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Wir brauchen neue Namen

Wir brauchen neue Namen
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Von einer Kindheit im simbabwischen "Paradise"

Der Roman „Wir brauchen neue Namen“ der jungen simbabwischen Schriftstellerin NoViolet Bulawayo begleitet eine Gruppe rotzfrecher Kinder aus der Barackensiedlung Paradise durch ihre äußerst prekäre Kindheit.

Paradise besteht nur aus Blech

Die zehnjährige Darling lebt in einer Hüttensiedlung in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt Simbabwes, und vertreibt sich ihre Tage zusammen mit ihren fünf besten Freunden mit abenteuerlichen Spielen auf den staubigen Straßen des Viertels. Die Kinder gehen nicht mehr zur Schule, weil ihre Eltern sich Uniform und Schulgebühren nicht leisten können. Um den hungrigen Bauch zu füllen, schleichen sich die Kinder ins Nobelviertel Budapest, um Guaven von den Bäumen zu stehlen, oder lassen sich von Weißen, die für NGOs arbeiten, T-Shirts schenken, auf denen Google steht. Ihre Sprache ist rau und angesichts der Widrigkeiten, die ihnen täglich begegnen, sind sie unsentimental und pragmatisch. Sie lassen niemanden ihrer Gruppe zurück, auch nicht die schwangere Freundin Chipo, die von ihrem Großvater vergewaltigt worden ist:

Heute werden wir ein für alle Mal Chipos Bauch los. Erstens stört er beim Spielen, und wenn wir zulassen, dass sie das Baby kriegt, wird sie zweitens einfach sterben.
Wir schleichen aus der Siedlung raus, weil die Erwachsenen nichts mitkriegen dürfen. Die Jungs, Bastard und Godknows und Stina, sind diesmal auch ausgeschlossen, weil das hier nun mal Frauensache ist, also sind nur ich und Shbo und Forgiveness dabei.
Wir machen es unter dem Mphafa-Baum hinter Heavenway; der hat einen schönen großen Schatten. Shbo breitet erst mal das Ntsaro von ihrer Mutter auf dem Boden aus. Sie erzählt nicht, wie sie an das Ntsaro gekommen ist, aber sie hat es garantiert geklaut, keine Mutter in Paradise gibt ihre Sachen her, damit sie im Dreck landen. Chipo verliert keine Zeit, vielleicht, weil sie Angst vorm Sterben hat; sie legt sich sofort flach mit dem Rücken auf das Ntsaro und blinzelt in die Sonne.
Ich sammel schon mal kleine Steine, und als ich etwa sieben habe, überlege ich es mir anders. Ich werf sie weg und sammel mittelgroße. Was genau wir mit den Steinen anfangen wollen, weiß ich noch nicht, aber keiner fragt nach und keiner hält mich auf, also sammel und sammel ich weiter.

Die Kinder sind neben Hunger, fehlender Schulbildung und instabilen Familienverhältnissen auch den Auswirkungen des Gewaltregimes der späten Mugabe Herrschaft ausgesetzt: Bulldozer kommen immer wieder an und zerstören Hütten in Paradise. Tatsächlich ließ die Regierung Mugabes in sogenannten „Müllentsorgungoperationen“ (Operation Murambatsvina) ab 2005 illegal gebaute Häuser und Marktstände in Harare, Bulawayo und anderen Städten mit Schubraupen und Radladern zerstören und niederbrennen. Mehr als drei Millionen Menschen waren direkt oder indirekt von dieser Operation betroffen.

Voller Energie, Witz und Kaltschnäuzigkeit schlagen sich die Kinder durchs Leben, bis Darling, als sie 14 ist, zu ihrer Tante nach Detroit in Michigan geschickt wird.

Enttäuschung in Amerika

Hier beginnt der zweite Teil des Romans, der durch Stimmung, Sprache und Szenerie deutlich macht, dass das Leben in Amerika eine herbe Enttäuschung für Darling ist. Obwohl es in „Destroyedmichigan“, wie die Freunde von zuhause sagen, genug zu essen gibt, quälen sie immer wieder Heimweh und Fragen von Identität und Zugehörigkeit. Es ist kalt und Darling fühlt sich nicht willkommen, nicht einmal der viel gepriesene Schnee kann sie begeistern:

Draußen schaufeln sie Schnee weg, weil so viel gefallen ist. Ich finde es gut, dass sie ihn wegschaufeln, es ist einfach zu viel Weiß, als hätte jemand dem Schnee gesagt, dass die anderen Farben gar nicht zählen. Ich glaube, eine hübsche Farbe wie beispielsweise Lila oder Rosa oder meinetwegen Regenbogen wäre wenigstens interessant anzuschauen.

Auch in den USA sind Gewalt und Härte allgegenwärtig, nur drücken sie sich als Rassismus und Vorurteile gegenüber Afrikaner:innen aus. Auch dort jedoch trotzt Darling den Widerständen mit der Resilienz, die sie in ihrer Kindheit gewonnen hat.

Die zwei Teile des Buches werden durch ein Kapitel, das einen Klagegesang auf die Auswanderung von Simbabwer:innen darstellt, getrennt, der die Schmerzen der Auswanderung und des Lebens in der Diaspora in poetische Worte fasst:

Seht, wie die Kinder in Scharen gehen, ihr eigenes Land verlassen mit blutenden Wunden am Leib und Entsetzen auf dem Gesicht und Blut im Herzen und Hunger im Bauch und Kummer in den Beinen. Ihre Mütter und Väter und Kinder zurücklassen, ihre nabelschnüre im Boden, die Knochen ihrer Vorfahren in der Erde, alles, was sie ausmacht, sie zu dem macht, wer und was sie sind, weil sie unmöglich bleiben können. Nie wieder werden sie sein wie jetzt, denn man bleibt nicht derselbe, wenn man zurücklässt, wer und was man ist, man bleibt nicht derselbe.

Bulawayos fulminantes Debüt

Sprachlich brillant, lebendig und selbstbewusst schafft es Bulawayo, die authentische Stimme eines jungen Mädchens, das im repressiven und wirtschaftlich am Boden liegenden Simbabwe nach der Jahrtausenwende aufwächst, zu zeichnen. Auch wenn der zweite Teil des Romans nicht so stark ist wie der erste, ist das Buch eine absolut empfehlenswerte Lektüre.

Bulawayos Pseudonym (in Wirklichkeit heißt sie Elisabeth Zandile Tshele) setzt sich übrigens zusammen aus der Sehnsucht nach ihrer Mutter und ihrer Geburtstadt Bulawayo: Die Vorsilbe „No“ kommt aus dem Ndebele und heißt „mit“, und Violet war der Vorname ihrer Mutter, die starb, als Bulawayo 18 Monate alt war.

Wer hören möchte, wie Bulawayo selbst über ihren Roman spricht, über die Namen, um die es im Buch geht, über das Schreiben aus der Ferne heraus und über die Grenzen von Sprache, dem sei das folgende Video empfohlen:

Hier geht es zur Website von NoViolet Bulawayo.

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Mode & Design

Yinka Ilori

Yinka Ilori
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Die Farbexplosion nigerianischer Art in London

Der Londoner Designer Yinka Ilori verarbeitet in seinen Werken Erinnerungen an eine fröhliche, bunte Kindheit. Er will die Geschichte seines nigerianischen Erbes mit Hilfe von Möbeln erzählen und seinen charakteristischen farbenfrohen Stil in größere Architekturprojekte in London einbringen.

Yinka Ilori, © Creative Review

Bei uns gab es immer Parties, wir gingen in die Kirche und zu Hochzeiten, und zu diesen speziellen Anlässen trugen die Menschen immer überall Farben. Es war eine Farbexplosion! Menschen sind immer glücklich, wenn sie Farben tragen.
Da ist aber auch diese Sehnsucht nach Zuhause. Du vermisst bestimmte Aspekte deines Dorfes oder deiner Stadt oder deiner Mutter oder deines Vaters oder deiner Familie. Ich versuche also, diese besonderen Schlüsselmomente zu erinnern und welche Farben getragen wurden und dann bringe ich diese Farben in meine Arbeiten ein.

Beim Londoner Architekturfestival gewann ein Entwurf Iloris zur Neugestaltung einer düsteren Straßenunterführung in der Londoner Thessaly Road den ersten Preis. Die Umsetzung kann sich sehen lassen: Die farbenfrohen Muster lassen die Straßenunterführung fast zu einem einladenden Raum für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen werden. Die örtliche Gemeinde sei jedenfalls stolz, so Ilori.

Happy Street © Yinka Ilori

2019 durfte Ilori zusammen mit einem Architektenteam den zweiten Pavillion im Londoner Dulwich Center gestalten. Das Ergebnis war ein zehn Meter hoher Würfel, der auf vier roten Zylindern steht und europäische und afrikanische kulturelle Traditionen vereint. Der Bau soll laut Ilori Studio eine Feier von Farben, Mustern und Licht sein und das multikulturelle London widerspiegeln. Stoffe und Muster, die man auf dem Lagoser Markt Balogun in Lagos ebenso bewundern könne wie in Londons „Little Lagos“, hätten das das kühne geometrische Muster des Pavillons inspiriert, das einen starken Kontrast zu dem von Sir John Soane entworfenen, unter Denkmalschutz stehenden Galeriegebäude bildet.

der Colour Palace im Dulwich Center

Im selben Jahr überraschte Ilori mit einem ähnlich starken Kontrast zur Architektur Londons durch seinen Beitrag zur Ausstellung Get up stand up now im Somerset House. Das Somerset House wollte die Auswirkungen von 50 Jahren Schwarzer Kreativität in Großbritannien feiern und zeigte zu diesem Anlass eine große Auswahl von Werken aus Kunst, Film, Fotografie, Musik, Literatur, Design und Mode.

Der Kurator Zak Ové lud das Yinka Ilori Studio ein, die neoklassizistische Umgebung des Hauses in eine aufrührerische, farbenfrohe Kulisse für Hunderte von Kunstwerken zu verwandeln. Das Projekt umfasste auch eine lebendige, mehrfarbige Türverkleidung und maßgefertigte Möbel einschließlich gepolsterter Sitze.

Yinka Iloris farbenfrohe Gestaltung des Somerset House

Iloris Werkstatt ist voll von Referenzen, die in Lagos und im Dorf seiner verstorbenen Großmutter gesammelt wurden – Stoffe, Gemälde… und Musik. Tief inspiriert von nigerianischen Afrobeat-Pionieren wie Fela Kuti, King Sunny Ade und Ebenezer Obey, kann man diese Rhythmen sogar in den statischen Objekten spüren, die er produziert:

Zum Weiterlesen und Weitergucken:
Yinka Iloris Website
Yinka Iloris Instagram Account

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Film

Systéme K

Système K
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Performancekunst abseits der Weltöffentlichkeit

In Kinshasa erobert heute die Kunst die Straßen. Nichts und niemand kann diese Bewegung aufhalten…

Kinshasa ist die Stadt der Performances... Es gibt keine freie Presse in Kinshasa. Unsere Rolle ist es zu informieren... Manche von uns sammeln und recyceln die Abfälle einer Konsumgesellschaft, zu der wir keinen Zugang haben... Es gibt keine Redefreiheit, aber permanenten Ausdruck. Ob sie wollen oder nicht, wir drücken uns aus. Das ist das System K.

Système K ist ein wunderbarer Dokumentarfilm über die Straßenkunstszene Kinshasas und eine Gruppe von Menschen, die ihre politischen Botschaften voller Leidenschaft auf die Straße bringen – mit Hilfe von Patronenhülsen, Rauch, Blut, Wachs, Plastikmüll, Musik und ihren eigenen Körpern.

Der „Satan des Lichts“ zum Beispiel treibt auf den Dächern der Markthallen aus Wellblech auf staubigen Marktplätzen sein Unwesen. Mit zwei Hörnern auf dem Kopf und einer andauernden fiesen Grimasse erschrickt er Kinder auf der Straße. Der im Kongo lebende französische Dokumentarfilmer Renaud Barret begegnet in Systéme K einer Gruppe faszinierender Künstler:innen, die Kunst auf der Straße und für die Straße machen. Sie heißen zum Beispiel Freddy, Béni, Kongo Astronaute, Strombo, Majesktik, Kokoko! und Geraldine und intervenieren mit Skulpturen, Bildern und Performances im öffentlichen Raum, abseits der Weltöffentlichkeit und abseits des Kunstmarkts. Ihre Kunst ist spektaktakulär und politisch, denn sie bezieht sich auf Ausbeutung, die Privatisierung von Wasser, persönliche und nationale Traumata und die Geschichte des Kongo. Système K zeigt Kinshasas leidenschaftliche und vitale Subkultur, die die Stadt als ihre Bühne begreift.

Hier ein paar Filmausschnitte:

The Hollywood Reporter

If you think you know street art because you’ve seen a few works by Banksy or Shepard Fairey, then you should take a look at the immersive documentary System K (Systeme K), which follows several Kinshasa artists who bring the medium to a whole new level.

Ein Film von Renaud Barret
Frankreich
2019, 94 Minuten

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