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Eine Stadt auf dem Hügel

Eine Stadt auf dem Hügel
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von William Shoki

Die virale Sensation „Jerusalema“ und die dazugehörige Dance Challenge offenbaren eine tiefe Sehnsucht danach, die Welt neu zu imaginieren.

Obwohl Afrika für immer als ihr Herz der Finsternis verdammt bleiben wird, ist der Welt weiterhin schleierhaft, wie der Kontinent anscheinend glimpflich davon gekommen ist in der Covid-19 Pandemie. Als das Virus Anfang des Jahres in anderen Teilen der Welt wütete und sich bereit machte, auch auf den Kontinent vorzudringen, waren die Vorhersagen ernst. Es wurde weithin angenommen, dass die ärmlichen und dicht gedrängten Lebensumstände in Afrika, die weite Verbreitung anderer Krankheiten wie HIV und Tuberkulose und der Mangel an gut ausgestatteten Gesundheitssystemen dazu führen würden, dass das Virus dort am tödlichsten verlaufen würde. Trotz ihres katastrophalen Charakters waren diese Vorhersagen angesichts der Verzweiflung anderswo nicht mal unvernünftig. Merkewürdig ist jedoch das Gefühl der perversen Enttäuschung darüber, dass dieser Fall nicht eingetreten ist. Noch merkwürdiger ist, dass auf dem Höhepunkt des Untergangs und der Finsternis wenig internationale Unterstützung geleistet wurde, um die erwarteten schlimmsten Folgen zu verhindern.

Africa is a country

Dieser Artikel erschien im Original bei Africa is a Country unter dem Titel „A city on a hill“ von William Shoki.

Auf der anderen Seite feiert die Welt mal wieder die Leichtigkeit des Kontinents, wenn auch auf die klischeehafteste Art und Weise – über seine Musik und seinen Tanz. Seit Mitte des Jahres begeistert der gospel-inspirierte südafrikanische House Track „Jerusalema“ von DJ und Produzent Master KG und Sängerin Nomcebo Zikode ein weltweites Publikum. Besonderen Aufschwung erfuhr der Track durch seine Entwicklung zur #JerusalemaDanceChallenge, die durch eine Gruppe angolanischer Freund:innen ausgelöst wurde, die sich selbst mit Tellern voll Essen filmten, während sie eine Variation des Line Dance zu dem Song aufführten. Im Anschluss daran wurden ähnliche Clips von Menschen, die zu diesem Lied tanzten, von allen möglichen Gruppen ausgetauscht – von normalen Menschen, Nonnen und Priestern, Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen und anderen wichtigen Bereichen, Polizei und Soldat:innen, Tankwartinnen und -wärtern, um nur einige zu nennen. Für die Afrikanische Union ist Jerusalema „ein Lied, das seine nationalen Grenzen und den Kontinent überwunden hat und zu dessen lebhaftem Rhythmus Menschen auf der ganzen Welt tanzen“.

Die südafrikanische Regierung stellte sicher, dass die Dance Challenge koordiniert wurde und verwandelte das meist spontane und unkoordinierte Phänomen in eine staatlich geförderte Wohlfühl-Erzählung. Als Präsident Cyril Ramaphosa den Übergang Südafrikas zur niedrigsten Corona Lockdown-Stufe ankündigte, drängte er alle Südafrikaner:innen, sich an der Tanzherausforderung im Rahmen der Feierlichkeiten zum Tag des Kulturerbes, die Ende September stattfanden, zu beteiligen. (Der Feiertag selbst hat eine merkwürdige Geschichte; er ersetzte den Shaka-Tag und ist jetzt hauptsächlich eine Ausrede zum Grillen). Urplötzlich wurde ein Land, das vorher ein Pulverfass der Unzufriedenheit gewesen war, das traumatisiert war von der Ungerechtigkeit und dem Leid, das es über den Lockdown erlitten hatte, und das doch gleichzeitig uneins darüber war, wer daran die Schuld trug, in fröhlichen Darbietungen vereint, als es so schien, dass alles wieder normal ist. Und „normal“ bedeutet für Menschen aus Südafrika in der Lage zu sein, zu verdrängen, dass normal das Problem ist. Es bedeutet, ganz bequem von der Empörung über die Brutalität der Polizei im Juni zum Beifall für ihre Darbietungen des Jerusalema-Tanzes im September überzugehen.

Aber vielleicht ist Jerusalema anders, denn die Hoffnung, die es zum Ausdruck bringt, ist nicht einfach eine Rückkehr zur Normalität, sondern der Wunsch, darüber hinauszugehen. Der Text selbst (übersetzt aus isiZulu) enthält die Zeilen: „Jerusalem ist meine Heimat, rette mich, nimm mich mit… Mein Platz ist nicht hier, mein Königreich ist nicht hier“. Doch die tatsächlich existierende Stadt Jerusalem, die „Stadt des Friedens“ bedeutet und von allen abrahamitischen Glaubensrichtungen beansprucht wird, die jedoch von Israel kontrolliert werden, ist alles andere als eine ebensolche.

Es besteht eine Kluft zwischen der religiösen Bildsprache, die durch das Lied hervorgerufen wird, und dem Zustand der heutigen religiös motivierten Praxis. Die Tatsache, dass Master KG selbst nicht besonders religiös ist, zeigt, dass das Lied eine tiefere Sehnsucht in der menschlichen Existenz anspricht, die unterhalb von religiösen Gefühlen liegt. Und als Zionist:innen (nicht die südafrikanische Version des afrikanisch inspirierten Christentums, sondern Unterstützer:innen Israels) an einem gewissen Punkt versuchten, sich die Botschaft des Liedes als Unterstützung für Israel anzueignen, arbeiteten palästinensische Solidaritätsaktivist:innen mit palästinensischen Jugendlichen in Jerusalem und südafrikanischen Jugendlichen in Durban zusammen, um zwei Videos zu produzieren, die das Profil der afrikanisch-palästinensischen Gemeinschaft und die Solidarität zwischen Südafrika und Palästina schärften. Junge palästinensische Aktivist:innen wie Janna Dschihad und Ahed Tamimi schickten Videobotschaften, in denen sie Master KG einluden, nach Palästina zu kommen, und es gab eine Reihe von Aufklärungsgesprächen mit dem Künstler und seinem Management über die Politik des palästinensischen Kampfes.

Dass Jerusalema als Idee eine Sehnsucht nach mehr als bisher darstellt, könnte vielleicht auch die merkwürdige Abwesenheit der Amerikaner:innen von der Tanzherausforderung, die gerade die Welt verrückt macht, erklären (worauf die Schriftstellerin Michelle Chikaonda in einer kürzlich erschienenen Episode von AIAC Talk hingewiesen hat).

Es war der Kolonisator John Winthrop aus Massachusetts, der die Vision eines neuen Jerusalem aus dem Matthäus-Evangelium in das Bild der Vereinigten Staaten einfügte; der grundlegende Exzeptionalismus, auf dessen Grundlage sich die Vereinigten Staaten für immer als ein Leuchtturm der Hoffnung und des Fortschritts für den Rest der Welt verstehen würden. Da sich die Vereinigten Staaten nun entschieden als gescheiterter Staat erweisen, machen sie die Mehrheit der Welt – die mit Gewalt oder Zwang ihre Version des Liberalismus übernommen hat – ebenfalls zu gescheiterten Staaten, wobei die globale Unfähigkeit, mit einer Pandemie fertig zu werden, das sicherste Testament ist.

Was also ist Jerusalema, wenn nicht die feinste Destillation eines globalen Wunsches nach einer anderen Stadt auf einem Hügel? Und nicht, indem man sich einfach einer anderen Großmacht als Amerikas bereitwilligem Ersatz zuwendet – China ist nicht der Retter der Welt -, sondern einer, die wie die tänzerische Herausforderung selbst an die Möglichkeit einer kollektiven Subjektivität glaubt. Natürlich kann diese Subjektivität in Formen zusammenbrechen, die eher reaktionär als emanzipatorisch sind. Wie Zwide Ndwandwe schreibt, gibt es nicht viel, was den Regenbogen-Nationalismus, zu der die Dance Challenge Südafrikaner:innen erhebt und die Fremdenfeindlichkeit, die gleichzeitig in den sozialen Medien grassiert und die fordert, dass die Regierung Südafrikaner:innen an erste Stelle stellt, trennt: #PutSouthAfricansFirst. Es reicht nicht aus, dass es eine weit verbreitete Unzufriedenheit über unsere Gesellschaft gibt, da sie durch den Wunsch nach etwas Besserem unterstrichen wird – man muss dem, was das Bessere sein könnte, auch Inhalt geben.

In einer kürzlich erschienenen Episode von AIAC Talk, die sich dem Gespräch über die vergangenen Wahlen in Malawi widmete, wandten Sean Jacobs und ich uns mit einer Frage an die Diskussionsteilnehmer:innen, in der es darum ging, dass der neue Anführer Malawis, Lazarus Chakwera, ein Theologe ist, von dem man weiß, dass er die Bürger:innen als Teil seiner „Herde“ bezeichnet. Wir fragten dies, um zu verstehen, ob dies ein Zeichen dafür ist, dass Malawi möglicherweise auf dem Weg zu mehr von derselben demagogischen und autokratischen Führung ist, die für den Rest des Kontinents so charakteristisch ist. Doch in den Augen von Chikaonda und des Medienwissenschaftlers Jimmy Kainja war diese Tatsache über den neuen Präsidenten nicht bemerkenswert – obwohl Malawi ein religiöses Land ist, wurde Chakwera nicht deshalb gewählt. Mit Kainjas Worten: „Malawi ist jetzt ein anderer Ort. Sein Volk hat keine Zeit für den üblichen Unsinn der politischen Klasse, den es seit seiner Unabhängigkeit ertragen musste, und vertraut nun auf seine Kompetenz als Bürger un Bürgerinnen. Es ist dieser Geist der Selbstbestimmung, der Malawi umhüllte und in dem die einfachen Bürger eine aktive Rolle bei der Überwachung und Beaufsichtigung der Wahlen ohne ausländische Beobachter spielten und so weit gingen, dass sie die Flüge mit den Stimmzetteln stündlich verfolgten und darüber informierten.

Und es ist dieser Geist der Selbstbestimmung, der leise über den ganzen Kontinent fegt, während die Bürgerinnen und Bürger auf die Krise des globalen Kapitalismus reagieren, die durch die Pandemie noch verschärft wird. Es ist leicht, einen isolierten Blick auf das erfolgreiche Management von COVID-19 als Krise der öffentlichen Gesundheit auf dem Kontinent zu werfen und zu denken, dass das Schlimmste vorbei ist und dass Afrika beeindruckt hat – aber die Wahrheit ist, dass wir gerade erst beginnen, uns mit den sozioökonomischen Rissen auseinanderzusetzen, die COVID-19 aufgedeckt und verschlimmert hat. Wir sind Zeugen einer anhaltenden Mobilisierungswelle auf dem Kontinent, die die Exzesse des Neoliberalismus herausfordert – in Nigeria, Ghana, Kenia, Simbabwe und anderswo. Südafrikas Gewerkschaften und soziale Bewegungen bereiten sich auf eine Saison landesweiter Streiks vor, die den größten Gewerkschaftsbund (der mit der Regierungspartei, dem Afrikanischen Nationalkongress, verbunden ist) und seinen engsten Konkurrenten zusammenbringen. Natürlich könnten diese Bemühungen scheitern, und zweifellos werden die Regierungen weiterhin die COVID-19-Sammlungsbeschränkungen als Vorwand für Repressionen nutzen.

Aber man hat das Gefühl, dass zum ersten Mal seit langer Zeit der Glaube besteht, dass Selbstbestimmung nur als kollektive Leistung verstanden werden kann, die darin besteht, Institutionen in unserer Gesellschaft zu schaffen, indem die Lebensbedingungen für alle garantiert werden. Das sind Errungenschaften, die politisch erkämpft werden müssen, und egal, wie schlimm die Dinge auch werden, sie werden nicht durch das Wohlwollen eines externen Akteurs zustande kommen. Das Schicksal Afrikas wird nicht vom Staat des Westens oder von China bestimmt, sondern nur von seinem Volk selbst. Was vielleicht auf der Suche nach einer neuen Stadt auf dem Hügel stärker wird, ist die Überzeugung, dass wir sie selbst bauen werden.

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Pierre Thiam

Pierre Thiam
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ein kulinarischer Botschafter der westafrikanischen Küche

Man kennt ja leider nicht viele öffentlichkeitswirksame afrikanische Profiköche und -köchinnen. Deswegen stellen wir heute den Senegalesen Pierre Thiam vor, der sich mit seiner Kochkunst und seinem Engagement für die westafrikanische Cuisine als kulinarischer Botschafter versteht.

Von Dakar nach New York

Thiam wuchs in Dakar auf, wo er, wie er im folgenden Video erzählt, schon früh von einem Kochbuch seiner Mutter und den dort abgebildeten Köstlichkeiten so begeistert war, dass er wusste, er wollte Koch werden. Leider ist das im Senegal nicht so leicht, denn

als Junge hatte ich in der Küche nichts zu suchen. Ich durfte nicht hinein, denn im Senegal ist Kochen eine geschlechtsspezifische Aktivität, die Frauen vorbehalten ist. Das ist eine ernsthafte kulturelle Angelegenheit. Mittlerweile tut sich da aber was und es gibt auch männliche Profiköche.

Als Thiam wegen der Schließung seiner Uni in den USA weiter studieren musste, entdeckte er, dass er dort auch als Mann Zugang zu Küchen und Gastronomien hatte. Als er in den späten 80er Jahren in New York ausgeraubt wurde, beschloss er kurzerhand, sich einen Job in einem Restaurant zu suchen und nicht in den Senegal zurückzureisen. Er arbeitete sich als Koch in die New Yorker Restaurant Welt hoch und eröffnete zwei eigene Restaurants in Brooklyn. Das Yolele und das Le Grand Dakar sind heute zwei visionäre afrikanische Bistros, die zu kulinarischen und kulturellen Zentren für Afrikaner:innen vom Kontinent und aus der Diaspora geworden sind.

In den späten 80er Jahren, als ich dort ankam, gab es in New York kein afrikanisches Essen. Punkt. Vielleicht gab es nordafrikanisches Essen, das an mir vorüberging, aber definitiv kein westafrikanisches.

Inspiriert von einer Philosophie des ersten senegalesischen Präsidenten Senghor (der Dichter war), lebt und arbeitet Thiam nach einem Prinzip des neuen Humanismus, bei dem verschiedene Kulturen als gleichwertige an einem Tisch zusammenkommen und alle etwas Schönes beitragen. Als kulinarischer Botschafter möchte er jedoch nicht nur Menschen an einem Tisch vereinen und ihnen über das Kochen die westafrikanische Kultur näherbringen, sondern auch den vielen Profiköchen, die in Westafrika bescheiden in ihren häuslichen Küchen kulinarische Wunder vollbringen, eine Stimme geben.

Fonio - das afrikanische Quinoa

Screenshot aus Pierre Thiams Ted Talk: A forgotten ancient grain that could help Africa prosper

Während der Arbeit an seinem ersten Kochbuch reiste Thiam für neue Inspiration in den Senegal, wo man ihm in der weit von der Hauptstadt entfernten Region Kédougou ein uraltes Getreide zeigte, das schon lange vom Speiseplan der urbanen Senegales:innen verschwunden ist: Fonio. Traditionell wurde es zubereitet, wenn man Gäste aus dem Königshaus erwartete, deswegen wird es auch das Königsgetreide genannt. Thiam vermutet, dass es bei guter Vermarktung für Westafrika das bedeuten könne, was Quinoa für Peru und Chile bedeute. Ein Urgetreide, das glutenfrei, nahrhaft, schmackhaft und dürreresistent ist, könnte westafrikanischen Ökonomien große Abnehmer verschaffen.

The Guardian

Fonio: the grain that would defeat quinoa as king among foodies

Fonio wird seit mehr als 5000 Jahren in Afrika angebaut und wurde von Archäolog:innen sogar in ägyptischen Pyramiden gefunden, wo es als Grabbeilage genutzt wurde. Noch kosten 400 Gramm Fonio aus dem Senegal bei uns knapp 9 Euro, aber es lohnt sich, die Augen aufzuhalten um zu sehen, was Thiam als Advokat des Urgetreides erreichen wird.

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Africa Riding

Africa Riding

Africa Riding auf ARTE porträtiert die Community der „Riders“: unkonventionelle junge Afrikaner:innen, die sich für eine neue kulturelle und soziale Ordnung einsetzen. Von Ghana bis Ruanda, von Senegal bis nach Uganda – die Rider nehmen uns mit zu ihren „Playgrounds“: ramponierte Gehwege, verlassene Plätze, holprige Straßen oder versandete Pisten… Die vielen Hindernisse machen aus diesen Freigeistern wahre Krieger – auf dem Asphalt und im Leben.

Jackson ist der Vater des Skatesports im Osten Afrikas. 2005, als er sich noch kaum auf einem Brett halten konnte, baute er eine Rampe inmitten der Zuckerrohrplantage seiner Mutter im Slum Kitintale in Kampala. Heute ist der Skatepark Garant für sozialen Frieden, zieht die Jugendlichen der Umgebung und darüber hinaus an und stärkt so die sozialen Bindungen in der Gesellschaft.

Ibrahim ist nie ohne sein BMX-Rad unterwegs, das er aus Teilen von verschiedenen Märkten Kampalas zusammengebaut hat. Sein Lieblingsgelände ist der freie Platz hinter dem ugandischen Parlament. Ein symbolisches Augenzwinkern, damit seine Stimme gehört wird – die einer Jugend, die in einem Land mit eingeschränkter Redefreiheit mehr Rechte einfordert.

Kigali ist kein Hotspot für Rollerskater – noch nicht zumindest. Hier gibt es keine Halfpipes und keine Sprayer. Der Sport ist hier noch völlig unbekannt – und daher bietet auch ein Rollerskater wie Abdul Karim Habyarimana einen sehr seltenen Anblick. Vor allem, wenn er bei seinen akrobatischen Schussfahrten auf offener Straße ganz lässig die Autos überholt. Für Karim spielt sich das Leben auf acht Rollen ab: eine Einstellung, die er auch dem Rollerskating-Nachwuchs näherbringen will.

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Kenya, let’s dance

Kenya, let's dance
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Balletttänzerinnen in Kibera, Nairobi

Das Viertel Kibera liegt am Rande der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Es ist vor allem für den schwierigen Lebensbedingungen seiner Einwohner:innen bekannt: Schulabbrüche, Schwangerschaften bei Minderjährigen, Vergewaltigungen und finanzielle Schwierigkeiten gehören zum Alltag. Dass es in Kibera eine lebendige Kulturszene gibt, darüber wird seltener gesprochen. Dazu gehören zum Beispiel Ballettkurse, die von vielen Jugendlichen gern angenommen werden. Die folgende Reportage hat die Kurse besucht und Jungen und Mädchen getroffen, die fest daran glauben, durch das Tanzen der Armut ihrer Elternhäuser entfliehen zu können.

Die sechszehnjährige Elsy lebt mit ihrer Mutter und den beiden Geschwistern auf engstem Raum. Das Dach tropft, und die Wände sind so dünn, dass man jedes Gespräch der Nachbarn mithört. Etwa 300.000 Menschen leben in Kibera unter ähnlichen Bedingungen. Elsy möchte dieser Lebenssituation entkommen. Und sie weiß auch schon, wie: durch Ballett. Mit acht Jahren kam sie erstmals damit in Berührung. Anfangs konnte sie wenig mit der langsamen westlichen Musik, die sich so sehr von den afrikanischen Rhythmen unterscheidet, anfangen. Heute aber liebt Elsy Ballett. Initiiert werden die Kurse von zwei Organisationen, die sich zum Ziel gesetzt haben, vor allem Kindern und Jugendlichen mittels Kunst einen Ausweg aus dem harten Alltag zu bieten. Neben Ballett gibt es Kurse für Theater, Akrobatik, Gesang und Kunsthandwerk. Doch das Geld ist knapp und die Angebote begrenzt. Außerdem fehlen geeignete Trainingsmöglichkeiten. So engagiert sich Elsy zum einen in Spendenauftritten dafür, Geld für weitere Kurse zu sammeln. Zum anderen verfolgt sie ihren persönlichen Traum. Denn sie weiß, dass es am Ende nur die Besten schaffen werden.

Hier geht es zur Website der Organisation, die Kunstprojekte für Kinder in Kenia und Malawi organisiert.

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The NEST Collective

The NEST Collective
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Ein multidisziplinäres Künstler:innen Kollektiv aus Nairobi

Wir hatten sehr viel Glück, haben einige coole Preise gewonnen, sind um die Welt gereist und haben die bezauberndsten Leute getroffen und mit ihnen zusammengearbeitet.

Heute wollen wir euch das NEST Kollektiv vorstellen, eine multidisziplinäre Gruppe, die sich 2012 in Nairobi zusammengetan hat und seitdem wirklich interessante Arbeiten in den Bereichen Film, Musik, Mode, bildende Kunst und Literatur produziert.

Die NEST Leute haben auch den ersten kreativen Geschäftsfonds auf dem afrikanischen Kontinent, HEVA-AFRICA, gegründet, der kreativen UnternehmerInnen aus Ostafrika finanziell das Leben erleichtern soll.

Für seine Arbeit hat das Kollektiv zahlreiche Preise abgeräumt, zum Beispiel für den queeren Anthologiefilm „Stories of our Lives“, der in über 80 Ländern gezeigt wurde.

Auf ihrer Website thisisthenest.com sagen die Mitglieder selber über ihre Arbeiten, dass sie als Interventionen gedacht sind, die das Publikum über mehrere Einstiegs- und Reflexionspunkte ansprechen und so eine nuancierte Betrachtung, Diskussion und Debatte der aufgeworfenen Fragen ermöglichen und gleichzeitig den ästhetischen und künstlerischen Wert fördern“ sollen. Dabei beziehen sie sich „am stärksten auf die städtischen und zeitgenössischen Erfahrungen Afrikas und machen dies zu unserem wichtigsten Bezugspunkt für die Erforschung unserer Geschichte und für Überlegungen über mögliche Zukünfte. Während unsere Arbeit oft auf globale Themen reagiert und sich der damit verbundenen Zusammenhänge bewusst ist, wenden wir uns in erster Linie an junge kenianische Männer und Frauen und sind begeistert, wenn die Arbeit ein anderes Publikum ebenfalls anspricht.“

Worüber wir sehr gelacht haben, ist ein kurzes Video, das den Hype um Afrofuturismus und dessen Beliebtheit auf dem amerikanischen Kunstmarkt aufs Korn nimmt. Es ist Teil der Kurzfilmserie „We need Prayers“, die der Stadt Nairobi gewidmet ist und die Dysfunktionalität, mit der viele ihrer BürgerInnen tagtäglich konfrontiert sind, zum Beispiel bei Valentinsdates in teuren Restaurants, im Umgang mit Investmentgesellschaften oder am Krankenbett eines Verwandten mit der zänkischen Familie.

Auch sehr, sehr sehenswert ist Tuko Macho, eine vom Kollektiv geschaffene interaktive Krimiserie, die auf youtube frei verfügbar ist und als eine der besten afrikanischen Fernsehserien gilt. Hier ist mal die erste Episode:

Das Foto im Header ist aus der Reihe „When we are/ when we are not“, in der das Kollektiv das „Schwarze Schweigen und die Stille“ erforscht.

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