deutsche Afroszene auf
Der afrodeutsche Musiker mit Wurzeln in Gambia und Senegal verbindet Afrobeats, Amapiano und Afro-Drill mit conscious Lyrics auf Deutsch und Mandinka. In seinen Songs geht es um Herkunft, Haltung und das Leben in der Diaspora – kritisch, empowernd und tanzbar zugleich.
Mit seiner Debüt-EP »Sprachlos« (2024) und Auftritten beim Summerjam, auf dem Splash und bei Reggae Festivals hat sich Omar Jatta schon als feste Größe etabliert. Sein Song »Woher ich komm« ist für viele zur Hymne geworden. Mit seinem zuletzt erschienenen Track »Schwarzer Mann« wirft er einen sozialkritischen Blick auf das Kinderspiel Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? und macht deutlich, wie scheinbar harmlose Rituale rassistische Denkmuster festigen können. Omar liefert Musik und Shows mit Moves, Vibes und Tiefgang. akono hat sich mit ihm zum Interview verabredet.
Du hast früher eher Popmusik mit englischen Texten gemacht. Wie kam der Wechsel hin zu Afrobeats und Amapiano mit deutschen Texten zustande?
Ich habe mit meinem Kollegen Atché Nivain zusammen damals Musik gemacht, wir hatten auch Audio-Sessions im Studio und wir haben viel Afrobeats auf Englisch gehört. Irgendwie haben wir dann gesagt: Hey, das müssen wir auf Deutsch auch machen. Zusammen haben wir ein paar Demos gemacht, dann »Vibrations« herausgebracht. Das war, bevor ich groß aufgetreten bin, damals hatte ich eher so random Partyauftritte.
Das heißt, du machst Afrobeats und Amapiano einfach, weil du Bock drauf hast und das gute Musik ist? Oder hat das bei dir auch etwas mit Rückbesinnung auf kulturelle Wurzeln zu tun? Amapiano kommt ja eher aus Südafrika.
Der Zugang zu dieser Art von Musik war für mich einfacher als zu der Musik, die hier bei uns in Deutschland läuft. Ich kannte damals kaum Künstler, die diesen Sound gemacht haben, aber ich fand es geil, fand es schnell und fand auch, dass ich meine Message auf einem mir bekannten Rhythmus besser verbreiten kann. Es war aber am Anfang total schwer, darauf deutsche Texte zu singen. Meine Einflüsse kamen vor allem aus England, zum Beispiel von NSG. Die haben mich geknackt.
Wer sind noch musikalische Vorbilder für dich?
Wizkid, Asake, Pa Salieu, J Hus, mein Onkel Jalimadi Kanuteh und mein Opa Alhaji Banna Kanuteh aus Gambia. Ich habe zwar nicht viel Bezug zu meinem Opa als Person, aber zu der Musik, die er gemacht hat. Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. Ich glaube, das war für mich auch so vorherbestimmt. Und warum ich Afro machen wollte? Ich bin in einem Afroshop aufgewachsen. Zwischen deutschen Menschen und afrikanischen und afrodeutschen. Ich nenne die Leute afrodeutsch, das sind so Leute wie ich eigentlich. Ich bin ein Afrikaner, aber ich spreche deutsch. Real Shit. Ich werde niemals 100% so sein können wie die Brüder und Schwestern in Gambia, die sind einfach anders als wir. Die haben nicht die gleiche Art, aufzuwachsen. Wir fangen mit zwölf an, zu kiffen. Das ist doch ein ganz anderes Leben.
Aber ich dachte mir, wenn ich das alles so verpacke, helfe ich auch anderen Menschen, die Deutsch lernen, die Sprache besser zu verstehen, weil ich auch teilweise Worte benutze, die die aus ihrem DuoLinguo kennen. Die Worte, die ich nutze, sind Schlagworte, weil man sehr viel mit Alltagsdingen zu kämpfen hat. Ich habe schon viele Menschen zu Ämtern begleitet, Formulare ausfüllen, Interviews für Papierkram und so weiter. Das sind Dinge, die mich dazu beeinflusst haben afrodeutsche Musik zu machen. Mittlerweile gibt es zwar mehr afrodeutsche Musiker*innen, aber ich habe noch nicht dieses eine Album, bei dem ich sagen würde: Okay, what does it mean to be Afro-German? Und ich zeige in meiner Musik weder mit dem Finger auf jemanden noch habe ich nur Happy-Vibes, sondern ich erkläre den Leuten, was ein Scheiß-Afroshop ist. Genau das.
Das heißt, dein Zielpublikum sind vor allem afrodeutsche Communities?
Das verstehe ich nicht. Wir sind alle Afrodeutsche in einem Land, deswegen sollte es eine Community sein. Im Endeffekt gibt es eine deutsche Community und dann gibt es verschiedene Parteien. Die Deutschen halten zusammen, wenn es um irgendetwas geht. Hart auf hart, sie halten zusammen. Und da fehlt bei uns etwas, woran wir uns festhalten können. Es geht nicht darum, einen riesigen Aufstand anzuzetteln oder so, nein. Aber wenn mehr Leute da sind, die sprechen, kann auch mehr Leuten zugehört werden. Wir sind über 80 Millionen Menschen in Deutschland.
Musik hat ja auch einen großen Identifikationsfaktor. Wenn du in Kiel als junger Schwarzer Mann aufwächst und gar keinen Bezug zu einer musikalischen Community hast, die mit Afrobeats zu tun hat, dann kannst du dich natürlich in der Musik von Omar Jatta auch finden, Zugehörigkeit finden, Widerstandsgeist gegenüber dem ganzen Alltagsscheiß auf Ämtern und so.
Und andere Themen ansprechen. Was ich viel von Afro-German Musicians mitbekomme ist: Wir sind immer so in diesem Bild von Trap Life, Hip Hop, harter Dre, aber ich frage mich, warum das Bild so ist, wenn am Ende des Tages doch eigentlich alle zu nem Fela Kuti Konzert gehen wollen? Bevor Festivals Millionen von Euros für ausländische Artists ausgeben, könnten sie doch auch die Artists buchen, die es hier gibt. Es gibt zu wenig Jungs und Mädels, diverse, anything aus meinen Reihen. Wenn wir afrikanische Musik hören, denken wir an unsere Geschichte. Nicht nur an Traumatisierung und so etwas. Sondern viele Leute vergessen, woher sie kommen und was sie interessant macht. Du bist hier und sprichst deutsch, aber irgendwie bist du nicht deutsch. Und da kommen die Fragen: Wo kommst du her? Das muss ja nicht immer schlecht sein. Wenn wir einen Grund haben, neugierig zu sein, dann sollten wir das doch genießen können.
Es wäre ja auch schön, wenn der Deutsch-Begriff irgendwann mal so aufgeweicht wird, dass all diese verschiedenen Geschichten deutsch sein können.
Ich bin bei Gott nicht ein Deutscher wie ein anderer Deutscher, der nicht hierhergekommen ist. Das will ich auch nicht sein. Ich bin Omar Jatta, der hier lebt.
Zuletzt hast du »Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?« herausgebracht, ein sehr geiler Track. Wie kam das zustande? Die politische Message da drin ist ja sehr stark, das ist kein hedonistisches Lied, sondern behandelt gesellschaftliche Fragen.
Genau. Wir kennen ja alle das Kinderspiel. Die Frage war bei mir: Okay, wir haben dieses Spiel gespielt und die meisten wussten, worum es geht. Es wurde oft eine Art racist Situation daraus gemacht, weil zum Beispiel die einzige Schwarze Person den Schwarzen Mann spielen musste. Es ist vielleicht ursprünglich nicht rassistisch gewesen, aber genau das macht es dazu. Ich weiß, dass viel in der Welt passiert, aber wenn ich mich jetzt beschreibe als Senegalese, Gambier, beschreibe ich einfach, was ich mache, mein Leben und frage euch dann: Sagt mal, wer hat denn eigentlich wirklich Angst vorm Schwarzen Mann?
Na klar gibt es auch Schwarze Männer, die sich wie ein Vollidiot verhalten. Und dann gibt es auch welche, die komplett durchdrehen und Junkies werden. Das muss ich zugeben. Aber fragt sich mal einer, warum? Ich zum Beispiel kenne die Sicht von Leuten, die an Ämtern verzweifeln und dann in der Psychiatrie landen. Und aus denen werden dann die Leute, die da draußen herumgeistern.
Aber ich dachte mir einfach: Hey, ich feiere, wer ich bin und was ich mache. Wer hat da bitte Angst? Oft habe ich in meinem Leben gemerkt, dass irgendwas off ist. Aber keiner hat mir ins Gesicht gesagt: Das und das geht ab. Wenn du mir nicht mal ins Gesicht sagen kannst, was Sache ist, solltest du gar nicht erst diese Gedanken haben. Ich hasse es, wenn es so leise passiert. Wenn man in eine Bahn kommt und dann starren einen alle an. Ich spüre diese Blicke, ich spüre, wie mich Menschen ansehen. Das ist schon crazy. Deswegen hab ich einfach gedacht, ich stelle meine Kultur vor und frage euch ganz direkt: Wer hat Angst vor mir, dem Schwarzen Mann und meiner Kultur? Weil die süßen Kids, die ich kenne, sind auf jeden Fall sweet.
Und wie waren bisher die Reaktionen auf den Track?
Das Ding ist auf TikTok auf 200.000 Klicks gegangen auf einmal. Das hat natürlich eine riesengroße Debatte ausgelöst. Das ist auch immer sweet, dass es Leute gibt, die sich direkt so hart angegriffen fühlen. Ich habe ja nie gesagt, dass das Spiel rassistisch ist. Ich habe nur diese Floskel aufgegriffen und daraus einen Song gemacht. Aber wenn ich als Schwarzer Mann so einen Song mache, heißt es auf einmal, ich will die Rassismuskarte ziehen. Nee. Aber ich habe euch getriggert, genau wie ich immer wieder getriggert werde. Was ich aber gut fand ist, dass viele positive Kommentare gab. Viele waren verwirrt, was ich auch verstehe. Viele haben in den Kommentaren erklärt, worum es in dem Spiel eigentlich geht. Da habe ich mir gedacht: Gut, wenn das der Nutzen ist und nun Leuten erklärt wird, was der Hintergrund des Spieles ist – bitte. Werdet aufgeklärt. Aber versucht mich nicht in den Dreck zu ziehen. Ich mache da eh nicht mit. Und jetzt fangen Leute online na, den Song für ihren Content zu nutzen.
Was kommt als Nächstes von dir?
Am 17. Oktober kommt der Song »Stopp« raus. Boah, der ist geil. Der ist richtig geil. Der geht in die Richtung Amapiano, Afro-House, 3-step Amapiano. Was den Beat angeht, hat mich j-jdacosta aus Köln inspiriert, das ist ein anderer Künstler, der aber auch produziert. Für mich einer der krassesten Produzenten, die es hier gibt! Der ist super. Der Song ist nach dem Summerjam entstanden, nachdem ich das erste Mal dort war und von der Bühne heruntergegangen bin. Die Zeit davor und danach war echt hart und ich war so in einem Modus von: Mir sind persönlich ziemlich viele Menschen auf die Nerven gegangen, mir ist viel auf die Nerven gegangen, mir ist als Schwarzer Mensch viel auf die Nerven gegangen. Ich war so: Ja okay, ich bin in dieser Musikszene, die mainly von so weißen Cis-Hetero Männern geruled wird. Man muss auch einfach einen krassen Unterschied dazwischen machen, wie sich Männer einem gegenüber verhalten und wie sich Frauen einem gegenüber verhalten. Manche sind halt einfach Old People und haben kein Verständnis, keine Offenheit für etwas neues. Hier in der Musikszene gibt es so viele, die einfach nur den safen Weg gehen wollen. Dabei sind gleichzeitig so viele unabhängige Künstler*innen hier draußen, unabhängig von der Ethnie, die so viel mehr können als die Label Artists und keine Möglichkeit kriegen, irgendwo zu spielen, weil sie die ganze Zeit gegen diese Konsumfresser ankommen müssen. Ich will niemandem seine Arbeit schlecht reden, aber viele upcoming Artists haben es verdient, auch auf diesen Bühnen zu sein, unabhängig davon, wer sie sind und wo sie stehen, einfach, weil sie eine kranke Show abliefern.
Das heißt das Booking ist noch etwas exklusiv?
Das ist einfach noch so ein Community Ding. Black Music wird nur bis zu einem gewissen Grad gepusht. Ich mache ja auch afrikanische Musik, das ist was ganz anderes als dieser Hip Hop, der da herrscht.
Wie würdest du das »Afrikanische« an deiner Musik beschreiben? Ist das was Sprachliches oder was Instrumentales?
Sprachlich und inhaltlich einfach. Weil ich von dem Leben erzähle, von Menschen, die ihr zuhause verlassen und nach Europa kommen. Ich spreche von Afrodeutschen. Ich spreche von uns. Von uns, die wir hier sind.
Was wünschst du dir für deine Karriere und deine Art von Musik im deutschsprachigen Raum?
Dass sich noch mehr Leute trauen, solche Musik zu machen, egal, wo sie herkommen, und einfach über sich selbst und ihre Community reden. Was ich mir für meine eigene Karriere wünsche? Ich habe Bühnen, ich bin mega happy und so. Ich will einfach nur nice Features machen. Ich habe Bock, mit den Menschen, die es schon in der afrodeutschen Musik gibt, Musik zu machen und deren Scheiß mal zu verändern. Denn ich habe mich von denen beeinflussen lassen und jetzt wird es Zeit, dass die sich von uns beeinflussen lassen. Ich habe schon viel erlebt und viel mitnehmen können. Ich bin dankbar. Aber das ganze jetzt noch einmal in einer anderen Dimension, mit einem festen Team und dass wir mehr Geld verdienen können. Ich wünsche mir mehr Förderung für unabhängige Artists.

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