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Sie besaß nie einen Garten, aber mein Haar pflegte sie, als ob es ihr eigenes Rosenbeet wäre. Sie achtete darauf, dass mein Haar genau die richtige Länge hatte und immer geschnitten und gut durchfeuchtet war. Hörte sie, dass der neueste Friseurladen angeblich zaubern konnte, hielt sie es für ihre Pflicht, mich dahin zu bringen, und strahlte, wenn sie meinen Kopf in der Sonne glänzen sah. Das machte sie stolz.
Es war mein erster Schultag, und sie war erst später zur Arbeit gegangen, um mir bei den Vorbereitungen zu helfen. Die Luft war frisch und kühl, wie es morgens so sein sollte. Auf der Hauptstraße rauschten die Autos und Busse in Wellen vorüber, und der grelle sommerliche Sonnenschein machte alles nur noch größer. Sssh, sssh rauschten sie an uns vorbei. Mir voraus ihre süß-duftende, baumlange Gestalt.
In einer Hand hatte sie eine Sprühdose mit Pomade und einen Kamm. In der anderen Hand eine Bürste mit Borsten aus Stroh, mit der sie mein Haar bearbeitete. Als erstes bürstete sie die flachen Seiten meiner Frisur, streichelte dann mit ihren molligen Fingern über die Haarwurzeln meines Scheitels und beendete das Ganze dann mit einer Duftwolke, die nach Bonbons roch.
Neben uns rieb sich in der gleißenden Sonne Mmane ihre Hände mit Kampfer ein, den sie dann auch stolz auf Oscars Gesicht verteilte. Ich blickte zu Oscar und Mmane Joy hinüber und sah genauer hin – und zum ersten Mal hatte Oscar, immer ein mutigerer Bursche als ich, Angst in seiner neuen Schuluniform, die ihn verschreckte. Wir beide waren, indem wir in die Welt hinaustraten und die Schule anfingen, gerade an dem Punkt, ganz allein gelassen zu werden.
Unsere Mütter mussten wieder zu ihrer Arbeit zurück – Mmane zum Mabopane-Bahnhof, wo sie Socken, Hüte und Imbiss an Berufspendler verkaufte, und meine Mama zu dem Zahnarzt Kodi M, wo sie im Empfang arbeitete; deswegen hat sich Oscar auch so bemüht, seine Angst nicht zu zeigen. Schon von der Krippe an hatten wir gelernt, nicht unseren Müttern hinterher zu weinen. Aber mit dem Schulanfang kam das Gefühl wieder hoch, sich allein unter Fremden behaupten zu müssen. Aber ich habe mir gesagt: Wir haben ja noch uns, Oscar und ich. Wir haben uns, wie sich auch unsere Mütter hatten.
„Wir kommen doch auch in dieselbe Klasse und werden zumindest nicht mehr gezwungen, das Porridge von Mma Johny zu essen“, habe ich zu ihm gesagt. Er hat mich nur schweigend angestarrt. Er gehörte nie zu denen, die zugaben, Angst zu haben, weil er ja so hart im Nehmen war; deshalb schien ihn meine Bemerkung eher zu beleidigen. Mutter Mmane kam und gab jedem von uns das erste Taschengeld: Zwei Rand und fünfzig Cent fürs Mittagessen. Ich sah, wie Oscar wieder auflebte, als wolle er zu sich sagen, er würde das schon schaffen.
Als ich mir den Teekessel und die Büchse mit den fünf Rosen und dem Zucker holte, schnappte sich Mama meinen neuen grauen Flanellhosen, legte ein Bein übers Bügelbrett und fing an zu bügeln.
„Wenn Dir irgendjemand Angst macht, sagst du’s mir, versprochen, Papachen?“ Ich nickte nur, als sie mit einem dunkelblauen Plastikbecher Wasser in den Kessel goss.
„Und wenn jemand dich gegen deinen Willen anfasst oder dich irgendwie komisch berührt, sagst du ihm, er soll das lassen, verstanden?“ Sie stülpte die Hosen über das Bügelbrett, breitete einen feuchten Lappen darüber und bügelte die eine Hälfte.
„Wenn jemand dich ohne deine Zustimmung berührt, wenn sie dich hänseln, dann musst du es mir sagen, nichtwahr?“ Ich nickte nur, war verwirrt. Sie blickte mir unverwandt in die Augen.
„Sag es, Papachen.“
„Was soll ich sagen, Mama?“
„Dass du es mir berichtest.“
„Ja, mache ich“, sagte ich in meiner Verwirrung.
„Ich weiß, dass du ein höflicher Ngwanaka bist, aber sie müssen dich auch respektieren, verstanden?“
„Ja, Mama, du hast doch schon gesagt, dass ich groß würde, oder?“
„Ja, lass dir nur von niemandem die Schule vergraulen, Papachen.“
„Ja, Mutter“, sagte ich und zog ihre blauen, geflochtenen Sandalen aus, um die grauen Socken anzuziehen.
Sie bügelte das eine Hosenbein unter Dampf und zwar so heftig, dass es eine scharfe Falte hinterließ, die jedem, der sich mir in den Weg stellte, einen ordentlichen Schnitt zu verpassen versprach. Ihre ganze Aufmerksamkeit zeigte sich an ihren zusammengekniffenen Lippen, und sie drückte das Bügeleisen so fest aufs Brett, als ob sie sich gleich selbst aufs Bügelbrett legen wollte. Sie hielt die Hose in die Höhe, um sie aus einiger Entfernung zu begutachten, und bügelte dann noch beide Hosenbeine, bevor sie sie mir zum Anziehen übergab. Ich zog die Hose und meine funkelnagelneuen Allwetterschuhe an und zurrte dann meinen Gürtel um meinen Nabel fest.
„Ich hatte ja ganz vergessen, dass du gern mit deiner Figur angibst, Ra figara“, sagte sie und lachte.
„Mach es ein Loch weniger, Papachen, damit du noch atmen kannst“, sagte sie und lockerte den Gürtel um zwei Löcher. Als sie zu mir herunter sah, sah sie nur, wie ich ratlos auf anscheinend übergroße Hosen starrte. Sie lachte.
„Also mindestens ein Loch, wie?“, lachte sie noch immer und schüttelte dabei ihren Kopf, womit sie etwas Entgegenkommen zu billigen schien.
Kapitel 1. Aus dem Englischen übersetzt von Gerhard Bierwirth
Welcome Mandla Lishivha, 2022
ISBN 9781431432370
https://welcomemandla.com
ig: welcome.mandla
Images: (c) Welcome Mandla Lishivha
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