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Man kennt ja leider nicht viele öffentlichkeitswirksame afrikanische Profiköche und -köchinnen. Deswegen stellen wir heute den Senegalesen Pierre Thiam vor, der sich mit seiner Kochkunst und seinem Engagement für die westafrikanische Cuisine als kulinarischer Botschafter versteht.
Thiam wuchs in Dakar auf, wo er, wie er im folgenden Video erzählt, schon früh von einem Kochbuch seiner Mutter und den dort abgebildeten Köstlichkeiten so begeistert war, dass er wusste, er wollte Koch werden. Leider ist das im Senegal nicht so leicht, denn
als Junge hatte ich in der Küche nichts zu suchen. Ich durfte nicht hinein, denn im Senegal ist Kochen eine geschlechtsspezifische Aktivität, die Frauen vorbehalten ist. Das ist eine ernsthafte kulturelle Angelegenheit. Mittlerweile tut sich da aber was und es gibt auch männliche Profiköche.
Pierre Thiam
Als Thiam wegen der Schließung seiner Uni in den USA weiter studieren musste, entdeckte er, dass er dort auch als Mann Zugang zu Küchen und Gastronomien hatte. Als er in den späten 80er Jahren in New York ausgeraubt wurde, beschloss er kurzerhand, sich einen Job in einem Restaurant zu suchen und nicht in den Senegal zurückzureisen. Er arbeitete sich als Koch in die New Yorker Restaurant Welt hoch und eröffnete zwei eigene Restaurants in Brooklyn. Das Yolele und das Le Grand Dakar sind heute zwei visionäre afrikanische Bistros, die zu kulinarischen und kulturellen Zentren für Afrikaner:innen vom Kontinent und aus der Diaspora geworden sind.
In den späten 80er Jahren, als ich dort ankam, gab es in New York kein afrikanisches Essen. Punkt. Vielleicht gab es nordafrikanisches Essen, das an mir vorüberging, aber definitiv kein westafrikanisches.
Inspiriert von einer Philosophie des ersten senegalesischen Präsidenten Senghor (der Dichter war), lebt und arbeitet Thiam nach einem Prinzip des neuen Humanismus, bei dem verschiedene Kulturen als gleichwertige an einem Tisch zusammenkommen und alle etwas Schönes beitragen. Als kulinarischer Botschafter möchte er jedoch nicht nur Menschen an einem Tisch vereinen und ihnen über das Kochen die westafrikanische Kultur näherbringen, sondern auch den vielen Profiköchen, die in Westafrika bescheiden in ihren häuslichen Küchen kulinarische Wunder vollbringen, eine Stimme geben.
Während der Arbeit an seinem ersten Kochbuch reiste Thiam für neue Inspiration in den Senegal, wo man ihm in der weit von der Hauptstadt entfernten Region Kédougou ein uraltes Getreide zeigte, das schon lange vom Speiseplan der urbanen Senegales:innen verschwunden ist: Fonio. Traditionell wurde es zubereitet, wenn man Gäste aus dem Königshaus erwartete, deswegen wird es auch das Königsgetreide genannt. Thiam vermutet, dass es bei guter Vermarktung für Westafrika das bedeuten könne, was Quinoa für Peru und Chile bedeute. Ein Urgetreide, das glutenfrei, nahrhaft, schmackhaft und dürreresistent ist, könnte westafrikanischen Ökonomien große Abnehmer verschaffen.
Fonio wird seit mehr als 5000 Jahren in Afrika angebaut und wurde von Archäolog:innen sogar in ägyptischen Pyramiden gefunden, wo es als Grabbeilage genutzt wurde. Noch kosten 400 Gramm Fonio aus dem Senegal bei uns knapp 9 Euro, aber es lohnt sich, die Augen aufzuhalten um zu sehen, was Thiam als Advokat des Urgetreides erreichen wird.