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Fotografieren für die Demokratie

Fotografieren für die Demokratie
Wie ein junger Fotograf in Uganda für Veränderung kämpft. Von Nikolaus Neidhardt

Berggorillas in freier Wildbahn beobachten, auf dem Nil Wildwasserkanu fahren oder mit einem Geländewagen auf Safari die Savanne durchqueren – Highlights wie diese locken jährlich mehr Touristen und Touristinnen nach Uganda. Doch während der Tourismus boomt und Reisende in Edel-Lodges die ostafrikanische Natur genießen, sieht die Welt außerhalb der Nationalparks ganz anders aus. “Exzessive Gewaltanwendung” durch Militär und Polizei, “Folter und Misshandlungen” sowie eine zunehmende Einschränkung der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind nur einige Stichworte, die in den Amnesty International Berichten zu Uganda der letzten Jahre immer wieder auftauchen. Trotz der zunehmenden Gefahr für sich und ihre Angehörigen stehen immer mehr, vor allem junge Menschen, für ihre Rechte ein. Einer von ihnen ist der Fotograf Lookman Kampala.

Seit 2020 begleitet Lookman das People Power Movement, die größte Oppositionsbewegung des Landes, sowie dessen Anführer Bobi Wine mit der Kamera. Schon zwei Jahre zuvor hatte der 23-Jährige Fotografie und Film für sich entdeckt. “Eigentlich wollte ich Regisseur werden und nicht Fotograf. Als ich mich der Bewegung anschloss, dachte ich mir aber, es könnte wichtig und wertvoll sein, zu dokumentieren, was passiert. Also nahm ich mir eine Kamera und fotografierte”, erzählt er. Mittlerweile hat sich daraus eine tiefe Leidenschaft für Fotografie entwickelt, berichtet Lookman, der bürgerlich Lukeman heißt. Seine Fotos zeigen die Menschen, die in Uganda gegen die Regierung auf die Straße gehen, die Politiker:innen und Aktivist:innen der People Power Bewegung, aber auch den Alltag in den Städten und Dörfern der ehemaligen britischen Kolonie.

Fotos schaffen ein Bewusstsein für die Probleme

“Durch die Fotografie kann ich etwas zum Kampf für Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit beitragen. Egal ob ich das Leben der Menschen in den ländlichen Regionen, wo es an medizinischer Versorgung und Schulen fehlt, fotografiere oder die Gewalt der Polizei bei oppositionellen Kundgebungen: Fotos schaffen ein Bewusstsein für die Probleme”, sagt Lookman. Besonders gern fotografiere er Situationen, in denen Menschen starke Emotionen zeigen.

Wie viele junge Menschen in Uganda setzt er große Hoffnungen in Robert Kyagulanyi Ssentamu, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Bobi Wine. Bekannt wurde der 42-Jährige ursprünglich als Rapper und Sänger. Er wuchs in einem Slum der Hauptstadt Kampala auf, weshalb seine Anhänger ihn auch “Ghetto President” nennen. 2021 trat er als Präsidentschaftskandidat der National Unity Platform (NUP) gegen den mittlerweile seit fast 40 Jahren amtierenden Yoweri Kaguta Museveni an. Dieser gewann am Ende mit 58 Prozent der Stimmen.

Lookman, mittlerweile ebenfalls Mitglied der NUP, begleitete vor drei Jahren den Wahlkampf Bobi Wines mit seiner Kamera. Immer wieder kam es dabei zu Polizeieinsätzen und gewaltsamen Ausschreitungen. Im Dezember 2020 verhaftete die Polizei 140 Mitglieder des Teams von Wine, darunter auch Lookman. “Bis heute weiß ich nicht, was überhaupt der Grund war”, sagt er. “Alles, was ich gemacht habe, war, eine politische Kundgebung fotografisch zu dokumentieren. Ein Präsidentschaftskandidat braucht doch einen Fotografen.” Sechs Monate verbringt der damals 20-Jährige im Gefängnis, verurteilt von einem Militärgericht. Andere, die mit ihm verhaftet wurden, sind noch immer hinter Gittern.

Für Lookman besteht kein Zweifel, dass das Wahlergebnis nicht rechtens war. “Die Mehrheit der Jugend in Uganda will Veränderung. Zu den Wahlkampfrallyes kommen unfassbar viele Menschen, egal wo in Uganda. Ich bin überzeugt davon, dass die meisten NUP gewählt haben”, sagt der Fotograf. Auch internationale Beobachter und Länder des Globalen Nordens wie Deutschland kritisieren, die Wahlen seien weder frei noch fair gewesen. Am Wahltag schaltete die Regierung im ganzen Land das Internet ab und stellte Bobi Wine unter Hausarrest. Die Proteste, die das Wahlergebnis in den Folgemonaten auslöste, wurden wegen angeblichen Verstößen gegen die damaligen Corona-Maßnahmen gewaltsam aufgelöst. Mindestens 60 Menschen starben.

Perspektivlosigkeit, Frust und der Wunsch nach Veränderung

Unter den Corona-Maßnahmen, zu denen auch die längsten Schulschließungen weltweit gehörten, litt in Uganda besonders die Jugend. 78 Prozent der Bevölkerung des ostafrikanischen Landes sind unter 30 Jahre alt. Ein Großteil der Menschen hat also noch nie einen anderen Präsidenten als Museveni erlebt. Gerade diese jungen Ugander und Uganderinnen haben es, wie Lookman erzählt, besonders schwer unter der Politik Musevenis. “Eine der größten Herausforderungen für junge Menschen hier ist die Arbeitslosigkeit. Viele verlassen die Universität und finden keine Arbeit. Ich kenne Leute, die Medizin studiert haben und als Security Kräfte arbeiten müssen”, betichtet Lookman. Die omnipräsente Korruption benachteilige außerdem besonders junge Menschen, da diese seltener über die nötigen Beziehungen oder Geld für Bestechungen verfügten.

Die Perspektivlosigkeit der Jugend, der Frust und der Wunsch nach Veränderung sind also groß, nicht nur in Uganda, sondern auch in anderen Ländern weltweit. “Uns wurde beigebracht, Politiker zu respektieren, sie nicht infrage zu stellen und nicht für ihre Handlungen zu verantwortlich zu machen”, erzählt Lookman. “Dieses Bild ändert sich jetzt, unter anderem durch Menschen wie Bobi Wine. Er ist anders als die Politiker, die wir bisher kannten. Die Art wie er spricht, die Art wie er den Status Quo infrage stellt und der Fakt, dass er aus einfachen Verhältnissen kommt, machen ihn glaubwürdiger.”

"Lookman" Lukeman Kampala

Den Status Quo infrage zu stellen, kann in Uganda sehr gefährlich sein. Immer wieder verschwinden Menschen, die an Protesten teilnehmen oder der NUP angehören. Tote und Verletzte durch Polizeigewalt sind keine Seltenheit. Auch prominente Regimekritiker, wie Bestsellerautor Kakwenza Rukirabashaija sind vor politischer Verfolgung nicht sicher. Der
mittlerweile im deutschen Exil lebende Schriftsteller wurde 2021 aus seinem Haus entführt und über mehrere Wochen schwer von Soldaten gefoltert. Die Ursache: Ein Witz im Internet auf Kosten von Muhoozi Kainerugaba, dem Oberbefehlshaber der ugandischen Armee und Sohn des Präsidenten.

Unterstützt deutsche Entwicklungszusammenarbeit das Regime Musevenis?

Die Reaktionen des Globalen Nordens auf eklatante Menschenrechtsverletzungen dieser Art bleiben verhalten. Zwar verurteilen Vertreterinnen und Vertreter anderer Länder sie immer wieder, Taten folgen jedoch nicht. Lookman wünscht sich, dass sich das ändert: “Natürlich bin ich dankbar dafür, dass Deutschland oder die EU Krankenhäuser und Schulen in Uganda mitfinanzieren. Sie sollten aber bei der Zusammenarbeit mit der ugandischen Regierung auch nicht vergessen, wie Museveni mit uns umgeht”, findet der 23-Jährige.

Erst 2022 hat die Bundesregierung Uganda 68,8 Millionen Euro für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zugesagt. Während diese Gelder eigentlich gut gemeint sind, tragen sie jedoch auch dazu bei, den Unrechts-Staat in Uganda zu stabilisieren. In mehreren Fällen hat die Bundesregierung in der Vergangenheit bereits Gelder für Entwicklungszusammenarbeit gestrichen oder umgeleitet, wenn Partnerländer nicht ausreichend auf die Einhaltung der Menschenrechte achteten oder gegen Korruption vorgingen, beispielsweise in Burundi oder Myanmar. Obwohl in Uganda genau das der Fall ist, kooperieren die Länder des Globalen Nordens weiter uneingeschränkt mit der Regierung Musevenis. Auch das umstrittene Gesetz gegen Homosexuelle, das 2023 in Uganda verabschiedet wurde, reichte als Grund nicht aus.

Viele Menschen profitieren allerdings von der Entwicklungszusammenarbeit und es bleibt fraglich, ob deren Einstellung das Regime wirklich schwächen oder eher zulasten der Bevölkerung gehen würde. Außerdem sehen viele Länder des Globalen Nordens Uganda als wichtigen Sicherheits- und Stabilitätsgaranten in Ostafrika, der, wenn auch autoritär regiert, mit einem starken Militär für Ordnung in der Region sorgt. Davon profitieren nicht zuletzt die amerikanischen, chinesischen und europäischen Unternehmen, die in Uganda und der angrenzenden Demokratischen Republik Kongo Rohstoffe fördern. Der gefolterte Schriftsteller Kakwenza Rukirabashaija richtet 2022 bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit allerdings klare Worte an die Deutsche Botschaft in Kampala: “STOP FUNDING TERRORIST MUSEVENI”.

Lookman möchte trotz der Gefahren, die seine Fotografie und sein politisches Engagement bedeuten, weitermachen. “Uganda ist an sich ein reiches Land mit viel Potenzial. Wir wollen eine Regierung, die dieses Potenzial nutzt. Wir wollen ein Ende der Korruption”, so Lookman. “Wenn es Teil unseres Kampfes ist, ins Gefängnis zu gehen, gehen wir ins Gefängnis.” Sollte irgendwann die Möglichkeit freier und fairer Wahlen bestehen, möchte er für das Amt des Bürgermeisters seiner Heimatstadt Kampala kandidieren. Bis dahin fotografiert er weiter. “Ich plane gerade eine Ausstellung mit dem Titel “The Ugandans”, inspiriert von Stefan Moses und seiner Foto-Reihe “Die Deutschen”. Am liebsten würde er
seine Bilder auch in anderen Ländern ausstellen. Lookmans Traum ist es, eines Tages in einem demokratischen und freien Uganda zu leben. Den Weg dorthin will der junge Fotograf weiter mit seiner Kamera begleiten.

lookmankampala.com
ig: kampalalookman
x: KampalaLookman

Nikolaus Neidhardt ist freier Journalist und schreibt unter anderem für die Leipziger Volkszeitung. Er lebt in Leipzig.

Bild im Header: Lookman Kampala. Bild vom Fotografen: Nikolaus Neidhardt.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Musik

Sound Sultans politische Musik

Sound Sultans politische Musik
von Rasaq Malik

Nigeria brennt und die Bürger sind amüsiert.

Und ich muss meine Geschichte erzählen
um sie anzustoßen und aufzuwecken
die schlafen
unter meinem Volk.

Der Tod von Sound Sultan (Künstlername des legendären Olanrewaju Abdul-Ganiu Fasasi von seines Labels Naija Ninja) wurde am 11. Juli, als er im Alter von 44 Jahren verstarb, überall in den sozialen Medien betrauert. Sultan wurde in Jos, Plateau State, als viertes Kind einer fünfköpfigen Familie geboren. Er war sehr begabt und seine Leidenschaft für die Kunst umfasste auch andere Medien wie Schauspiel, Comedy, Songwriting und Gitarrespielen, um nur einige zu nennen. Er hatte zahlreiche Auftritte und gewann Preise für seine Lieder, die das Bewusstsein der Menschen bereicherten und ihnen die Möglichkeit boten, sich kritisch mit gesellschaftlichen Ereignissen, insbesondere in Nigeria, auseinanderzusetzen.

In Sound Sultans Musik ist das Thema des politischen Bewusstseins von zentraler Bedeutung. In seinen Liedern, die sich über Jahre beeindruckender musikalischer Erfolge erstrecken, werden die Notlage der Massen, ihre alltägliche Frustration und ihr Unmut über die nigerianische Regierung und ihre vielfältigen Ideen dazu, das Volk zu betrügen, wunderbar eingefangen. Sultans Einsichten zeigen sich auch in der Wahl der Themen, mit denen er sich beschäftigt, und in der Sprache (eine Mischung aus Yoruba und Englisch), die er für seine Lieder verwendet. Das 2020 veröffentlichte Lied „Faya Faya“ mit Duktor Sett ist ein großartiges musikalisches Werk, das den beunruhigenden Zustand des Landes und die Sehnsucht der Massen nach Hoffnung zum Ausdruck bringt. Das Bild des Feuers deutet auf die mutwillige Zerstörung und die Unruhen im Lande hin. Geschickt vorgetragen mit einer Stimme, die Verzweiflung und Müdigkeit transportiert, ermöglicht „Faya Faya“ uns, unsere kollektiven Sehnsüchte zu betrauern; unsere sterbenden Träume und Hoffnungen. Die Verwendung von Refrains in einigen von Sultans politisch ausgerichteten Musikstücken unterstreicht das Ausmaß der Probleme, unter denen die Bürger leiden. Die Wiederholung von „pana pana“ macht deutlich, dass man jahrelang vergeblich darauf gewartet hat, dass die Politiker das Feuer der postkolonialen Probleme wie Korruption, politische Instabilität, unnötige Morde, Arbeitslosigkeit usw. löschen. In dem Lied singt Sultan:

Während wir auf ein Wunder warten
Wird das Feuer brennen, brennen, brennen
Denn wir warten auf ein Orakel
Feuer soll brennen soll brennen soll brennen
Wir beten, dass das Feuer kühlt
Feuer soll brennen, soll brennen, soll brennen
Panapana o panapana o panapana o.

Hier wird das Bild des Chaos durch diese prägnanten Zeilen gezeichnet. Jahre nach der Wahl neuer Führer werden ihre Versprechen auf Veränderung zu Fata Morganas. Dieses monumentale Versagen wirkt beunruhigend, da die Massen nach den Phantomversprechen der Gewählten dürsten. In jüngster Zeit ist Nigeria zu einem zerklüfteten Hügel für Aktivisten und Menschen geworden, die sich von der Regierung die gewünschten Veränderungen wünschen. Im Oktober 2020 löste die Schießerei am Lekki Tollgate (als Teil der #EndSars-Proteste) kritische Reaktionen im Land aus. Das tragische Ereignis löste eine weltweite Erkenntnis über die Rücksichtslosigkeit aus, mit der unsere Sicherheitskräfte die ständigen Tötungen von Bürgern durch SARS (eine für ihren Missbrauch berüchtigte Polizeieinheit) bekämpfen. Darüber hinaus haben die verheerenden Auswirkungen der von den Fulani-Hirten verübten Angriffe im ganzen Land ernsthafte Sorgen um die Sicherheit der Bürger aufkommen lassen. Darüber hinaus werden in dem Lied die Waffen des Stammesdenkens und der religiösen Polarisierung hervorgehoben, die zur Spaltung und zur Erzeugung von Zwietracht unter den Massen eingesetzt werden.

In einem anderen Lied mit dem Titel „Ole (Bushmeat)“, das 2011 veröffentlicht wurde, schimpft Sultan über die diebischen Führer und ihre Tricks, mit denen sie das Land ausplündern. Seine Angst ist noch ausgeprägter, da er mit Zeilen um sich wirft, die die Plünderer und ihr unersättliches Streben nach unseren kollektiven Ressourcen treffend beschreiben. Sultan beschreibt den rückschrittlichen Zustand des Landes und die von seinen gewählten Führern begangenen Übel und bietet uns einen denkwürdigen Song, der das Gewicht unseres kollektiven Kummers trägt. Das Lied ist revolutionär und erinnert an die jahrelangen Plünderungen und die Misswirtschaft der öffentlichen Gelder, die das Land plagen. Das Bild des Buschfleisches und des Jägers steht für die Bürger und die Regierenden. Die Jäger (die Führer) machen Jagd auf die Massen (das Buschfleisch). Auch hier zieht sich der Refrain – „Ole“ – wie ein roter Faden durch das Lied. Darin zeigt sich Sultans kreativer Einfallsreichtum und seine Fähigkeit, die schrecklichen Geschehnisse in der Gesellschaft einzufangen, ohne dabei auf die poetische Note zu verzichten, die sein Werk auszeichnet. In „Ole“ singt er:

Seht sie fliegen für das Flugzeug
erinnere dich an all die Schmerzen,
die mein Volk ertragen muss
Ich werde nicht müde, es zu erklären
Die kleinen Leute, die nie hacken,
beschweren sich Wasser Licht na yawa
überall nur Licht kein Strom
die einzige Macht ist die,
die uns unterdrückt.

Diese Zeilen verdeutlichen das von den Machthabern in Sultans Heimatland errichtete Unterdrückungssystem. Durch dieses Lied werden wir auf die Leiden des Volkes und die Privilegien der Machthaber eingestimmt. Die Kluft zwischen den Armen und den Reichen wird deutlicher sichtbar. So ist es beispielsweise ein typisches Ritual unserer führenden Politiker, für medizinische Behandlungen ins Ausland zu fliegen, während die Masse der Bevölkerung schlecht ausgestattete Krankenhäuser aufsucht, die gleichzeitig als Schlachthaus für diejenigen dienen, die sich vor dem möglichen Tod der Patienten in diesen Krankenhäusern fürchten. Erwähnenswert sind auch die Schlaglöcher, die unsere Straßen zieren, während die Staatsoberhäupter per Flugzeug in andere Länder reisen.

Sultans musikalischer Weg führt uns weiterhin durch seine Vorliebe für die unermüdliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Dekadenz und Verrottung in seinem Heimatland. In „2010 (Light Up)“, featuring M.I. Abaga, überwiegt seine überwältigende Wut auf die nigerianischen Führer. „2010 (Light Up)“ konfrontiert die Führer mit ihrem Versagen, eine stabile Stromversorgung für die Massen zu gewährleisten. In diesem Song lässt Sultan die Versprechen der nigerianischen Führer Revue passieren und zeigt auf, wie die Dürre der politischen Verantwortlichkeit das Land heimsucht. Er singt:

Wenn wir unsere Regierung fragen
wann sie uns Licht geben wird
Dem sagen na 2010
Seitdem warten wir nicht mehr auf 2010
Aber jetzt muss das Warten ein Ende haben
Denn 2010 wird sich zeigen, oh oh oh

Africa is a Country

Dieser Artikel erschien im Original auf englisch bei Africa is a Country unter dem Titel „Sound Sultan’s Political Music“

Es ist erwähnenswert, dass „2010 (Light Up)“ nach wie vor einer der politischsten Songs des Landes ist. Sultans Versuch, die nigerianische Bevölkerung von den Heuschrecken zu befreien, die ihren Verstand verschlingen, ist lobenswert. Die von Sultan verwendete Metapher von Moses, der sein Volk in das gelobte Land führt, ist sehr treffend. Leider ermordet sein Heimatland diejenigen, die sich gegen die Flut der Revolution auflehnen. Der Moses wird am Galgen aufgehängt oder an einem unbekannten Ort begraben, während die systematische Vernichtung von Messiassen nie aufhört. Betrachtet man die politische Geschichte Nigerias, so wird der Schmerz über die enttäuschten Hoffnungen zur unvermeidlichen Realität. Man wird mit den traurigen Geschichten von MKO Abiola und den annullierten Wahlen vom 12. Juni 1993 konfrontiert; Ken Saro Wiwa und seinem Kampf gegen die Ölverschmutzung im Land der Ogoni und Dele Giwa und seiner Ermordung durch unbekannte Killer mittels eines Bombenpakets. Der Tod dieser Menschen unterstreicht das tragische Ende jedes Moses, der sich erhebt, um die erschütternden Erzählungen über das postkoloniale Trauma in Nigeria zu verändern. Sultan singt:

Ich möchte wie Mose sein
Meinem Volk den Weg
in das gelobte Land
Aber dann habe ich etwas bemerkt
Leute, die es mit mir versuchen, tauchen unter
Ich sehe sie, ja

In anderen Strophen des Liedes beklagt Sultan die Unfähigkeit der nigerianischen Führer und ihre kolossalen Versäumnisse und setzt sein unermüdliches Streben nach einem utopischen Heimatland fort. Wenn man sich durch die anderen aufrüttelnden Strophen dieses Liedes bewegt, werden die revolutionären Tropen, die das Lied zu einem meisterhaften Werk machen, deutlicher sichtbar. Sultan singt:

Erhebt euch Naija
Erhebt euer apa
Sag ihnen, dass du das Böse leid bist
E don tey wen fela don go o
E don tey wen fela don go o
Die Anführer sind also hinter dem Geld her

Die Erwähnung von Fela Kuti in diesem Lied ist symbolisch und zeitgemäß. Wenn man die unbehandelte Wunde der soziopolitischen Probleme in Nigeria öffnet, kommen einem Felas politisch ergreifende Lieder in den Sinn. Wie die Reden von Martin Luther King und Malcolm X, die den Kampf für die Freiheit der Schwarzen in den Vereinigten Staaten und auf dem afrikanischen Kontinent festhielten, waren und sind Felas Lieder ein wichtiges Instrument, um die Massen gegen die politischen Rüsselkäfer aufzuwiegeln, die die Blütenblätter der Träume durchwühlen. Mit seinen Liedern kämpfte er gegen den Krebswurm schlechter Führung und offener Verstöße gegen die Gesetze in seinem Heimatland. Er sezierte nationale Themen und schilderte in seinen Liedern die enormen Turbulenzen, die von den Militärführern verursacht wurden, und deren immense Unterdrückung der Menschenrechte. Er rief zur Befreiung der Nigerianer auf – der einfachen Männer, der Marktfrauen, der sterbenden Kinder, der bettlägerigen Rentner, der Verlassenen, denen die Lebensgrundlage entzogen wurde.

Fela starb 1997, aber die Probleme der Nigerianer bleiben ungelöst. Sultans revolutionäre Stimme hallt durch das Lied, wenn er sagt: „Rise up, Naija/Raise your apa“. Sultans Verachtung für Tyrannei und Unterdrückung spiegelt sich in diesem Lied wider. Seine vernichtende Kritik an der giftigen Machtausübung der Machthaber verstärkt unser Verständnis dafür, wie korrupt und ineffektiv das System unter der Regierung ist. In „Naija Jungle“, das 2018 veröffentlicht wurde, beschreibt Sound Sultan wie gewohnt die Probleme des Landes und wie die Bourgeoisie die Proletarier auf ihre gewohnte Art und Weise unterdrückt. Die ungleiche Verteilung des Reichtums spiegelt sich auch in den Strophen des Liedes wider. Darüber hinaus erinnert das Lied an George Orwells bahnbrechendes Buch „Animal Farm“ und Beautiful Nubias „The Small People’s Anthem“. In den beiden genannten Werken leiden die Massen sehr, während sich die Führer auf Kosten der Massen bereichern und ihnen die grundlegenden Annehmlichkeiten vorenthalten, die ihnen das Überleben sichern. Anstatt einen großen Beitrag zum Fortschritt der Gesellschaft und des Volkes zu leisten, sehen die Führer zu, wie sich das Volk in bitterer Armut suhlt. Sound Sultan singt:

Manche schauen, manche arbeiten
Manche reden, manche hacken
Manche leben auf dem Dach
und manche schlafen auf dem Boden
Einige arbeiten die ganze Zeit, während andere hacken
Bis die Belle voll für den Boden ist
Refrain:
Affen arbeiten, Paviane hacken
Vieles passiert im Dschungel
Wenn der Löwe redet,
hält die Schildkröte den Mund
vielschichtiger Dschungel.

In anderen Strophen des Liedes wird der Dschungel geschildert, den Sultan zu erforschen versucht. Diese Art von Dschungel ist gekennzeichnet durch Ungerechtigkeit und Strafen, die auf die Massen niedergehen. Es ist ein Dschungel, der keinen Aufschub duldet, und das Leben seiner Bewohner ist dem vorzeitigen Tod ausgeliefert. In diesem Dschungel sterben die Menschen, weil sie es leid sind, immer wieder aufzuwachen und über den besorgniserregenden Zustand von allem zu klagen. Diese Art von Dschungel ist unheimlich, und nur diejenigen, die die Schmerzen ertragen können, werden überleben. Es ist ein Dschungel namens Nigeria, und die Menschen dort liegen im Sterben.

Rasaq Malik ist ein nigerianischer Dichter. Er ist Absolvent der Universität von Ibadan, Nigeria.

Blick Bassy

Der kamerunische Musiker Blick Bassy ist in aller Munde. Über sein politisches Engagement und seine metaphysische Musik.

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Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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