Axmed: Ja, das Bleaching von House und Techno ist definitiv abgeschlossen und nicht nur weiße Leute denken, dass es sich dabei um Musik handelt, die weiß ist, sogar Schwarze Leute glauben das. Die Geschichte wurde total ausgelöscht, auch wenn sie noch nicht so lange her ist. Ich erinnere mich an die Reaktion der Leute, die nicht in Tanzmusik involviert sind, als Black Queer & Trans Resistance NL die Podcast Folge geteilt hat, von der du geredet hast.
Mathys: Obwohl das Annehmen von Schwarzen Identitäten alles andere als ein neues Phänomen ist. Ein gutes Beispiel ist Italo Disco. Um mehr Glaubhaftigkeit zu gewinnen, bestanden Bands wie Change komplett aus Schwarzen Sänger:innen und Tänzer:innen, auch wenn die Proudzent:innen weiß waren. Man könnte argumentieren, dass es wichtig für Marketing Zwecke war, vor allem Schwarze Gesichter im Programm zu haben. Sogar Luther Vandross hat kurz zu dieser Band gehört. Und es überrascht nicht, dass die Anfänge von Italo Disco mit dem ‚Verbot‘ von Disco in den Staaten zusammenfielen, mit anti-Disco Events wie der Disco Demolition Night am 12. Juli 1979 im Comiskey Park in Chicago. Diese anti-Disco Bewegung war ein richtiger Whitelash (auch White Backlash oder White Rage Backlash, ist die negative Reaktion weißer Menschen auf den Fortschritt anderer ethnischer Gruppen in Bezug auf deren Rechte und Möglichkeiten, ihre wachsende kulturelle Parität oder politische Selbstbestimmung, Anm. Red.), angeführt von weißen Cis-Menschen und gegen das Aufkommen von Musikgenres, die aus queeren Gemeinschaften von People of Colour kamen.
Axmed: Ja, und das war auch Teil des Aufkommens von Eurodisco und von dem, was auch ‚post disco‘ genannt wurde und aus dem Bands wie Boney M entstanden sind, auch ein Projekt eines weißen Produzenten mit lauter Schwarzen Bandmitgliedern. Das ist eine ganz andere Diskussion, aber es lohnt sich, darauf hinzuweisen, wie ersetzbar viele der Bandmitglieder waren. Aber grundsätzlich gab da eine weiße Person den Ton an.
Mathys: Lange Zeit war Rap, vor allem Gangsta Rap, Musik, die nur von Schwarzen Künstler:innen gemacht werden konnte, dann wurde er mit dem Bekanntwerden von weißen Rappern wie zum Beispiel Eminem an ein größeres (vorwiegend weißes) Publikum vermarktet und nun ist das Genre teilweise entkoppelt von dem sozio-ethnischen Hintergrund, in dem es seinen Ursprung hatte. Ich habe das Gefühl, in der Tanzmusik haben wir einen Punkt erreicht, an dem sie so ge-whitewashed ist, dass es für weiße Künstler:innen ohnehin nicht mehr nötig sein sollte, eine Schwarze Identität anzunehmen. Ich empfinde es also so, dass es nicht mehr nur um Marketing und Glaubhaftigkeit geht, sondern auch darum, ein Statement zu machen.
Axmed: Interessant, dass du das sagst, denn die Frage ist, was dieses Statement eigentlich genau ist? Ich glaube ehrlich, dass du manchen dieser Künstler:innen zu viel zugestehst, wenn du denkst, dass sie lange darüber nachdenken, Schwarze Identitäten zu benutzen. Ich würde eher argumentieren, dass weiße Künstler:innen die Welt als ihr Spielfeld begreifen und ihnen die Konsequenzen und Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Schwarze und farbige Künstler:innen und Partygänger:innen egal sind. Wenn man es herunterbricht, geht es darum, dass die Szene sich kein bisschen um Schwarze Menschen kümmert, was natürlich ein Produkt der Gesellschaft ist, in der wir leben.Zusätzlich dazu gibt es immer noch Möglichkeiten, das Annehmen einer Schwarzen Identität als Verkaufspunkt zu nutzen. Ein gutes Beispiel dafür in den Niederlanden ist Beesmunt Soundsystem, die den Namen Tanzania Soundsystem für eine ihrer Veröffentlichungen genutzt haben, zusammen mit Swahili Wörtern und Sätzen für die Tracktitel:
Msichana = Mädchen
Mdomo= Mund oder Lippen
Ngono Kijiji = Sex auf dem Dorf
Upotofu = Unmoralisch oder beschämend
Einer der Tracks beinhaltet Massai Gesang und die anderen sind ‚Remixes‘ von Klassikern tansanischer Rumba Bands wie zum Beispiel der Juwata Jazz Band, deren Mitglieder noch leben soweit ich weiß. Wurden die bezahlt? In der Pressemitteilung verweist das Highlife label nicht auf Beesmunt Soundsystem, sondern auf ‚the mysterious Tanzania Sound System‘. Auf dem Coverbild sind zwei nicht identifizierbare Figuren in traditioneller Kleidung und die tansanische Flagge. Das hängt auch stark zusammen mit der ‚Digger-Szene‘, in der meist weiße Djs und Labelbesitzer die ersten sein wollen, die Musik aus ‚weit entfernten Ländern‘ ‚entdecken‘ wollen, wobei sie Leuten ihre Kultur wegnehmen, ohne die Bedeutung hinter der Musik zu verstehen, um sie dann an ein größtenteils weißes Publikum zu vermarkten. Und natürlich davon profitieren. Wir haben zum Beispiel auch über Awesome Tapes From Africa gesprochen.