Bevölkerung in weiten Teilen Südafrikas, trotz einer liberalen Verfassung.

Der internationale Durchbruch

2019 gelang dem Genre dann der internationale Durchbruch. Amapiano-Tracks tauchten in den Sets bekannter DJs auf. Im ersten Corona-Jahr 2020 reichten ein paar virale Videos auf Tiktok, um den südafrikanischen Produzenten Master KG innerhalb weniger Wochen zum Superstar zu machen. Sein Song „Jerusalema“, der dem Amapiano-Genre ähnelt, verbreitete sich rasant. Folglich konnten sich weitere Amapiano-Tracks über Social-Media verbreiten, wie der weltweite Tik-Tok-Hit „Water“ von „Tyla“. Von ozeanischer Weichheit umspülte Vocal-Tracks stehen dabei neben rougheren MC-Auftritten, unter denen vor allem die sexpositive südafrikanische Sängerin Moonchild Sanelly hervorsticht.

Südafrika ist mittlerweile das Ursprungsland von Zehntausenden Dance-Musiker:innen, und Amapiano ist sowieso längst im Mainstream der südafrikanischen Musikszene angekommen. Dieser Entwicklung war besonders zuträglich, dass Amapiano der Soundtrack von Social-Media während des harten Corono-Lockdowns in Südafrika wurde, denn zu den verbreiteten Videos ließ sich auch wunderbar in den eigenen vier Wänden tanzen. Es entwickelte sich ein starker Wettbewerb um die Einnahmen mit der Musik. Diese Kommerzialisierung wiederum könnte in der Zukunft die dem Underground typischen Weiterentwicklungsprozesse hin zu einer musikalischen Vielfältigkeit und Eigenständigkeit hemmen. Tracks bekannter Amapiano-Künstler:innen wie MFR Souls, Major League DJz, DBN Gogo und Focalistic verzeichnen nun Streamingzahlen im Millionenbereich.

Peter Fox nutzte als erster deutscher Künstler den Amapiano-Sound in seinem Song „Zukunft Pink“. Dabei wurde jedoch kritisiert, dass die Herkunft des Sounds nicht genügend deklariert wurde, wodurch Debatten über kulturelle Aneignung versus kulturelle Wertschätzung entflammten. In Großbritannien ist das Genre aus Südafrika mittlerweile so populär, dass auch die öffentlich-rechtliche BBC jeden Samstag einen Amapiano-Mix sendet.

Résumé

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Amapiano unter anderem durch Social Media zum musikalischen Exportschlager in der ganzen Welt geworden ist. Amapiano ist dabei eine Musik und ein dazugehöriger Tanz, welche/r aus der Not entstanden ist – Hoffnung schenkt und Möglichkeiten bietet zu heilen und für existenziellen Ausdruck sowie Eskapismus. Letztlich bekommt dadurch die Welt, auch außerhalb von Südafrika, eine Möglichkeit einfach mal abzuschalten und eine gute Zeit zu haben.

Künstler:innen, die man unbedingt auschecken sollte

Moonchild Sanelly, Uncle Waffles, Tyla, Nkosazana Daughter, Kabza De Small, Tyler ICU, Focalistic, Kamo Mphela, Sam Deep, DBN Gogo, Felo Le Tee, MFR Souls, Major League DJz, und auch der nigerianische Sänger Asake bietet Amapiano-Einflüsse in seinen Songs.

Kabza De Small x Mthunzi – “Isimo”

Der „King of Amapiano“ Kabza De Small arbeitet mit dem Afropop/Soul-Sänger Mthunzi an ihrer neuen EP Isimo zusammen. Der einfallsreiche und wegweisende DJ erforscht hier andere Sounds wie Afro-Tech und 3Step und verschmilzt sie zu seinem weltberühmten Produktionsstil. Das gefühlvolle Projekt ist eine tiefe Erkundung von Spiritualität und Liebe.

Kamo Mphela, Khalil Harrison & Tyler ICU – „Dalie“ (feat. Baby S.O.N)

Die außergewöhnliche Tänzerin Kamo Mphela hat endlich ihren lang erwarteten viralen Track „Dalie“ veröffentlicht, auf dem Khalil Harrison, Tyler ICU und Baby S.O.N. zu hören sind. Der spitzenmäßige Song, der mit einer Tanz-Herausforderung einherkam, erreichte innerhalb weniger Tage nach der Veröffentlichung die Spitze der Charts und hat inzwischen über 10 Millionen Aufrufe gesammelt.

Asake & Olamide – „Amapiano“

Asake schrieb mit dem nigerianischen Künstler und Rapper Olamide sogar einen Song extra über das Genre Amapiano. Dabei ist „Amapiano“ die 3. Single aus Asakes Album „Work of Art“, welches akono bereits im Magazin vorgestellt hat.

Marcel Sturm (29) ist Studierender der Populären Musiken und Medien im 6. Semester und bei akono seit Herbst 2023 als Praktikant im Magazin tätig.

Bild im Header: unsplash

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Spotify in Afrika: Teil 1

Mit 551 Millionen Nutzer:innen ist das schwedische Unternehmen Spotify heute der größte Anbieter auf dem Musikstreaming-Markt. Warum Afrika so interessant für eine Expansion dessen Streamingangebotes ist. Von Marcel Sturm

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African Heat

African Heat, Spotifys Aushängeschild-Playlist für afrikanische Musik, bekommt ein neues Gesicht und schlägt damit ein neues Kapitel der Plattform für afrikanische Musik auf.

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African Heat

African Heat
von Marcel Sturm

Spotifys Playlist bekommt ein Make-over

African Heat, Spotifys Aushängeschild-Playlist für afrikanische Musik, bekommt ein neues Gesicht und schlägt ein neues Kapitel für die wichtigste Adresse der Plattform, und womöglich die wichtigste Adresse in der nicht-afrikanischen Welt überhaupt, für afrikanische Musik auf.

Die Playlist, die über eine Millionen Follower:innen auf der Plattform sammeln konnte, hat sich zu einem der führenden Vehikel für afrikanische Musik entwickelt und kann somit ein neues streaming-affines Publikum erreichen. Indem sie den Hörer:innen hilft, neue und zukünftige afrikanische Hits zu entdecken, ist sie auch zu einem Bindeglied geworden, das Fans der Musik des afrikanischen Kontinents durch die gemeinsame Liebe zu diesen ikonischen Klängen verbindet und ein Gemeinschaftsgefühl unter den Liebhaber:innen afrikanischer Musik fördert.

Mit dem gestiegenen globalen Wert und der Aufmerksamkeit, die afrikanische Musik genießt, sowie den zunehmenden Spuren, die ihre Künstler:innen auf Bühnen in der ganzen Welt hinterlassen, hat African Heat seit dessen Erstellung einige der wichtigsten Songs und Momente des Kontinents ins Rampenlicht gerückt und geltend gemacht. Seit 2018 hat African Heat unter anderem dazu beigetragen, dass große Hits wie Ckay’s „Love Nwantiti“, Wizkid’s „Essence“ und DBN Gogo’s „Love and Loyalty“ entstehen konnten. Die Playlist enthält Musik aus allen Ecken des Kontinents und bietet auch eine demokratische Plattform für aufstrebende Talente.

Die überarbeitete Playlist soll sich darauf konzentrieren, die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein innerhalb der afrikanischen Kreativ- und Hörergemeinschaften zu fördern. Inspiriert von öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem ganzen Kontinent, repräsentiert das Rebranding der Playlist visuell die Bewegung und emotionale und kulturelle Transportfähigkeit der Musik in ganz Afrika und darüber hinaus.

Um das Image von African Heat als Vehikel weiter heraufzubeschwören, wird die Playlist eine neue visuelle Identität mit einer aktualisierten Version des mittlerweile bekannten Covers tragen, das einige der größten Stars des Kontinents gezeigt hat. Ebenso wurde das Namensdesign der Playlist überarbeitet und versucht afrikanischer zu gestalten.

Die Kampagne wird auch Beiträge und Gespräche mit einigen der aufregendsten aufstrebenden und etabliertesten Künstler:innen Afrikas sowie Live-Elemente enthalten, um die erneuerte Playlist zum Leben zu erwecken und die Zuhörer:innen zu begeistern. Darüber hinaus werden die Spotify-Daten der angesagtesten „African Heat“-Künstler:innen der letzten 90 Tage präsentiert und es werden Einblicke in ihre Popularität und Reichweite gegeben. Nach den Erkenntnissen des Unternehmens kamen die Nutzer:innen, die African Heat in den letzten drei Monaten gestreamt haben, hauptsächlich aus den USA, Großbritannien, Nigeria, Frankreich, Kenia, Deutschland, den Niederlanden, Kanada, Südafrika und Ghana. Ebenso können Informationen erhalten werden, welche Künstler:innen am meisten aus der Playlist gestreamt wurden.

Sängerin Tyla ziert zur Veröffentlichung von „Truth or Dare“ das Playlist-Cover von African Heat

Tyla ist eine aufstrebende Künstlerin aus Johannesburg, die zur Veröffentlichung ihres neuen Songs „Truth or Dare“ das Cover der Playlist „African Heat“ zierte. Die gebürtige Südafrikanerin startet international gerade mit ihrer „amapiano“-Musik voll durch. Mit „Water“ präsentiert sie dabei einen astreinen Ohrwurm und weltweiten Hit. In der Nominierungszeremonie für die Grammy Awards 2024, verdiente sich Tyla sogar eine Nominierung in der Kategorie „Best New Artist“.

Der Song „Water“ wurde Ende Juli releast und wird seitdem immer beliebter. Nachdem der Song auch Teil einer Dance-Challenge auf TikTok geworden ist, platzierte sich „Water“ in zahlreichen internationalen Single-Charts, wie zum Beispiel in Großbritannien auf Rang 4. Aber auch hierzulande ist die Nummer gut dabei gewesen und erreichte Platz 25 der offiziellen deutschen Single-Charts. Ebenso wurde Platz 10 in den US-Billboard-Charts erreicht.

Das liegt wohl vor allem an der Präsenz ihrer Stimme. Tyla versteht es, einen entspannt tanzbaren Vibe zu transportieren. Zusammen mit Produzent Sammy Soso erzeugt die 21-Jährige eine zurückgelehnte Atmosphäre, die aber auch eine verführerische Wirkung erzeugen kann. Dafür sorgen neben klassischen Sound-Elementen aus Pop und R&B vor allem gezielt unterlegte Afrobeats. Zudem unterstreichen Synthies den spätsommerlichen und träumerischen Vibe.

Dabei können die Hörer:innen vieles über Dynamiken zwischen zwei Individuen in einer Beziehung lernen. Im Song sucht eine Partei nach einer Zeit der Distanz wieder Bestätigung oder Versöhnung. Der Song befasst sich mit Themen wie Selbstwertgefühl, Wachstum und der Frage nach der Authentizität der Zuneigung oder der Absichten einer Person. Ein Part fordert die andere Person heraus, sich mit ihren vergangenen Handlungen und Emotionen auseinanderzusetzen sowie die Veränderungen im Leben und in der Einstellung anzuerkennen. Darüber hinaus stellt der Song die Aufrichtigkeit von Fürsorge und Zuneigung in Frage und hebt die Komplexität von Beziehungen und die Unsicherheiten hervor, die entstehen, wenn Vertrauen auf die Probe gestellt wird. Letztendlich ist der Song eine Reflexion über die persönliche Entwicklung und das Erkennen des eigenen Wertes.

Can’t handle what I am now / You’re a fan now / And I’m not what I was / So tell me, are you down now? / ‘Cause I’m up now / So, let’s play truth or dare / Dare you to forget / That you used to treat me just like anyone / Truth or dare

Marcel Sturm (29) ist Studierender der Populären Musiken und Medien im 5. Semester und bei akono im Herbst und Winter 2023 als Praktikant im Magazin tätig.

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Das Kunstwerk : Asake

Das Kunstwerk : Asake
von Marcel Sturm

Im Juni dieses Jahres veröffentlichte der nigerianische Singer-Songwriter Asake (gesprochen: Aschake mit kurzem E) sein neues und zweites Album Work Of Art. Seinen Künstlernamen hat sich Asake, der bürgerlich Ahmed Ololade heißt, von seiner Mutter geborgt, doch ein braves Muttersöhnchen ist der Musiker ganz und gar nicht. Sein Song Mr. Money brachte ihm einen weiteren Spitznamen ein, dem neuen Tausendsassa-Sternchen am nigerianischen Musikhimmel.
Omo ope, ein Song von seiner ersten EP, den er mit dem international bekannten und ebenfalls in Lagos aktiven Rapper und Labelbesitzer Olamide aufnahm, öffnete 2022 für Asake den Weg auf die internationale Bühne. Auch sein geschicktes Tik-Tok Marketing half dabei.
Das neue Album Work Of Art lässt sich nun dabei am ehesten den Genres Afrobeats oder Amapiano zuordnen. Amapiano-Einflüsse waren schon bei seinem Debütalbum von 2022 vorhanden, das unter anderem in den USA Erfolge feiern konnte.
Amapiano ist ein südafrikanisches Subgenre aus Deep House, Jazz und der Kwaito-Musik, das afrikanische Sounds und Samples integriert und sich durch langsameres Tempo, perkussive Loops und Hip-Hop/Rap-Einflüsse auszeichnet. In den letzten Jahren entstand in der nigerianischen Mega-City Lagos eine neue Musik-Szene, die Afrobeats, Amapiano, Popmelodien und raffinierte Rap-Lyrics miteinander verbindet. Asake selbst mischte noch zusätzlich Chöre and Streicher-Arrangements bei und integrierte indigene Yoruba-Musik aus West-Afrika – genannt „fújì“.

Albumcover von Work of Art
»If you don’t feel blessed, you won’t be blessed«, sagte Asake neulich bei ABC News. Dieses Statement spiegelt seine eigene Vorstellung von Manifestation wider. Seine Songs handeln oft davon, dass jeder, der sich darum bemüht, den Segen erfahren kann, den er selbst erfährt. In Basquiat stellt Asake klar, dass er mit dem Work Of Art im Albumtitel sich selbst meint. Warum nicht. Die Chöre im Song erinnern und jedoch daran, dass nicht alles eine One-Man-Show ist, sondern dass Feiern ein gemeinschaftliches Erleben ist. Vielleicht ist Asake auch deshalb dem Amapiano so zugewandt, um ein bisschen auf dem Boden zu bleiben.
Jeder einzelne Song auf Work Of Art ist melodisch ziemlich stark, kommerziell mühelos verwertbar und der hinführende Chorus von I Believe ist ein bemerkenswerter Ohrwurm. Trotz des kurzen Abstands zwischen der Veröffentlichung des ersten und zweiten Albums klingt es nicht danach, als wäre zu hastig gearbeitet worden. Die Produktion ist wunderbar gelungen. Zum Beispiel der Moment in 2:30, wenn die Bassline in ein stotterndes Pattern übergeht, das die Rhythmik von Asakes Vocals wiederspiegelt, und die zarten Snare-Rolls, die den Beat von Sunshine unterstreichen, sind kleine Details, die auf eine gekonnte Produktion und Gestaltung des Albums hinweisen. Hinzu kommen unterstützende Sounds einer country-artigen Violine in Mogbe, von Dancehall beeinflussten Einwürfen bis zu einer an den Dire Straits angelehnten Gitarre, die den Song Sunshine eröffnet. In Sunshine interpoliert Asake außerdem eine Zeile der britischen Gruppe Lighthouse. Diese musikalische Abwandlung verdeutlicht ein weiteres Mal seinen Einfallsreichtum. Thematisch ist wiederum zu seinem Debütalbum kaum etwas Neues hinzugekommen. Asake erkundet Themenfelder wie Dankbarkeit in Olorun, Straßenweisheiten in Sunshine, Afro-Balladen in Mogbe, unterschwellige Botschaften in Awodi, und das Im-Mittelpunkt-Stehen bei sozialen Anlässen in 2:30.

Man darf gespannt sein, wie sich Asake, vor allem textlich, in künftigen Alben weiterentwickeln wird. Eines ist jedoch gewiss – seine Songs und die Mischung der verschiedenen afrikanischen Genres hören sich verdammt gut an.

Asakes nachdrücklicher Aufstieg ist geprägt von seiner Mischung aus dem aus seiner Heimat stammenden Fuji-Genre und dem aus Südafrika stammenden Amapiano. Geprägt von Holztrommeln, Fuji-inspirierten Melodien und der Yoruba-Sprache, ist Work of Art die Vereinigung von Asakes Vermächtnis, das mit seiner Klangauswahl einen anderen, aber ebenso vertrauten Weg einschlägt und die Präsenz von "Fuji-Piano" weiter festigt.

Marcel Sturm (29) ist Studierender der Populären Musiken und Medien im 5. Semester und bei akono im Herbst und Winter 2023 als Praktikant im Magazin tätig.
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Spotify in Afrika: Teil 1

Mit 551 Millionen Nutzer:innen ist das schwedische Unternehmen Spotify heute der größte Anbieter auf dem Musikstreaming-Markt. Warum Afrika so interessant für eine Expansion dessen Streamingangebotes ist. Von Marcel Sturm

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African Heat

African Heat, Spotifys Aushängeschild-Playlist für afrikanische Musik, bekommt ein neues Gesicht und schlägt damit ein neues Kapitel der Plattform für afrikanische Musik auf.

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