Fotografieren für die Demokratie
Wie ein junger Fotograf in Uganda für Veränderungen kämpft. Ein Artikel von Nikolaus Neidhardt
Berggorillas in freier Wildbahn beobachten, auf dem Nil Wildwasserkanu fahren oder mit einem Geländewagen auf Safari die Savanne durchqueren – Highlights wie diese locken jährlich mehr Touristen und Touristinnen nach Uganda. Doch während der Tourismus boomt und Reisende in Edel-Lodges die ostafrikanische Natur genießen, sieht die Welt außerhalb der Nationalparks ganz anders aus. “Exzessive Gewaltanwendung” durch Militär und Polizei, “Folter und Misshandlungen” sowie eine zunehmende Einschränkung der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind nur einige Stichworte, die in den Amnesty International Berichten zu Uganda der letzten Jahre immer wieder auftauchen. Trotz der zunehmenden Gefahr für sich und ihre Angehörigen stehen immer mehr, vor allem junge Menschen, für ihre Rechte ein. Einer von ihnen ist der Fotograf Lookman Kampala.
Seit 2020 begleitet Lookman das People Power Movement, die größte Oppositionsbewegung des Landes, sowie dessen Anführer Bobi Wine mit der Kamera. Schon zwei Jahre zuvor hatte der 23-Jährige Fotografie und Film für sich entdeckt. “Eigentlich wollte ich Regisseur werden und nicht Fotograf. Als ich mich der Bewegung anschloss, dachte ich mir aber, es könnte wichtig und wertvoll sein, zu dokumentieren, was passiert. Also nahm ich mir eine Kamera und fotografierte”, erzählt er. Mittlerweile hat sich daraus eine tiefe Leidenschaft für Fotografie entwickelt, berichtet Lookman, der bürgerlich Lukeman heißt. Seine Fotos zeigen die Menschen, die in Uganda gegen die Regierung auf die Straße gehen, die Politiker:innen und Aktivist:innen der People Power Bewegung, aber auch den Alltag in den Städten und Dörfern der ehemaligen britischen Kolonie.
“Durch die Fotografie kann ich etwas zum Kampf für Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit beitragen. Egal ob ich das Leben der Menschen in den ländlichen Regionen, wo es an medizinischer Versorgung und Schulen fehlt, fotografiere oder die Gewalt der Polizei bei oppositionellen Kundgebungen: Fotos schaffen ein Bewusstsein für die Probleme”, sagt Lookman. Besonders gern fotografiere er Situationen, in denen Menschen starke Emotionen zeigen.
Wie viele junge Menschen in Uganda setzt er große Hoffnungen in Robert Kyagulanyi Ssentamu, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Bobi Wine. Bekannt wurde der 42-Jährige ursprünglich als Rapper und Sänger. Er wuchs in einem Slum der Hauptstadt Kampala auf, weshalb seine Anhänger ihn auch “Ghetto President” nennen. 2021 trat er als Präsidentschaftskandidat der National Unity Platform (NUP) gegen den mittlerweile seit fast 40 Jahren amtierenden Yoweri Kaguta Museveni an. Dieser gewann am Ende mit 58 Prozent der Stimmen.
Lookman, mittlerweile ebenfalls Mitglied der NUP, begleitete vor drei Jahren den Wahlkampf Bobi Wines mit seiner Kamera. Immer wieder kam es dabei zu Polizeieinsätzen und gewaltsamen Ausschreitungen. Im Dezember 2020 verhaftete die Polizei 140 Mitglieder des Teams von Wine, darunter auch Lookman. “Bis heute weiß ich nicht, was überhaupt der Grund war”, sagt er. “Alles, was ich gemacht habe, war, eine politische Kundgebung fotografisch zu dokumentieren. Ein Präsidentschaftskandidat braucht doch einen Fotografen.” Sechs Monate verbringt der damals 20-Jährige im Gefängnis, verurteilt von einem Militärgericht. Andere, die mit ihm verhaftet wurden, sind noch immer hinter Gittern.
Für Lookman besteht kein Zweifel, dass das Wahlergebnis nicht rechtens war. “Die Mehrheit der Jugend in Uganda will Veränderung. Zu den Wahlkampfrallyes kommen unfassbar viele Menschen, egal wo in Uganda. Ich bin überzeugt davon, dass die meisten NUP gewählt haben”, sagt der Fotograf. Auch internationale Beobachter und Länder des Globalen Nordens wie Deutschland kritisieren, die Wahlen seien weder frei noch fair gewesen. Am Wahltag schaltete die Regierung im ganzen Land das Internet ab und stellte Bobi Wine unter Hausarrest. Die Proteste, die das Wahlergebnis in den Folgemonaten auslöste, wurden wegen angeblichen Verstößen gegen die damaligen Corona-Maßnahmen gewaltsam aufgelöst. Mindestens 60 Menschen starben.
Unter den Corona-Maßnahmen, zu denen auch die längsten Schulschließungen weltweit gehörten, litt in Uganda besonders die Jugend. 78 Prozent der Bevölkerung des ostafrikanischen Landes sind unter 30 Jahre alt. Ein Großteil der Menschen hat also noch nie einen anderen Präsidenten als Museveni erlebt. Gerade diese jungen Ugander und Uganderinnen haben es, wie Lookman erzählt, besonders schwer unter der Politik Musevenis. “Eine der größten Herausforderungen für junge Menschen hier ist die Arbeitslosigkeit. Viele verlassen die Universität und finden keine Arbeit. Ich kenne Leute, die Medizin studiert haben und als Security Kräfte arbeiten müssen”, betichtet Lookman. Die omnipräsente Korruption benachteilige außerdem besonders junge Menschen, da diese seltener über die nötigen Beziehungen oder Geld für Bestechungen verfügten.
Die Perspektivlosigkeit der Jugend, der Frust und der Wunsch nach Veränderung sind also groß, nicht nur in Uganda, sondern auch in anderen Ländern weltweit. “Uns wurde beigebracht, Politiker zu respektieren, sie nicht infrage zu stellen und nicht für ihre Handlungen zu verantwortlich zu machen”, erzählt Lookman. “Dieses Bild ändert sich jetzt, unter anderem durch Menschen wie Bobi Wine. Er ist anders als die Politiker, die wir bisher kannten. Die Art wie er spricht, die Art wie er den Status Quo infrage stellt und der Fakt, dass er aus einfachen Verhältnissen kommt, machen ihn glaubwürdiger.”
Den Status Quo infrage zu stellen, kann in Uganda sehr gefährlich sein. Immer wieder verschwinden Menschen, die an Protesten teilnehmen oder der NUP angehören. Tote und Verletzte durch Polizeigewalt sind keine Seltenheit. Auch prominente Regimekritiker, wie Bestsellerautor Kakwenza Rukirabashaija sind vor politischer Verfolgung nicht sicher. Der
mittlerweile im deutschen Exil lebende Schriftsteller wurde 2021 aus seinem Haus entführt und über mehrere Wochen schwer von Soldaten gefoltert. Die Ursache: Ein Witz im Internet auf Kosten von Muhoozi Kainerugaba, dem Oberbefehlshaber der ugandischen Armee und Sohn des Präsidenten.
Die Reaktionen des Globalen Nordens auf eklatante Menschenrechtsverletzungen dieser Art bleiben verhalten. Zwar verurteilen Vertreterinnen und Vertreter anderer Länder sie immer wieder, Taten folgen jedoch nicht. Lookman wünscht sich, dass sich das ändert: “Natürlich bin ich dankbar dafür, dass Deutschland oder die EU Krankenhäuser und Schulen in Uganda mitfinanzieren. Sie sollten aber bei der Zusammenarbeit mit der ugandischen Regierung auch nicht vergessen, wie Museveni mit uns umgeht”, findet der 23-Jährige.
Erst 2022 hat die Bundesregierung Uganda 68,8 Millionen Euro für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zugesagt. Während diese Gelder eigentlich gut gemeint sind, tragen sie jedoch auch dazu bei, den Unrechts-Staat in Uganda zu stabilisieren. In mehreren Fällen hat die Bundesregierung in der Vergangenheit bereits Gelder für Entwicklungszusammenarbeit gestrichen oder umgeleitet, wenn Partnerländer nicht ausreichend auf die Einhaltung der Menschenrechte achteten oder gegen Korruption vorgingen, beispielsweise in Burundi oder Myanmar. Obwohl in Uganda genau das der Fall ist, kooperieren die Länder des Globalen Nordens weiter uneingeschränkt mit der Regierung Musevenis. Auch das umstrittene Gesetz gegen Homosexuelle, das 2023 in Uganda verabschiedet wurde, reichte als Grund nicht aus.
Viele Menschen profitieren allerdings von der Entwicklungszusammenarbeit und es bleibt fraglich, ob deren Einstellung das Regime wirklich schwächen oder eher zulasten der Bevölkerung gehen würde. Außerdem sehen viele Länder des Globalen Nordens Uganda als wichtigen Sicherheits- und Stabilitätsgaranten in Ostafrika, der, wenn auch autoritär regiert, mit einem starken Militär für Ordnung in der Region sorgt. Davon profitieren nicht zuletzt die amerikanischen, chinesischen und europäischen Unternehmen, die in Uganda und der angrenzenden Demokratischen Republik Kongo Rohstoffe fördern. Der gefolterte Schriftsteller Kakwenza Rukirabashaija richtet 2022 bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit allerdings klare Worte an die Deutsche Botschaft in Kampala: “STOP FUNDING TERRORIST MUSEVENI”.
Lookman möchte trotz der Gefahren, die seine Fotografie und sein politisches Engagement bedeuten, weitermachen. “Uganda ist an sich ein reiches Land mit viel Potenzial. Wir wollen eine Regierung, die dieses Potenzial nutzt. Wir wollen ein Ende der Korruption”, so Lookman. “Wenn es Teil unseres Kampfes ist, ins Gefängnis zu gehen, gehen wir ins Gefängnis.” Sollte irgendwann die Möglichkeit freier und fairer Wahlen bestehen, möchte er für das Amt des Bürgermeisters seiner Heimatstadt Kampala kandidieren. Bis dahin fotografiert er weiter. “Ich plane gerade eine Ausstellung mit dem Titel “The Ugandans”, inspiriert von Stefan Moses und seiner Foto-Reihe “Die Deutschen”. Am liebsten würde er
seine Bilder auch in anderen Ländern ausstellen. Lookmans Traum ist es, eines Tages in einem demokratischen und freien Uganda zu leben. Den Weg dorthin will der junge Fotograf weiter mit seiner Kamera begleiten.
lookmankampala.com
ig: kampalalookman
x: KampalaLookman
Nikolaus Neidhardt ist freier Journalist und schreibt unter anderem für die Leipziger Volkszeitung. Er lebt in Leipzig.
Bild im Header: Lookman Kampala. Bild vom Fotografen: Nikolaus Neidhardt.
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