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Als Freunde, die sich schon viele Jahre kennen und durch elektronische Musik zueinander gefunden haben, hatten wir schon viele Gespräche über unsere Erfahrungen mit Rassismus in der Amsterdamer Tanzmusik Szene und haben kürzlich beschlossen, einen Teil unserer zuletzt am häufigsten erlebten Kümmernisse aufzuschreiben. Die folgende Unterhaltung fand vor der aktuellen Welle von Protesten statt und trotz des aktuellen Nachdenkens über anti-Schwarzen Rassismus von weißen Akteuren in der Szene sind eine Menge der angesprochenen Themen und Herausforderungen noch immer sehr relevant. Obwohl die holländische Szene im Fokus der Diskussion steht, können überall auf der Welt ähnliche Dynamiken beobachtet werden.
Diese Unterhaltung zwischen Axmed Maxamed und Mathys Rennela fand im November 2019 statt.
Axmed: Kulturelle Aneignung, Künstler:innen, die ‚Schwarze Namen‘ benutzen und sich Schwarze Kulturen aneignen, Geschichten von unverhohlenem und endemischem Rassismus innerhalb der Tanzmusik Szenen, … das sind Themen, die wir in den letzten paar Jahren viel diskutiert haben.
Mathys: In Bezug auf Musik Kreise geht das Ganze weit über kulturelle Aneignung hinaus. Vor allem weil es so viel Musikproduktion vom afrikanischen Kontinent und auch aus der Diaspora und von People of Colour generell gibt. So viele Traditionen und musikalische Werke werden komplett übernommen und von der Industrie ge-whitewashed. Für manche Künstler:innen geht es wirklich darum, eine Schwarze künstlerische Identität anzunehmen, was ich sehr, sehr interessant finde. Ich war letztes Jahr auf dem Dekmantel Festival und ich glaube an dem Freitag oder Samstag….
Axmed: Ich erinnere mich, dass du davon erzählt hast.
Mathys: Ja! Ich erinnere mich, wie aufgeregt ich war, im Line-up einige Künstler:innen aus Afrika zu sehen, wie zum Beispiel Ugandan Methods und da war auch ein Duo, das nach einer Insel im Pazifik benannt war.
Axmed: Nu Guinea.
Mathys: So hießen die. Ich war also aufgeregt, die zu sehen, aber als ich hingegangen bin, habe ich gesehen, dass das zwei weiße Typen waren. Als ich meine Überraschung darüber auf Twitter teilte, waren eine Menge PoC vor allem wegen Ugandan Methods überrascht. Ich habe dann noch weiter die Künstler:innen ausgecheckt und war wirklich überrascht, als mir klar wurde, dass Kamaal Williams gar nicht Schwarz ist. Wenn man den Namen Kamaal Williams hört, zieht man automatisch die Verbindung zum Schwarzen Amerika, vor allem im Zusammenhang mit seiner Musik.
Axmed: Außerdem heißt sein Label Black Focus Records. Als ich das sah, dachte ich ‚Was geht hier vor?‘ Ich weiß, dass er den Namen Kamaal annahm, als er zum Islam konvertierte, bin aber nicht sicher, woher Williams kommt. Dann fing er auch an, arabische Buchstaben in künstlerischen Werken zu benutzen, zum Beispiel für sein Label.
Mathys: Ich frage mich echt, was die wahre Motivation dafür ist, eine Schwarze Identität anzunehmen. Als DJ hat man doch ohnehin Zugang zu Platten von Schwarzen Künstler:innen und man kann Karriere machen, wie das ja auch viele Leute getan haben, indem man einfach Musik vom afrikanischen Kontinent oder karibische Musik spielt. Ich frage mich also, was der Anreiz ist, eine Schwarze Identität anzunehmen. Für mich hat das wirklich Ähnlichkeiten zu dem ‚Sex sells‘ Trend in der elektronischen Tanzmusik, wo attraktive und leicht bekleidete Frauen benutzt werden, um Werbung zu machen für Parties und Festivals, da es kulturell akzeptiert ist, dass diese zwei Dinge zusammengehören. Die Code Switch Podcast Folge ‘Give it up for dj blackface’ handelt von der Tatsache, dass House und Techno ihren Ursprung bei Schwarzen Künstler:innen haben und dass das Annehmen einer Schwarzen Identität Glaubhaftigkeit verschafft. Jedenfalls ist das Whitewashing von House und Techno gänzlich abgeschlossen. Wie auch im Podcast erwähnt wird: Wenn man einen durchschnittlichen weißen Europäer nach der Geschichte von House oder Techno fragt, sagt er wahrscheinlich eher Daft Punk als Jeff Mills.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei Dweller. Dweller ist seit 2019 ein Festival für elektronische Musik, das Schwarzen Künstler:innen für elektronische Musik eine Plattform bietet und seit 2020 auch ein Blog, dessen Artikel Schwarze Perspektiven fokussieren.
Axmed: Ja, das Bleaching von House und Techno ist definitiv abgeschlossen und nicht nur weiße Leute denken, dass es sich dabei um Musik handelt, die weiß ist, sogar Schwarze Leute glauben das. Die Geschichte wurde total ausgelöscht, auch wenn sie noch nicht so lange her ist. Ich erinnere mich an die Reaktion der Leute, die nicht in Tanzmusik involviert sind, als Black Queer & Trans Resistance NL die Podcast Folge geteilt hat, von der du geredet hast.
Mathys: Obwohl das Annehmen von Schwarzen Identitäten alles andere als ein neues Phänomen ist. Ein gutes Beispiel ist Italo Disco. Um mehr Glaubhaftigkeit zu gewinnen, bestanden Bands wie Change komplett aus Schwarzen Sänger:innen und Tänzer:innen, auch wenn die Proudzent:innen weiß waren. Man könnte argumentieren, dass es wichtig für Marketing Zwecke war, vor allem Schwarze Gesichter im Programm zu haben. Sogar Luther Vandross hat kurz zu dieser Band gehört. Und es überrascht nicht, dass die Anfänge von Italo Disco mit dem ‚Verbot‘ von Disco in den Staaten zusammenfielen, mit anti-Disco Events wie der Disco Demolition Night am 12. Juli 1979 im Comiskey Park in Chicago. Diese anti-Disco Bewegung war ein richtiger Whitelash (auch White Backlash oder White Rage Backlash, ist die negative Reaktion weißer Menschen auf den Fortschritt anderer ethnischer Gruppen in Bezug auf deren Rechte und Möglichkeiten, ihre wachsende kulturelle Parität oder politische Selbstbestimmung, Anm. Red.), angeführt von weißen Cis-Menschen und gegen das Aufkommen von Musikgenres, die aus queeren Gemeinschaften von People of Colour kamen.
Axmed: Ja, und das war auch Teil des Aufkommens von Eurodisco und von dem, was auch ‚post disco‘ genannt wurde und aus dem Bands wie Boney M entstanden sind, auch ein Projekt eines weißen Produzenten mit lauter Schwarzen Bandmitgliedern. Das ist eine ganz andere Diskussion, aber es lohnt sich, darauf hinzuweisen, wie ersetzbar viele der Bandmitglieder waren. Aber grundsätzlich gab da eine weiße Person den Ton an.
Mathys: Lange Zeit war Rap, vor allem Gangsta Rap, Musik, die nur von Schwarzen Künstler:innen gemacht werden konnte, dann wurde er mit dem Bekanntwerden von weißen Rappern wie zum Beispiel Eminem an ein größeres (vorwiegend weißes) Publikum vermarktet und nun ist das Genre teilweise entkoppelt von dem sozio-ethnischen Hintergrund, in dem es seinen Ursprung hatte. Ich habe das Gefühl, in der Tanzmusik haben wir einen Punkt erreicht, an dem sie so ge-whitewashed ist, dass es für weiße Künstler:innen ohnehin nicht mehr nötig sein sollte, eine Schwarze Identität anzunehmen. Ich empfinde es also so, dass es nicht mehr nur um Marketing und Glaubhaftigkeit geht, sondern auch darum, ein Statement zu machen.
Axmed: Interessant, dass du das sagst, denn die Frage ist, was dieses Statement eigentlich genau ist? Ich glaube ehrlich, dass du manchen dieser Künstler:innen zu viel zugestehst, wenn du denkst, dass sie lange darüber nachdenken, Schwarze Identitäten zu benutzen. Ich würde eher argumentieren, dass weiße Künstler:innen die Welt als ihr Spielfeld begreifen und ihnen die Konsequenzen und Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Schwarze und farbige Künstler:innen und Partygänger:innen egal sind. Wenn man es herunterbricht, geht es darum, dass die Szene sich kein bisschen um Schwarze Menschen kümmert, was natürlich ein Produkt der Gesellschaft ist, in der wir leben.Zusätzlich dazu gibt es immer noch Möglichkeiten, das Annehmen einer Schwarzen Identität als Verkaufspunkt zu nutzen. Ein gutes Beispiel dafür in den Niederlanden ist Beesmunt Soundsystem, die den Namen Tanzania Soundsystem für eine ihrer Veröffentlichungen genutzt haben, zusammen mit Swahili Wörtern und Sätzen für die Tracktitel:
Msichana = Mädchen
Mdomo= Mund oder Lippen
Ngono Kijiji = Sex auf dem Dorf
Upotofu = Unmoralisch oder beschämend
Einer der Tracks beinhaltet Massai Gesang und die anderen sind ‚Remixes‘ von Klassikern tansanischer Rumba Bands wie zum Beispiel der Juwata Jazz Band, deren Mitglieder noch leben soweit ich weiß. Wurden die bezahlt? In der Pressemitteilung verweist das Highlife label nicht auf Beesmunt Soundsystem, sondern auf ‚the mysterious Tanzania Sound System‘. Auf dem Coverbild sind zwei nicht identifizierbare Figuren in traditioneller Kleidung und die tansanische Flagge. Das hängt auch stark zusammen mit der ‚Digger-Szene‘, in der meist weiße Djs und Labelbesitzer die ersten sein wollen, die Musik aus ‚weit entfernten Ländern‘ ‚entdecken‘ wollen, wobei sie Leuten ihre Kultur wegnehmen, ohne die Bedeutung hinter der Musik zu verstehen, um sie dann an ein größtenteils weißes Publikum zu vermarkten. Und natürlich davon profitieren. Wir haben zum Beispiel auch über Awesome Tapes From Africa gesprochen.
Mathys: Das ist irgendwie ein Ausdruck von Neokolonialismus. Wenn Leute an Musik vom afrikanischen Kontinent denken, und das ist besonders interessant im Kontekt von Tanzmusik, dann denken sie überhaupt nicht an die ganzen aufkommenden Musiker:innen aus Südafrika, all die Innovationen aus der nigerianischen Szene usw. Sie haben eine bestimmte Vorstellung davon, was „afrikanische Musik“ zu sein hat und das funktioniert über den white gaze (der weiße Blick, er entsteht beim Betrachten Schwarzer Kunstwerke im Rahmen des weißen Ethnozentrismus. Anm. d. Red.): sie muss authentisch klingen, low-tech, und wenn irgendein Tech involviert ist, muss sie gerettet werden. Sie muss die Vorstellung befriedigen, das irgendjemand die Musik aus dem Nichts erschaffen hat, in einem Dorf oder im Busch, mit ganz wenig Ressourcen, und dass die Musik dann verloren gegangen ist und von einem weißen Europäer wiederentdeckt. Awesome Tapes from Africa ist ja nicht irgendein Typ, der in einen Plattenladen gegangen ist und da afrikanische Musik gefunden hat. Der hat einen akademischen Hintergrund, der ihm Legitimität verschafft. Da geht’s nicht nur um die Musik, sondern auch um die Story, und genauso sieht ein neokolonialer Ansatz aus und so hört er sich auch an. Ein lokales Label wäre viel ethischer, ohne den ganzen Fokus auf dieses neokoloniale Narrativ über ‚die Entdeckung‘ von Schätzen, deren Wert vollkommen unterschätzt wurde, bevor sie von einem weißen Mann ‚wiederentdeckt‘ wurden. Nichts lieben die Leute mehr als eine gute Story über eine verlorengegangene Platte, die wiedergefunden wurde. Aber in Realität gibt es nicht viele solcher Stories.
Axmed: Ich glaube auch, dass das mit einem Anspruchsdenken zu tun hat, denn warum liegt die Aufmerksamkeit auf dem einen Künstler, der nicht gefunden werden kann oder denen, die aus persönlichen Gründen nichts mit der Musikindustrie zu tun haben wollen. Anstatt das zu respektieren, wird eine Menge Energie darauf verwandt, diese zu überzeugen oder fast zu zwingen. In manchen Fällen geht es also nicht um die Künstler:innen, sondern um einen weißen Labelbesitzer oder eine weiße Musikjournalistin, die ein Produkt nachfragen, hinter dem sich eine ‚tolle Geschichte‘ verbirgt. Und vergessen wir nicht die Kolonialgeschichte, von der weiße Künstler:innen bewußt oder unbewußt profitieren, was das ganze noch auf einer ganz anderen Ebene problematisch macht.
Mathys: Ein Teil des Reizes an afrikanischer oder karibischer Musik besteht in ihrem Exotismus, und sie wird gerne aus dem Kontext gerissen und mit dem white gaze betrachtet. Musiker:innen vom afrikanischen Kontinent oder aus der Karibik fühlen sich dadurch gehemmt in ihrem künstlerischen Ausdruck. Ihre Musik wird echt dadurch definiert, wie sie im Westen konsumiert wird, und das ist meistens ohne den Kontext. „Sammler:innen“ beschäftigen sich selten mit der Kultur. Das habe ich bei französischer karibischer Musik beobachtet, die immer beliebter wird in ihrer instrumentellen Form (ohne Text). Ich erinnere mich an einen Song in französischem Kreol auf einem Festival, der von karibischem Stolz handelte. Es war eine merkwürdige Erfahrung, einen Song über Selbstbestimmung zu hören, mit Lyrics, die explizit dazu aufrufen, sich von dem weißen Mann zu befreien, der von einem weißen Dj vor einer überwiegend weißen Crowd gespielt wurde. Ich erinnere mich daran, dass ich verwirrt war darüber, dass dieses Lied, das so voller Wut und Traurigkeit war, auf so eine fröhliche Art gespielt wurde. Manche Djs nehmen sich tatsächlich die Zeit, den Kontext der Musik, die sie spielen, zu recherchieren, vor allem wenn sie verantungsbewusst sind. Aber das ist sicherlich nicht die Norm. Leider weigern sich viele DJs, konstruktive Kritik von den Menschen in ihrem Umfeld oder ihrem Publikum anzunehmen, sondern stellen stattdessen lieber zur Schau, dass sie Verbündete sind, tauchen bei Demos auf, um Selfies zu schießen, posten Dinge in den sozialen Medien, um irgendeine Gemeinschaft zu unterstützen, ohne auf die Idee zu kommen, den Mitgliedern der eigenen Szene auszuhelfen, nehmen in Aktivist:innenkreisen zu viel Raum ein, ohne den Leuten Anerkennung zu zollen, die tatsächlich harte Arbeit leisten usw. Es gibt ethische Wege, sich mit Musik zu beschäftigen und es ist an den Djs, durch den Prozess zu gehen, ihre eigene Arbeitsethik zu finden. Es geht darum, sich bewusst zu sein darüber, was man spielt.
Axmed: Die häufigste Reaktion auf die Art von Kritik, die du gerade formuliert hast, ist ja oft „Dann darf ich jetzt also überhaupt keine Musik mehr spielen?“ Manchmal löst sowas aggressive und sogar gewaltvolle Reaktionen aus, wenn es doch darum bei der Kritik gar nicht geht. Es ist doch nicht unvernünftig, wenn Leute annehmen, dass man Schwarz ist oder vom afrikanischen Kontinent kommt, wenn man einen Namen benutzt, der genau das vorgibt. Um nochmal das Beispiel von Awesome Tapes from Africa zu bemühen: Er ist sich der Kritik schon seit Jahren bewusst, er wurde in den sozialen Medien dafür kritisiert, dass er diesen Namen hat, obwohl er nicht aus Afrika kommt. Seine schnippische Antwort darauf war: „Ich bin auch kein Tape.“ Er ist jemand, der eigentlich die Dynamiken und die Kritik versteht, aber trotzdem entscheidet, nicht darauf einzugehen. Wenn Künstler:innen einen bestimmten Bekanntheitsgrad erreicht haben, sind sie irgendwie unantastbar, oder zumindest haben sie das Gefühl, niemandem gegenüber mehr Rechenschaft ablegen zu müssen. Das ist zum Beispiel bei Cairo Liberation Front der Fall. Es war schon höchst problematisch, dass zwei weiße Jungs diesen Namen benutzt haben, aber die sind an den Punkt gekommen, wo ihre Parties ausverkauft waren. Heutzutage buchen die zwar Künstler:innen arabischer Herkunft, aber sie haben sehr problematisch angefangen: ihren Namen verteidigt, Bauchtänzerinnen auf der Bühne gehabt und Stereotype über die arabische Welt bedient. Ursprünglich hießen sie sogar „Nobody beats the dürüm.“ Sie haben niemals öffentlich über dieses Verhalten in der Vergangenheit gesprochen und indem sie ihr Fehlverhalten nicht zugeben, haben sie Tür und Tor geöffnet für anderen Kollektive, die ähnlich problematische Ansätze haben.
Mathys: Ich habe das Gefühl, wenn man ein bestimmtes Projekt hat, an dem man seit Jahren gearbeitet hat, selbst wenn es problematisch angefangen hat, selbst wenn die Kritik nur als Begleiterscheinung eines kommerziellen Erfolges auftritt, ist es wichtig, über die Vergangenheit seines Projektes nachzudenken und über die Botschaft, die man transportiert.
Axmed: Einige dieser Projekte haben ja ganz klein angefangen, aber landen, bevor man sich versieht, auf großen Festivals. Radio Noet Noet zum Beispiel, ein komplett weißes DJ Kollektiv, das sich auf Musik vom afrikanischen Kontinent konzentriert und kulturelle Aneignung betreibt, die wurden noch nie zur Verantwortung gezogen von Musikjournalist:innen, und auch nicht von Schwarzen Leuten um sie herum. Das ist ein Projekt, das noch nicht mal gut durchdacht werden musste, um erfolgreich zu werden.
Mathys: Und weil solche Projekte nicht gut durchdacht sind, sind sie so anfällig für Voreingenommenheit. Letztendlich verschaffen sie sich Legitimität durch irgendwelche Verbindungen mit People of Colour. Das macht es schwerer, sie zu kritisieren, denn es gibt sowieso so wenig Räume in der Tanzmusikszene, in denen People of Colour als Musikproduzent:innen aktiv willkommen geheißen werden. Das ist eine perverse Taktik, die einen davor schützt, Verantwortung zu übernehmen, wenn man die People of Colour, die einen kritisieren, gegen die People of Colour ausspielt, denen man ‚hilft‘. Eine perfide Konsequenz daraus ist, dass die weißen Leute aus diesen Projekten am Ende noch idealisisert werden und in Führungspositionen in Gemeinschaften of Colour landen, zu denen sie nicht gehören. Ab dem Punkt gibt es keinen Raum mehr dafür, problematisches Verhalten zu entlernen. Die Sache ist: Der Wunsch, sich zu ändern muss daher kommen, dass man es wirklich will, und nicht, weil man gezwungen wird. Nehmen wir das Beispiel von Thug Entrancer, der wahrscheinlich einzige Dj, der einen problematischen Namen hatte und sich selbst entschlossen hat, ihn aufzugeben, nachem er einen VICE Artikel über weiße Produzenten, die Schwarze Kultur aneignen, gelesen hatte. Später erwähnte er in einem Interview, dass ihn niemand gebeten hat, seinen Namen zu ändern, er aber gemerkt hatte, dass sich einige Leute damit unwohl fühlten, und dass das ausgereicht hat, ihn zu diesem Wandel zu bringen. Situationen, in denen Leute nicht zur Verantwortung gezogen werden, öffnen Tür und Tor für weiteres problematisches Verhalten und da wird dann ein öffentliches darauf hinweisen wichtig und unvermeidbar, um die Szene in eine Richtung zu bewegen, die für alle in Ordnung ist. Leider werden solche öffentlichen Thematisierungen oft zu persönlich genommen: da geht es dann um verletzte Egos statt darum, als Gemeinschaft zu wachsen.
Axmed: Räume, Ressourcen und Gemeinschaften sind begrenzt. Es wird viel Energie in das Erschaffen neuer Plattformen gesteckt, vor allem von queeren People of Colour, die weiterhin sehr marginalisiert sind in der Szene und dann aus Mangel an besseren Alternativen in unsafe spaces landen. Weil niemand zur Verantwortung gezogen wird, wird sich dieser Prozess, der schon lange läuft, noch weiter hinziehen. Den Verantwortlichen fehlt noch immer die Kompetenz, um diese Themen anzugehen und deswegen profitieren sie von der unbezahlten Arbeit marginalisierter Gruppen. Wenn eine Kontroverse innerhalb einer Institution entsteht, wird sie oft ignoriert, außer sie ist zu groß um nicht angegangen zu werden. Das eigene Team zu diversifizieren und sich mit lokalen Gemeinschaften auseinanderzusetzen, sind Möglichkeiten, blinde Flecke zu erleuchten, aber es ist auch wichtig, die Existenz solcher blinder Flecken anzuerkennen. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem es keine Räume mehr gibt, die ich in Amsterdam People of Colour empfehlen würde, und das ist wirklich eine Schande.